Ohne private Geldspenden können wohltätige Organisationen nur schwer funktionieren. Der Krieg in der Ukraine führte in diesem Jahr zu einer großen Solidaritätswelle. Die Inflation hat die Spendenbereitschaft der Luxemburger bisher kaum gebremst.

„Quand faut pas y aller, faut y aller“, „Le froid menace les enfants“, „Durch Spenden Leben retten“: Botschaften wie diese landen Ende des Jahres in vielen Briefkästen. Die Spendenaufrufe von wohltätigen Organisationen treffen meist auch pünktlich zur Vorweihnachtszeit ein. Im Laufe des Jahres 2022 wurde aber auch schon für die Flutkatastrophe in Pakistan, nach dem Erdbeben in Afghanistan oder wegen der hohen Energiepreise hierzulande zur Solidarität aufgerufen.

Die Reaktionen waren nicht so groß wie erwartet. Denn vor allem ein Thema stand bei Spendern und Organisationen dieses Jahr im Vordergrund: Der Krieg in der Ukraine hat in kurzer Zeit zu Spenden in Millionenhöhe geführt und die Spendenbilanz für 2022 auf ein hohes Niveau gebracht. „Die Bevölkerung in Luxemburg hat sich im Kontext des Ukrainekonflikts so stark engagiert wie seit dem Tsunami von 2004 nicht mehr“, so Luc Scheer vom Roten Kreuz. Über die Hälfte der Spendeneinahmen für das Luxemburger Rote Kreuz bis Dezember seien die 3,7 Millionen Euro für die Krisenhilfe in der Ukraine.

„Die Solidarität in Luxemburg ist grundsätzlich groß“, lautet auch die Einschätzung von Marc Crochet, dem Generaldirektor der Caritas. „Wenn die Leute eine Krise sehen, dann zeigen sie sich auch solidarisch. Dieses Jahr war das beim Krieg in der Ukraine der Fall.“ Bei der Caritas sind dieses Jahr über drei Millionen Euro Spenden für die Ukraine eingetroffen. „Das ist für uns sehr viel, ein fast historisches Ergebnis“, erklärt Marc Crochet. Insgesamt hat die gemeinnützige Organisation 2022 bis Mitte Dezember etwa 4,6 Millionen Euro an Spenden erhalten. Zum Vergleich: 2020 waren es im Ganzen etwa 2,4 Millionen.

Solidarität nach Kriegsbeginn

Die Nichtregierungsorganisation (NGO) „LUkraine“ stand bei den Bemühungen in der ersten Reihe und hat sowohl Hilfslieferungen in die Ukraine durchgeführt, als auch ankommende Flüchtende aus der Ukraine in Luxemburg unterstützt. Anfangs war sie mit enormen finanziellen und auch materiellen Zuwendungen konfrontiert. „Wir hatten bei Weitem die meisten Spenden im März und April“, erklärt Nicolas Zharov, der Präsident der Organisation, im Gespräch mit Reporter.lu. In dieser Zeit hat die Organisation über eine Million Euro erhalten. Danach habe die finanzielle Unterstützung aber schnell abgenommen.

Dafür hat Nicolas Zharov durchaus Verständnis: „Die Menschen haben genug von den schlechten Nachrichten.“ Angesichts der überall steigenden Preise meint er: „Wir können nicht zu viel erwarten.“ Nach den massiven Attacken auf die kritische Infrastruktur in der Ukraine während der letzten Monate und aufgrund der Kampagne „Ukraine is calling“ seien wieder etwas mehr Spenden angekommen. Mit etwa 300.000 Euro über die letzten Monate sei es aber nicht mit den Reaktionen zu Beginn des Krieges zu vergleichen.

