Der Staatsrat steht dem Eigenanbau von vier Cannabispflanzen kritisch gegenüber. Luxemburg würde damit gegen internationales Recht verstoßen, so die Befürchtung der hohen Körperschaft. Konsequenzen dürfte das allerdings kaum haben.
„In der Rechtslehre herrscht keine Einigkeit über die Frage, ob ein Gesetzentwurf zum Anbau von vier Cannabispflanzen mit dem Völkerrecht vereinbar oder sogar unvereinbar ist“, schreibt der Staatsrat in seinem Gutachten, das nun vorliegt. Diese Krux stellte bereits mehrere Regierungen vor Herausforderungen. Der Staatsrat folgt der mehrheitlichen Meinung: Das Vorhaben der Regierung einer Entkriminalisierung von Cannabis sei nicht mit internationalem Recht vereinbar. Die Regierung würde also selbst mit ihrem Vorhaben, das eher einer halbherzigen Legalisierung entspricht, gegen internationale Verträge verstoßen.
Obwohl dies seit Beginn des Vorhabens als eine der größten Hürden bekannt war, hatte es das Justizministerium von Sam Tanson (Déi Gréng) versäumt, in einem ersten Gesetzentwurf sich überhaupt mit den internationalen Verträgen auseinanderzusetzen. Die nachträgliche Begründung reicht für den Staatsrat allerdings nicht aus. Er bezeichnet sie in seinem Gutachten als „dürftig“.
Nicht ausreichend begründetes Gesetz
Eine erste Hürde konnte die Regierung mit ihrem Vorschlag immerhin überwinden. Der Staatsrat prüfte, ob das Gesetzesprojekt gegen EU-Recht verstößt. Das sei nicht der Fall. Das EU-Recht verbietet lediglich den Besitz von Cannabis, wenn dieser ausschließlich zum Zweck der Weitergabe oder des Exports bestimmt ist. Der Eigenanbau und eigener Konsum würden demnach nicht unter die Bestimmungen des EU-Rechts fallen, stellt der Staatsrat fest. Problematischer sind allerdings mehrere UNO-Verträge.
In diesen Verträgen wird Cannabis explizit als Rauschmittel aufgelistet. Zusätzlich sollen Staaten bei der Bekämpfung der Drogenkriminalität ausschließlich auf eine repressive Politik zurückgreifen. Somit stellt sich für alle Unterzeichner der Abkommen die Frage, wie sie einen möglichen Kurswechsel in ihrer Drogenpolitik begründen können, ohne gegen die Verträge zu verstoßen. „Wenn, und das ist ein wichtiges Wenn, es der Regierung gelingt, ein plausibles Konzept auszuarbeiten, das den Gesundheitsschutz verbessert, könnte man über diesen Umweg das internationale Recht einhalten“, erklärte vor mehr als zwei Jahren der Rechtsprofessor Piet Hein van Kempen im Gespräch mit Reporter.lu. Dies bezog sich allerdings noch auf das ursprüngliche Konzept einer tatsächlichen Legalisierung. Der Gesundheitsschutz kommt im neuen Text nicht mehr vor.
Für den Staatsrat ist auch der vorliegende Entwurf nicht geeignet, einen Verstoß gegen geltendes Recht zu vermeiden. Die Regierung folgte in ihrer Argumentation dem Beispiel Maltas, das ebenfalls den Eigenanbau von vier Cannabispflanzen erlaubt. Doch die Rechtslage ist eine andere in Luxemburg. Das Justizministerium verweist auf das verfassungsgebende Prinzip des Rechts auf Privatsphäre und der Achtung der Wohnung. „Nach Kenntnis des Staatsrates hat bislang kein Richter der Europäischen Union das Recht auf Cannabiskonsum als Teil des Rechts auf Privatsphäre anerkannt“, schreibt dazu die hohe Körperschaft. Die neuen Bestimmungen würden also auf tönernen Füßen stehen.
Dieses Problem war für Staaten, die auf den Weg einer vollständigen Legalisierung gingen, noch größer. Dennoch wurde bisher weder gegen Kanada, Uruguay noch Malta juristisch vorgegangen oder Sanktionen beschlossen. Der Vertragsbruch wird demnach von den anderen Unterzeichnern zumindest toleriert.
Vier „Oppositions formelles“
Neben der Vereinbarkeit des internationalen Rechts stellten sich für den Staatsrat auch Fragen zum Jugendschutz. Die Formulierung des vorliegenden Textes erlaube es nicht, zu klären, ob die Weitergabe von Cannabis an Minderjährige oder der Konsum in Anwesenheit von Minderjährigen strafbar seien. Der Staatsrat spricht zu dem Thema gleich zwei „Oppositions formelles“ aus.
Zusätzlich muss das Justizministerium mehrere Definitionen nachliefern. Da der Anbau von mehr als vier Pflanzen in einer „Communauté domestique“ strafrechtliche Folgen hat, müsse die Hausgemeinschaft im Gesetz definiert werden. Auch hiergegen erhebt die hohe Körperschaft einen formellen Einwand, weil sonst nicht sichergestellt werden könne, dass das Strafmaß für jeden ersichtlich sei. Ein vierter und letzter Einwand bezieht sich auf die Anbaufläche. Die Regierung wollte diese im angrenzenden Bereich des Hauses erlauben. Laut dem Staatsrat könne damit aber auch das Grundstück des Nachbarn gemeint sein.
Das Parlament wird nun wohl Verbesserungsvorschläge ausarbeiten, um auf die Einwände des Staatsrats einzugehen. Dabei müssen die Abgeordneten sich auch fragen, ob das Gesetz nicht etwas gelockert werden muss. „Cannabis muss an dem Ort konsumiert werden, an dem es angebaut wurde, und nur von der Person, die es angebaut hat“, interpretiert der Staatsrat das Gesetzesprojekt. Der Ertrag darf also nicht mit Mitbewohnern geteilt werden, aber die maximale Zahl an Pflanzen wird für die gesamte Wohngemeinschaft festgelegt.
Während das Parlament noch mit dem Gesetz zum Eigenanbau beschäftigt ist, bereitet sich die Regierung auf die nächste Phase der Cannabis-Reform vor. Laut Informationen von Reporter.lu soll Ende März ein erstes Konzept für das Pilotprojekt einer Legalisierung von Gesundheitsministerin Paulette Lenert (LSAP) im Ministerrat vorgelegt werden.


