Mindgeek, das Imperium hinter den Plattformen Pornhub und Youporn, gehört mehrheitlich einem Österreicher und hat seinen Sitz in Luxemburg. Das undurchsichtige Firmengeflecht hinter der Luxemburger Holding ist dabei ein Paradebeispiel für Sinn und Unsinn des Transparenzregisters.
Das Schlimmste seien das Bloßgestelltsein, das Wissen um intimste Bilder von sich im Netz und die Machtlosigkeit. So schildern es immer wieder Mädchen und junge Frauen, von denen es gegen ihren Willen Videos auf den Porno-Plattformen wie Pornhub oder Youporn gibt.
Der Hauptnutznießer dieser Pornoseiten tat im Gegensatz dazu alles, damit sein Name nicht mit dem Geschäft und der tausendfachen Ausbeutung von Frauen in Verbindung steht. Erst Ende Mai veröffentlichten das britische Onlinemedium „Tortoise“ und die österreichische Plattform „Dossier.at“ Fotos von Bernd Bergmair und klärten seine Identität zweifelsfrei. Der 56-jährige Österreicher ist der Mehrheitseigner von Mindgeek, jener Luxemburger Holding, die weltweit große Teile des Marktes der Porno-Videoseiten dominiert.
Dass Bernd Bergmair so lange unter dem Radar bleiben konnte, hat auch damit zu tun, dass er alle Möglichkeiten im Luxemburger Recht nutzt, um anonym zu bleiben. Über seine Kontrolle von „Mindgeek Sàrl“ schweigt das „Registre des bénéficaires effectifs“ (RBE). Dabei dient das Transparenzregister prinzipiell dem Zweck, die wahren Eigentümer von Luxemburger Firmen offenzulegen. Bergmair taucht darin zwar auf, aber nicht bei den entscheidenden Gesellschaften seines Porno-Imperiums.
Das Luxemburger Laissez-faire
Die Holding Mindgeek mit Sitz am Boulevard Royal geriet im Dezember 2020 massiv unter Druck. Ein Meinungsbeitrag in der New York Times zeichnete nach, wie Videos von minderjährigen Mädchen auf Pornhub verbreitet wurden und wie das Leben der mittlerweile jungen Frauen noch immer massiv davon beeinträchtigt wird.
Das hatte Konsequenzen: Die Zahlungsdienstleister Visa und Mastercard brachen ihre Geschäftsbeziehungen mit Pornhub im Januar 2021 ab. Das Unternehmen löschte aufgrund des öffentlichen Drucks Millionen Videos. „Jedes einzelne illegale oder ohne Einwilligung hochgeladene Bild ist eines zu viel“, sagte der CEO und Miteigentümer von Mindgeek, Feras Antoon, im Februar. Doch betroffene Frauen werfen Pornhub vor, zu langsam zu löschen und das erneute Hochladen der illegalen Inhalte nicht zu verhindern.
In der Folge der Debatte zeigte sich auch Außenminister Jean Asselborn (LSAP) schockiert. Sollten sich die Vorwürfe erhärten, „will ich, dass kein Bezug mehr zu Luxemburg besteht“, sagte er dem „Tageblatt“ im Dezember 2020. Luxemburg habe in dieser Sache die Verantwortung zu ermitteln, gab zudem „Delano“ die Einschätzung des Außenministers wieder.
In einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der LSAP-Abgeordneten Dan Biancalana und Mars Di Bartolomeo von Ende April klang die Einschätzung der Regierung jedoch ganz anders. Es gebe keine Ermittlungen in Luxemburg und auch keine Klage gegen Pornhub. Medienminister Xavier Bettel (DP), Wirtschaftsminister Franz Fayot (LSAP) und Justizministerin Sam Tanson (Déi Gréng) verurteilten zwar das Verbreiten von strafbaren Inhalten wie etwa Kinderpornographie. Es bestehe eine Infrastruktur, um illegale Inhalte zu melden.
Doch die Regierung verweist darüber hinaus auch auf die Handels- und Meinungsfreiheit, die durch die Verfassung garantiert sind. Sprich: Luxemburg fördere die Pornoindustrie nicht, aber habe auch keine Mittel, um dagegen vorzugehen. Ähnlich lautete die Antwort auf eine frühere Anfrage des Abgeordneten Marc Baum (Déi Lénk).