„Wir haben die aktuelle Kampagne langfristig vorbereitet, um auf die abnehmenden Spenden zu reagieren“, erklärt Nicolas Zharov, der sich wie alle bei LUkraine als Freiwilliger engagiert. Die ASBL konzentriert sich in ihrer Kampagne aktuell auf Ambulanzen und Rettungsfahrzeuge. Dies sei für Spender greifbar und das Bedürfnis danach jedem klar: „Die Menschen sehen, dass diese Fahrzeuge gebraucht werden.“

Eine Spende zu Weihnachten

Ende des Jahres ist es aber nur eine von vielen Kampagnen, die um Spenden bittet. Diese Zeit hilft vielen wohltätigen Organisationen, ihr Budget zu sichern. So etwa der Organisation „Kindernothilfe Luxembourg“, die Kinder und Jugendliche in Asien, Afrika und Lateinamerika fördert: „Die Weihnachtszeit macht durchschnittlich fast ein Fünftel unserer Spenden aus und ist damit eine wichtige Zeit zur Spendengenerierung für uns“, so der Geschäftsführer Patrick Reinert. „Médecins sans frontières“ schätzt, dass im Dezember zwischen 14 und 16 Prozent des Spendenaufkommens gesammelt werden.

Um die Konsequenzen des Krieges zu zeigen und Geld für neue Ambulanzen zu sammeln, hat LUkraine in Esch/Alzette eine zerstörte Ambulanz aus Kharkiv aufgestellt. (Foto: Mike Zenari)

Eine Sprecherin von „Amnesty International“ in Luxemburg sieht insgesamt einen Feiertagseffekt: „Die Menschen sind an bestimmten Feiertagen wie Weihnachten, während des Ramadan oder an anderen Feiertagen, aber auch vor den Sommerferien, eher bereit zu teilen.“ Tendenziell wird in Luxemburg auch jedes Jahr mehr Geld als Spende steuerlich abgesetzt. Dies ist ab einem Betrag von 120 Euro an als gemeinnützig anerkannte Organisationen möglich.

Laut dem Bericht des „Conseil economique et social“ wird für 2022 mit etwa 40 Millionen Euro gerechnet, die als Spende steuerlich abgesetzt werden. 2018 waren es noch 31 Millionen Euro. Diese Zahlen umfassen nicht alle Spenden in Luxemburg. Doch die Rückmeldungen der wohltätigen Organisationen an Reporter.lu lassen darauf schließen, dass die erwartete Zahl in diesem Jahr noch übertroffen werden könnte. Dies liegt vor allem an der großen Solidarität nach dem russischen Angriff auf die Ukraine, wobei eine mögliche Tendenz zum Sparen diesen Winter sich erst später abzeichnen wird.

Spendenaktionen im Wandel

„Unsere Spendenaufrufe für die Überschwemmungsopfer in Pakistan im Sommer und für die Sahelzone im Herbst hatten weniger Zuspruch als erwartet“, bemerkt Luc Scheer vom Roten Kreuz. Aktuell sei aber wieder etwas mehr Engagement spürbar – „besonders für unseren Einsatz für die sozial schwächsten Mitbürger in Luxemburg“.

Auch bei Greenpeace hat ein lokales Projekt mehr Erfolg bei Spendern. Die Umweltorganisation hat eine lokale Kampagne gestartet, um in Luxemburg einen Mikro-Wald zu pflanzen. „Die Luxemburger sind berührt von einem lokalen und greifbaren Projekt“, so der Eindruck von Christophe Piret, „Head of Fundraising“ bei Greenpeace Luxembourg. Spürbar sei, dass sich die Prioritäten der Leute verändern. Wenn humanitäre Krisen die Schlagzeilen bestimmen, würden Umweltthemen bei manchen Spendern schnell eine weniger große Rolle spielen.

Der Eindruck deckt sich auch mit rezenten Umfragen. Laut dem von „RTL“ und „Luxemburger Wort“ bei „Ilres“ in Auftrag gegebenen „Politmonitor“ im November sind die Folgen des Klimawandels im Vergleich zu 2021 vom vierten auf den siebten Platz der Sorgen der Wählerinnen und Wähler gerutscht. Stattdessen waren beispielsweise Inflation und Energiepreise den Befragten wichtiger.

Neue Spender erreichen

Die Inflation scheint aber noch keinen größeren Einfluss auf die Spendenbereitschaft zu haben. Die Organisationen, die Reporter.lu im Rahmen dieser Recherche kontaktierte, haben jedenfalls keine bedeutende Veränderung bei ihren regelmäßigen Spendern festgestellt. Mögliche Rückgänge seien bisher durch neue Spender ausgeglichen worden, so der Tenor am Ende des Jahres.

