In Luxemburg fehlt ein rechtlicher Rahmen für medizinisch unterstützte Fortpflanzung. Eine Reform des Abstammungsgesetzes soll das Vakuum zumindest teilweise schließen. Die Menschenrechtskommission hat ihre Stellungnahme zum Gesetzesprojekt nun veröffentlicht.
Grundsätzlich begrüßt die „Commission consultative des Droits de l’Homme“ (CCDH) das im Koalitionsvertrag festgehaltene Engagement der Regierung, ein Rahmengesetz zur Bioethik auszuarbeiten und das Abstammungsrecht zu reformieren. Mit dem rasanten Fortschritt der medizinischen, biologischen und genetischen Technologien brauche das Land einen umfassenden gesetzlichen Rahmen für bioethische Fragen. Dies sei sowohl wichtig, um Möglichkeiten auszuschöpfen, als auch um Missbrauch zu verhindern.
„Ich bin froh, dass es nun vorwärts geht“, sagt Gilbert Pregno. Der Präsident der Menschenrechtskommission betont, dass es sich bei bioethischen Fragestellungen oft um „einen Spagat“ handele, den es auszuhalten gelte. Medizinisch möglich sei nicht immer auch ethisch vertretbar, Interessen seien sich nicht selten diametral entgegengesetzt.
Durch Regeln zur Fortpflanzung dürfen bestimmte Teile der Bevölkerung nicht benachteiligt werden.“Max Mousel, Jurist der Menschenrechtskommission
In ihrer Stellungnahme empfiehlt die CCDH der Regierung deshalb die Einrichtung eines ständigen multidisziplinären Rates auf nationaler Ebene, der alle Gesetzentwürfe und alle Regierungsentscheidungen im Zusammenhang mit Bioethik und Biomedizin in Zukunft begleiten solle. „Es ist wichtig, wissenschaftliche und medizinische Akteure, aber auch Experten aus dem Feld der Menschenrechte in die Entwicklungen eines rechtlichen und regulatorischen Rahmens mit einzubinden“, erläutert der Präsident der Menschenrechtskommission anlässlich einer Pressekonferenz.
Max Mousel, Jurist der Menschenrechtskommission, hebt in seinen detaillierten Erläuterungen zum Gesetzesprojekt 6568A vor allem zwei Aspekte hervor. Erstens: Bei der Auseinandersetzung mit künstlicher Befruchtung und Leihmutterschaft müsse das Wohl des Kindes an erster Stelle stehen. Und sie müsse dem Prinzip der Nicht-Diskriminierung folgen. „Durch Regeln zur Fortpflanzung dürfen bestimmte Teile der Bevölkerung nicht benachteiligt werden“, sagt der Jurist.
Künstliche Befruchtung für alle
Deshalb begrüßt die Menschenrechtskommission, dass durch den Gesetzentwurf künstliche Befruchtung allen Personen, auch Alleinstehenden und gleichgeschlechtlichen Paaren, offenstehen soll. Ebenso unterstützt die Kommission die Verpflichtung zu einer „Convention médicale“, einer medizinischen Vereinbarung zwischen behandelnden Ärzten und betroffenen Personen. Der Staat müsse vor allem darauf achten, dass der Zugang zur Rechtsberatung jedem offen stehe. Besonders die Aufklärung über die Rechte des Kindes, wie sein Recht auf Kenntnis der eigenen Herkunft, ist für die Menschenrechtskommission ausschlaggebend.
Generell ist ein Fazit der Stellungnahme jedoch, dass der Gesetzentwurf nicht präzise genug sei. Besonders im Hinblick auf die Verfahrensmöglichkeiten der künstlichen Befruchtung sowie auf die Behandlung von Gameten und Embryonen sei der Text nicht ausgereift.
Viele offene Fragen
„Was passiert mit eingefrorenen Embryos, Samen- oder Eizellen nach dem Tod eines Menschen? Was passiert im Fall einer Trennung oder Scheidung? Welche Regeln gelten für Präimplantations- und Pränataldiagnosen? Wie weit darf und soll die Forschung gehen? Und nach welchen Kriterien dürfen Embryonen und Keimzellen ausgewählt werden? Wo sind die Grenzen?“ fragt Max Mousel.
Angesichts der schnellen wissenschaftlichen Entwicklungen und der sehr unterschiedlichen Situationen der einzelnen Betroffenen brauche es zwar ein gewisses Maß an Flexibilität, doch Grenzen sollten stärker definiert und regelmäßig überprüft werden, so der Jurist der CCDH.
Leihmutterschaft bleibt verboten
Im Gegensatz zur künstlichen Befruchtung soll Leihmutterschaft in Luxemburg, wie auch in der Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten, weiterhin verboten bleiben. Gleichzeitig will das neue Gesetz nun aber die Anerkennung von Kindern ermöglichen, die aus einer Leihmutterschaft im Ausland hervorgegangen sind.
Grundsätzlich begrüßt die Menschenrechtskommission diese Änderung, da sie darauf abzielt, Schwierigkeiten bei der Anerkennung von durch Leihmutterschaft geborenen Kinder abzuschaffen und deren Diskriminierung zu beenden. Dennoch erkennt die Kommission einen offensichtlichen Widerspruch zwischen dem völligen Verbot der Leihmutterschaft in Luxemburg und der Anerkennung von im Ausland durchgeführter Leihmutterschaft.
Wunsch nach öffentlicher Debatte
Um der Ausbeutung von Leihmüttern und dem Verkauf von Kindern zumindest entgegenzuwirken, fordert die CCDH die Regierung auf, umfassende und öffentliche Diskussionen mit multidisziplinären Perspektiven zu führen und die Möglichkeiten eines gesetzlichen Rahmens auszuloten. Die Mittel der Behörden, die sich gegen Menschenhandel und für den Schutz von Grundrechten einsetzten, müssten in diesem Zusammenhang unbedingt verstärkt werden.
Abschließend warnt die Menschenrechtskommission vor dem unkontrollierten Einsatz von Technologien, die den Eingriff in genetische Eigenschaften des Menschen ermöglichen. Sie hält einen gesetzlichen Rahmen auch hier für zwingend notwendig.
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