Gemeindesyndikate erfüllen oft einen wichtigen Zweck. Doch das Beispiel der Missstände beim SIGI zeigt: Die interkommunalen Konstrukte funktionieren weitgehend ohne Kontrolle. Dafür trägt nicht zuletzt die Gemeindepolitik die Verantwortung. Ein Kommentar.
Ein Gemeindesyndikat geht unverantwortlich und intransparent mit Steuergeldern um. Aktuelle und ehemalige Angestellte erheben gegenüber der Direktion Mobbingvorwürfe und fühlen sich dabei allein gelassen. Viele der Missstände beim „Syndicat Intercommunal de Gestion Informatique“ (SIGI), über die Reporter.lu rezent berichtete, sind seit Jahren bekannt. Passiert ist allerdings nichts. Ein Punkt, der dabei etwas untergeht, aber mitentscheidend ist: Die Lokalpolitik, die die Syndikate eigentlich kontrollieren soll, entzieht sich weitgehend ihrer Verantwortung.
631 Millionen Euro. Das sind die Gesamtausgaben der 63 Gemeindesyndikate Luxemburgs für das Jahr 2020. Eine beachtliche Summe, für die die Verantwortlichen des jeweiligen Syndikats in den wenigsten Fällen Rechenschaft ablegen müssen. Laut Gesetz ist der Vorstand („Comité“) für die Kontrolle der Ausgaben und die Festlegung der Beitragszahlungen verantwortlich. Das Gremium funktioniert wie ein Verwaltungsrat und setzt sich aus Delegierten der Mitgliedsgemeinden zusammen. Aus diesem „Comité“ wird anschließend ein „Bureau“ gewählt, das in Kooperation mit der Direktion die laufenden Geschäfte des Syndikats übernimmt. Wenn überhaupt, sind dies die wenigen Mitglieder, die einen Einblick in die Geschehnisse beim Syndikat erhalten.
Entschädigung für wenig Aufwand
Wie die Recherchen von Reporter.lu zum SIGI zeigen, interessieren sich aber nur die wenigsten Delegierten für die offensichtlichen Kontroversen innerhalb des Syndikats. Der Vorstand des SIGI zählt 47 Mitglieder, Fragen stellt allerdings kaum jemand. Kritische Stimmen lassen sich an den Fingern einer Hand abzählen. Obwohl die Presse alle paar Jahre über wiederkehrende Missstände berichtet, sitzen sowohl der Vorsitzende des „Bureau“ als auch der Direktor offenbar fest im Sattel. Als 2017 mehrere interne Dokumente des SIGI an die Presse gelangten, stand der Vorfall nicht einmal auf der Tagesordnung der Vorstandssitzung. Sich mit möglichen Missständen im Syndikat zu beschäftigen, hat offenbar keine Priorität.
Vielmehr sind die Syndikate für viele Lokalpolitiker in erster Linie ein willkommener Nebenverdienst. In vielen Gemeinden gelten die Posten in Syndikaten vor allem als Belohnung für kommunale Amtsträger. In den jeweiligen Vorständen erhalten sie pro Sitzung eine Aufwandsentschädigung. Für Präsidenten oder Vizepräsidenten sind dabei Bezüge von mehr als 1.000 Euro im Monat nicht unüblich. Da viele Kommunalpolitiker in mehreren Syndikaten sitzen, kommt für manche ein durchaus lukrativer Nebenverdienst zusammen.
Ein Beispiel: Neben dem Vorsitz des SIGI leitet der Echternacher Bürgermeister Yves Wengler (CSV) auch das Syndikat für das Industriegebiet im Kanton Echternach und sitzt im „Comité“ des Abwasserverbands Sidest. Zusätzlich ist er weiterhin als Informatiklehrer tätig. Sein LinkedIn-Profil verrät dabei einiges über sein Selbstverständnis. Als Bürgermeister sei er „verantwortlich für alle politischen Entscheidungen“; beim SIGI sei er hingegen nur für die „Festlegung der Strategie“ zuständig. Demnach ist offenbar niemand politisch für die Geschehnisse im Gemeindesyndikat verantwortlich. Ganz unrecht hat Yves Wengler dabei nicht.