Für die Suche nach neuen Spendern war die Situation in den letzten Jahren allerdings nicht von Vorteil. Denn die Covid-Pandemie hat den Kontakt mit möglichen Spendern erschwert. Dieses Problem hätten viele wohltätige Organisationen festgestellt, sagt Nicole Ikuku, Direktorin des „Cercle de Cooperation“. Laut der Vereinigung von 86 einzelnen NGOs sei dies vor allem durch eine geringere Sichtbarkeit der Vereinigungen begründet. Verschiedene Aktivitäten konnte man nicht mehr ausführen und so erreichte man auch weniger Personen.

Durch den großen Willen, nach Beginn des Krieges in der Ukraine zu spenden, wurde diese Hürde zumindest teilweise wieder abgebaut. Caritas hat dieses Jahr etwa 3.000 neue Spender gewonnen. Bei „Médecins sans frontières“ waren es seit Januar schon 5.000 Spender mehr als 2021, davon 1.600 neue Spender. Punktuelle Spenden scheinen dabei meist im Bereich zwischen 50 und 150 Euro zu liegen. Beim Roten Kreuz sind es, Großspenden ausgenommen, durchschnittlich 87 Euro.

Vorbereitung auf alle Szenarien

Doch es sind vor allem die regelmäßigen Spenden, etwa Daueraufträge, die Organisationen eine langfristige Planung ermöglichen. Diese Planung hilft dann auch, um schnell reagieren zu können. Marc Crochet von der Caritas erklärt: „Spenden ermöglichen uns, direkt zu reagieren, wenn eine Krise auftaucht.“ Dabei ist von Vorteil, wenn die Beiträge nicht an bestimmte Projekte oder Themen gekoppelt sind, sondern der Organisation zur freien Verfügung stehen. Dann könnten sie dort eingesetzt werden, wo es grade am meisten gebraucht wird.

Bei Projekten in Burkina Faso sorgt die Preiserhöhung bei Baumaterial für finanzielle Schwierigkeiten bei den Partnerorganisationen. (Foto: Olympia de Maismont/Echo)

Zudem müssen die Hilfsorganisationen oft in Drittländern auf steigende Preise oder eine schlechtere Sicherheitslage reagieren. Dadurch leiden laut Nicole Ikuku auch langfristige Projekte, zugunsten von schneller Hilfe in Notfällen. Verschiedene Projekte müssten verkleinert werden, um angesichts teurerer Materialien noch innerhalb des vorgesehenen Budgets zu bleiben.

Während noch unsicher ist, wie sehr die Inflation und besonders die hohen Energiepreise das Spendenaufkommen hierzulande beeinflussen, sind die Auswirkungen für einige Projekte sofort spürbar: Aktionen wie die „Épiceries sociales“ sind beeinträchtigt, da sich die Einkaufspreise ändern. Dort wird die Finanzierung für das Rote Kreuz und die Caritas schwieriger. Bei weltweiten Projekten ist auch der schlechte Wechselkurs von Euro in US-Dollar von Nachteil. Um auf diese Herausforderungen zu reagieren, muss eigentlich auch das verfügbare Budget der Organisationen ständig steigen.

Mit oder ohne Kofinanzierung

Für viele anerkannte NGOs geht dies nicht nur über private, sondern auch über öffentliche Gelder. Sie können Projekte über unterschiedliche Ministerien oder die EU kofinanzieren. Dabei müssen sie meist 20 oder 40 Prozent des Budgets selbst aufbringen.

Was aber laut Richard Graf von der „Action Solidarité Tiers Monde“ immer der Fall ist: „Jede Spende ist existentiell.“ Für NGOs wie Greenpeace oder „Amnesty International“, die keine öffentlichen Gelder erhalten, gilt dies umso mehr. Aber auch für die anderen bildet dieses Geld den Ausgangspunkt für alles andere: „Jeder Euro kann kofinanziert werden vom Staat. Durch die starken Spenden aus der Bevölkerung steigt die Kofinanzierung“, so Richard Graf.

Es bleibt zu hoffen, dass die Solidarität und die Bereitschaft zu spenden auch andauern, wenn die Lebenshaltungskosten für potenzielle Spender weiter steigen. Spätestens, wenn Mieter Anfang nächsten Jahres hohe Energierechnungen erhalten, ist wieder Solidarität gefragt. Die Caritas plant schon ein Budget dafür ein.


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