Die LSAP hat zwar die Wahlen verloren, wird aber dennoch Teil der Regierung bleiben. Innerhalb der Partei gibt es dagegen kaum Widerstand. Erneuerung, inhaltliche Selbstkritik hin oder her – am Ende zählt auch für die Parteibasis die Macht. Ein Kommentar.
Blau-Rot-Grün steht vor einer zweiten Amtszeit. Das steht spätestens seit diesem Wochenende fest. In einer Stellungnahme spricht sich die LSAP-Linke offen für eine Regierungsbeteiligung der Sozialisten aus. Das kommt letztlich einem Freifahrtschein für die Parteiführung gleich.
Denn mit Nando Pasqualoni und Nico Wennmacher haben sich jetzt zwei der prominentesten Vertreter der sogenannten Parteilinken klar positioniert. Sie verbinden ihre Zustimmung zwar mit einer Reihe von Forderungen. Doch diese sind in ihrem inhaltlichen Kern nicht dazu geeignet, eine Koalition platzen zu lassen. Der Termin für die Vereidigung der neuen Regierung darf getrost schon einmal gebucht werden.
Parteilinke ergibt sich ihrem Schicksal
Die konkreteren Punkte im Forderungskatalog der Parteilinken lauten: Am Index darf nicht gerüttelt werden, der Mindestlohn muss erhöht und von der Einkommensteuer befreit werden und die Gering- und Mittelverdiener sollen im Zuge einer neuen Steuerreform weiter entlastet werden. Das sollte mach- bzw. verhandelbar sein.
Bei der Arbeitszeitverkürzung heißt es dagegen nur, dass diese „Eingang“ in ein mögliches Regierungsprogramm finden müsse. Was genau festgehalten wird, scheint zweitrangig. Ebenso sprechen sich Pasqualoni und Wennmacher gegen Privatisierungen und für „Maßnahmen gegen den Klimawandel“ aus. Auch hier bleibt es bei einer bemerkenswert abstrakten Sprache.
Jede Partei verfolgt das Ziel, an der Macht zu sein. Jede Parteibasis ist lieber in der Regierung als in der Opposition. Letztlich geht es in der Politik immer um Macht.“
Nur in einem Punkt könnte es eventuell noch zu parteiinternen Diskussionen kommen. Denn in der Stellungnahme heißt es: „Eine weitere Absenkung der Betriebssteuern darf es bei einer sozialistischen Regierungsbeteiligung nicht geben.“ Doch letztlich dürfte es sich hierbei um eine leere Drohung handeln. Denn die Position der Parteilinken ist nicht neu. Auch 2013 stand nichts davon im Regierungsprogramm. Und doch stimmten die LSAP-Amtsträger später im Rahmen der Steuerreform für eine Absenkung der Körperschaftssteuer.
Etienne Schneider hat die Partei im Griff
Vor allem in einem Punkt fällt jedoch auf, dass die Parteiführung nicht mit großem Widerstand an der Basis rechnen muss. Denn auch die Parteilinke redet sich das Wahlergebnis der LSAP schön und legt damit die Weichen für fünf weitere Jahre blau-rot-grüne Koalition. Zwar stellt die Parteilinke fest, „dass die sozialistische Partei sich seit 1984 im Abwärtstrend bewegt“. Doch: „Wir sind der Auffassung, dass unsere kritische Mitarbeit als Parteilinke viel dazu beigetragen hat, mit einem profilierten, linken Wahlprogramm ein tieferes Abrutschen der LSAP zu verhindern.“
Das erinnert schon sehr an Etienne Schneiders Spruch am Wahlabend, wonach die Partei einen „Achtungserfolg“ erzielt habe. Die LSAP habe es geschafft, den desaströsen Trend der Umfragen bei den Wahlen in Grenzen zu halten, so Schneiders Griff in die politisch-taktische Trickkiste.
Nur zur Erinnerung: Die LSAP hat landesweit knapp 2,7 Prozent und drei Sitze im Parlament eingebüßt. Der Vergleich mit den Umfragen sagt dabei schlicht nichts aus. Er ist nur ein rhetorisches Mittel, um von der eigenen Schwäche abzulenken und den Mitgliedern zum vierten Mal in Folge den Gang in die Regierung schmackhaft zu machen.