Oligarchen, Scheichs und der „Pornokönig“
Bernd Bergmair profitierte von gesetzlichen Unklarheiten, die es ihm ermöglichten, bis jetzt anonym zu bleiben. Reporter.lu fand drei seiner Gesellschaften, bei denen der Eintrag in das Transparenzregister nicht öffentlich ist.
Das RBE-Gesetz sieht vor, dass ein wirtschaftlicher Eigentümer die Geheimhaltung seiner Informationen beantragen kann, falls er oder sie ansonsten einem erhöhten Risiko ausgesetzt wäre – wie etwa entführt zu werden. Allerdings hat der RBE-Betreiber „Luxembourg Business Register“ (LBR) bisher keinem dieser Anträge zur „limitation d’accès“ stattgegeben, heißt es vom Justizministerium auf Nachfrage von Reporter.lu. Ausnahmen seien prinzipiell Fälle, bei denen der „bénéficaire effectif“ minderjährig sei oder unter Vormundschaft stehe.

Vielen mächtigen Investoren passt das öffentliche RBE allerdings nicht. Ganze 608 Mal wurde der Betreiber LBR bisher verklagt, weil er die Anträge auf Geheimhaltung ablehnte. Darunter auch von einem Mitglied eines Herrscherhauses aus dem Nahen Osten, wie das „Land“ berichtete.
Die Klagen hängen von einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ab. Das RBE-Gesetz beruht nämlich auf EU-Richtlinien. Das Bezirksgericht Luxemburg hat die europäischen Richter mit der Frage befasst, wie genau das „Risiko“ und die „außergewöhnlichen Umstände“ zu interpretieren seien, die eine Geheimhaltung rechtfertigen könnten.
Solange die Richter kein Urteil fällen, sind die RBE-Einträge der Kläger jedoch nicht öffentlich. Das ist demnach auch bei Bernd Bergmair der Fall. Ein Risiko ist hier nicht völlig abwegig: Ende April wurde die Villa von Feras Antoon durch Brandstifter beschädigt, berichtete „Vice“. Pornhub ist auch rechtsextremen Gruppen und extremistischen Anti-Porno-Aktivisten ein Dorn im Auge, so die Journalisten weiter.
Die hartnäckigen Kanadier
Während die Aktivitäten von Mindgeek in Luxemburg wenig Aufmerksamkeit erregen, ist das in Kanada anders. Von Montreal aus betreibt das Unternehmen den Großteil seiner Aktivitäten. Es beschäftigt dort 1.000 Mitarbeiter. In Zypern und Rumänien arbeiten knapp 800 Menschen für Mindgeek. Für Luxemburg macht das Unternehmen in seinen Jahresberichten keine Angaben zur Zahl der Mitarbeiter.
Nach den Vorwürfen, dass Pornhub massenweise Videos von Minderjährigen und ohne Einwilligung der Frauen bereitstelle, befasste sich das kanadische Parlament eingehend mit den Problemen und der Rolle von Mindgeek. Für wenig Verständnis sorgte in Quebec, dass sich Mindgeek noch bis vergangenes Jahr mit dem Argument verteidigte, es müsse sich nicht an kanadisches Recht zum Schutz von Minderjährigen halten, da es ein Luxemburger Unternehmen sei, berichtete „Le Monde“.
Doch ab Februar setzte Mindgeek auf Transparenz – auch bei der Frage, wem das Unternehmen eigentlich gehört. Der CEO Feras Antoon erklärte vor dem kanadischen Parlamentsausschuss, dass er und der Co-Chef David Tassilo Minderheitsaktionäre von Mindgeek seien. „Mehrheitseigentümer mit über 50 Prozent der Anteile ist ein Europäer“, erklärte Antoon. Auf Nachfrage gibt er auch den Namen preis: Bernd Bergmair. Es war der Ausgangpunkt für die Journalisten von „Tortoise“ und „Dossier.at“, die den Österreicher schließlich in London aufspürten.
Wie genau Bernd Bergmair Mindgeek kontrolliert, konnten sie jedoch nicht klären. Dabei enthält das Luxemburger Handelsregister mehr als einen Anhaltspunkt.
Das Versteckspiel mit Briefkastenfirmen
Aus Luxemburger Sicht lassen die Aussagen von Feras Antoon nämlich aufhorchen. Denn laut dem RBE hält er zusammen mit David Tassilo 99,7 Prozent der Anteile an der Konzernholding Mindgeek Sàrl. Die restlichen 0,3 Prozent gehören einer unscheinbaren Luxemburger Briefkastenfirma names „Acaju Investments“, wie die Recherche im Handelsregister ergibt. Sucht man diese „Société de Participations Financiéres“ (Soparfi) im RBE taucht ein leerer Eintrag auf. Die Nachfrage beim Betreiber „Luxembourg Business Register“ ergibt: Die Informationen zu „Acaju Investments“ sind gesperrt.