Interkommunale Gleichgültigkeit
Denn bisher wurde nie von ihm gefordert, für die Geschehnisse im SIGI Rechenschaft abzulegen. Offensichtlich fühlen sich auch die „Comité“-Mitglieder nicht in der Verantwortung, die Probleme überhaupt anzusprechen. In den Gemeinderäten der Mitgliedskommunen werden noch weniger Fragen gestellt, was in den Syndikaten mit den Geldern der Gemeinden passiert. Nachdem der OGBL im vergangenem Jahr vor dem SIGI protestierte, kritisierte Josiane Di Bartolomeo (LSAP) im Düdelinger Gemeinderat, dass sich ihre Kollegen zum ersten Mal überhaupt für das SIGI interessieren würden. Dabei ist sie bereits seit drei Jahren Mitglied des „Bureau“.
Diese Kette der Unverantwortlichkeit ist nicht nur im SIGI ein Problem. Die meisten „Comité“-Mitglieder entscheiden frei über die Zukunft eines Syndikats, ohne dem jeweiligen Gemeinderat Rechenschaft abzulegen. Dort stellen die Gemeindesyndikate lediglich eine Zeile im Budget der Gemeinde dar. Die Konten von Syndikaten werden indes innerhalb von einer Vorstandssitzung angenommen. Dabei geht es oft um mehrere Millionen Euro an Steuergeldern. In manchen Fällen ist dies auch der einzige Grund, um überhaupt erst eine Sitzung einzuberufen.
Eine professionelle Begutachtung der Finanzen müssen jedoch die wenigsten Direktoren und Vorsitzenden von Syndikaten fürchten. Zwar überprüft das Innenministerium, ob die Regeln der Buchführung eingehalten wurden, jedoch nicht, ob die Ausgaben auch gerechtfertigt sind. Diese Aufgabe obliegt dem „Comité“, das diese jedoch meistens nicht mal ansatzweise erfüllt. Damit wird übrigens auch die Öffentlichkeit im Dunkeln gelassen. Für Außenstehende bleiben die Gemeindesyndikate eine Blackbox, in die jährlich enorme Summen fließen. Wie sinnvoll diese Gelder eingesetzt werden, interessiert dabei nur die Wenigsten.
Gute Idee, schlechte Umsetzung
Dabei haben Gemeindesyndikate durchaus ihre Existenzberechtigung. Im Süden etwa gäbe es ohne das Syndikat TICE wohl kein funktionstüchtiges Busnetz. Allerdings müssen die Lokalpolitiker wieder den eigentlichen Sinn der Gemeindesyndikate erkennen. Diese sollen Aufgaben erledigen, die zu groß für eine einzelne Gemeinde sind, die in mehreren anfallen oder bei denen es gemeinsame Interessen gibt, um so Ressourcen zu schonen. Auch die Missionen des SIGI sind absolut sinnvoll und notwendig, wenn sie denn auch in der alltäglichen Arbeit erfüllt werden.
Die interkommunale Zusammenarbeit hat nicht zuletzt zum Ziel, die Kosten für die Bürger der Mitgliedsgemeinden zu verringern. Allerdings funktioniert dies eben nur, wenn die Kontrollmechanismen greifen. Nehmen die Lokalpolitiker ihre Verantwortung nicht wahr, könnte die Rechnung für ihre Wähler teuer werden. Um dies zu vermeiden und sich nicht dem Vorwurf der Gleichgültigkeit auszusetzen, würde es schon reichen, wenn sie für ihre Aufwandsentschädigung hin und wieder die richtigen Fragen stellen.