Letztlich zählt nicht mehr, was inhaltlich bei diesen Verhandlungen herausspringt. Denn Schneiders Partei hat sich schon so weit aus dem Fenster gelehnt, dass ein Platzen der Koalition unmöglich scheint.“
Etienne Schneider hat für seine Partei also durchaus den Ton getroffen. Für eine Regierungsbeteiligung ist die LSAP auch dieses Mal bereit, ihre längst verwässerten ideologischen Überzeugungen zu opfern. Mehr noch: Letztlich zählt nicht mehr, was inhaltlich bei diesen Verhandlungen herausspringt. Denn Schneiders Partei hat sich schon so weit aus dem Fenster gelehnt, dass ein Platzen der Koalition gar nicht mehr vertretbar wäre.
Zudem zeigt sich spätestens jetzt, dass die „Parteilinke“ eine angepasste Splittergruppe ist. Pasqualoni und Wennmacher sprechen nicht für die Mehrheit in der Partei. Die nur im Anschein regierungskritischen Kräfte in der LSAP sind längst keine kritische Masse mehr, die auf einem Parteikongress den Unterschied machen könnten.
Inhaltliche Erneuerung findet nicht statt
Alle drei Parteien müssen einem eventuellen Koalitionsprogramm zustimmen. Bei der DP ist das reine Formsache. Denn die Abstimmung über eine Regierungsbeteiligung trifft der erweiterte Parteivorstand. Bei Grünen und Sozialisten darf zumindest die Basis mitreden. Vor allem im Fall der LSAP galt dabei bisher, dass ein „Ja“ auf einem Parteikongress zur Fortsetzung der Dreierkoalition angesichts der Wahlniederlage nicht ausgemacht sei. Doch man darf davon ausgehen, dass die Basis wie 2004, 2009 und 2013 mit relativ breiter Mehrheit zustimmen wird.
Das Hauptproblem der LSAP: Ihr fehlt das Alleinstellungsmerkmal. Gegen „Sozialabbau“ und für eine zaghafte Verteilungspolitik in wirtschaftlich guten Zeiten sind letztlich alle Parteien.“
Dabei greift die Kritik an der Partei, wonach man nur die eigene Macht erhalten wolle, freilich zu kurz. Jede Partei verfolgt das Ziel, an der Macht zu sein. Jeder ambitionierte Politiker will lieber Minister als Abgeordneter sein. Jede Parteibasis ist lieber in der Regierung als in der Opposition. Letztlich geht es in der Politik immer um Macht.
Doch Macht allein kann eine Partei auch abnutzen und ihr längerfristig schaden. So ist es auch im Fall der LSAP. Personell dürfte die Erneuerung in der Regierung zwar leichter zu erreichen sein, denn bei sechs oder sieben Kabinettsmitgliedern können einige Jüngere ins Parlament nachrücken. Die inhaltliche Erneuerung, die ja nur eine kritische Infragestellung der eigenen Politik sein kann, wird in der Regierung jedoch nicht stattfinden. Die Realpolitik und die Kompromisse mit den Koalitionspartnern machen es jeder Partei schwer, sich inhaltlich zu profilieren, geschweige denn neu zu erfinden.
Das sozialdemokratische Dilemma
Im Fall der LSAP kommt aber ein noch viel tieferes, strukturelles Problem hinzu. Sie steht wie nahezu alle sozialdemokratischen Parteien vor einem grundsätzlichen Dilemma. Einerseits verliert sie langsam, aber sicher ihre traditionelle Wählerbasis im ohnehin schwindenden Arbeitermilieu. Andererseits ist die Konkurrenz im linksliberalen Bürgertum mittlerweile enorm groß. Unabhängig davon, welchen Weg sie künftig einschlagen will, sind die Zeiten einer linken Volkspartei wohl vorbei. Dabei scheinen für viele Wähler die Grünen im Zweifel die attraktivere Alternative zu sein.
Das Hauptproblem der LSAP: Ihr fehlt das Alleinstellungsmerkmal. Gegen „Sozialabbau“ und für eine zaghafte Verteilungspolitik in wirtschaftlich guten Zeiten sind mittlerweile alle Parteien. Aus der eigenen Krise hilft dabei offensichtlich weder die opportunistische Linie ihrer langjährigen Amtsträger noch das krampfhafte Festhalten der „Linkssozialisten“ an alten Besitzständen und noch älteren politischen Diskursen so richtig weiter. Vor allem wenn sich beide Gruppen seit mehr als einem Jahrzehnt einig sind, dass der Verbleib an der Macht alternativlos ist.
Fünf Jahre können zwar lang sein. Und auch die Opposition wäre für die LSAP noch lange keine Garantie für eine Erneuerung und bessere Wahlresultate. Ein Freifahrtschein zur Machterhaltung ist jedoch auch keine erfolgsversprechende Strategie zur Verhinderung des eigenen Niedergangs. Das sollte die neue „ewige Regierungspartei“ mittlerweile aus langer Erfahrung am besten wissen.