Wie kann es sein, dass Tassilo und Antoon sagen, sie würden weniger als 50 Prozent von Mindgeek besitzen, wenn sie im RBE mit fast 100 Prozent angegeben sind? Der Schlüssel liegt in einer Tochtergesellschaft von Mindgeek, „RT Holding Sàrl“. Und tatsächlich lautet deren RBE-Eintrag: Bernd Bergmair, 59,99 Prozent der Anteile, Nationalität: Österreicher, geboren: in Linz, Wohnort: Volksrepublik China. „RT Holding“ wird vom Österreicher wiederum über drei Gesellschaften kontrolliert – darunter „Acaju Investments“.
Der konsolidierte Jahresabschluss des Mindgeek-Konzerns gibt weitere Einblicke in das System: Demnach erhielt Bergmair von Mindgeek zwischen 2014 und 2018 insgesamt 24 Millionen US-Dollar. Ab 2018 und 2024 sollen es jeweils zehn Millionen US-Dollar pro Jahr sein. An weitere Luxemburger Beteiligungsgesellschaften, die mehrheitlich Bergmair gehören, zahlt Mindgeek außerdem hohe monatliche Lizenzgebühren, die entweder die Hälfte des Umsatzes betragen oder aber mindestens 1,5 Millionen Dollar. Es geht um substantielle Summen: Mindgeek gibt für 2018 einen Umsatz von 460 Millionen US-Dollar an. Die „Financial Times“ beschrieb diese Strukturen im Dezember 2020.
„Kontrolle über andere Mittel“
Bernd Bergmair arbeitete zuerst in der Finanzindustrie – unter anderem für Goldman Sachs. Vor 2011 stieg er ins Kapital der Pornoseite „Redtube“ ein, berichtet „Dossier.at“. Ende 2013 fließen diese Anteile über seine Luxemburger Beteiligungsgesellschaft Coginvest in „RT Holding“ ein. Der damalige Wert lag laut Dokumenten des Handelsregisters bei 70 Millionen US-Dollar.
Es ist durchaus fragwürdig, dass Bernd Bergmair in diesem Maße wirtschaftlich von Mindgeek profitiert und maßgebliche Lizenzen kontrolliert, aber nicht im RBE auftaucht. Das RBE-Gesetz verweist für die Definition des „bénéficaire“ auf das Anti-Geldwäsche-Gesetz von 2004. Die offensichtliche Identifikation läuft über die Anteile eines Unternehmens. Hält eine Person mehr als 25 Prozent, muss sie im RBE aufgelistet werden. Doch das Gesetz sieht auch die „Kontrolle über andere Mittel“ vor. Dazu zählen etwa Verträge, die es ermöglichen, dass eine Person direkte oder indirekte Kontrolle über das Unternehmen ausübt.
Mindgeek äußerte sich auf Nachfrage von Reporter.lu bis Redaktionsschluss nicht zur Frage, warum es dem Unternehmen gerechtfertigt erscheint, seinen Mehrheitseigner im RBE zu unterschlagen. Falsche oder unvollständige Angaben im Register sind strafrechtliche Vergehen, auf denen Strafen bis zu 1,25 Millionen Euro stehen. Experten halten das RBE-Gesetz für schwierig in der Umsetzung. Jede Gesellschaft gehe anders vor. Letztendlich werden Richter klare Regeln festlegen müssen.
Dabei ist die Frage nach dem Eigentümer nicht anekdotisch. Der Opfer-Anwalt Michael Bowe kritisiert das komplexe Firmennetz von Mindgeek. Es habe ein Ziel: Es schwieriger zu machen, herauszufinden, wo und wer zur Verantwortung zu ziehen ist, sagte er „Dossier.at“.
Das Leben unter dem Radar ist allerdings vorbei für Bernd Bergmair. Österreichische Boulevardmedien breiten genüsslich Details aus dem Leben des „Pornokönigs“ aus und interviewen seine Ehefrau. Es ist jedoch nur ein Bruchteil der Bloßstellung, die etliche junge Frauen durch das Geschäftsmodell seiner Unternehmen erleiden mussten.
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