Angesichts der hohen Anzahl an Luxusmarken in Luxemburg-Stadt steigt die Nachfrage nach Alternativen. Für junge Geschäftsleute mit eigenem Flair oder gar Designer sind die Überlebenschancen allerdings gering. REPORTER erklärt wieso.
„Wir kennen die Mietpreise ja selbst auch.” So reagiert die Stadt Luxemburg auf einen Artikel, in dem REPORTER vergangene Woche über die jüngst gezählten 19 leerstehenden Geschäftslokale in Luxemburg-Stadt berichtete, die oft zu horrenden Mieten angeboten werden.
Als Beispiele gelten die Verkaufsräume des früheren „Madura“ in der Grand-Rue: Die 200 Quadratmeter wurden für 22.000 Euro Monatsmiete auf dem führenden Immobilienportal „athome.lu“ angezeigt. Ähnliches gilt für das Geschäft der Designermarke „Courrèges“, für deren Räume eine Miete von 25.000 Euro für 350 Quadratmeter fällig wird.
„Nein, eine Mietpreisbremse wäre auch keine optimale Lösung“, sagt Serge Wilmes. Offizielle Mietpreisbremsen würden häufig durch Geschäfte unter dem Tisch umgangen, so der für die hauptstädtische Geschäftswelt zuständige CSV-Schöffe des Gemeinderats. „Die Stadt ist nicht tot“, betont Wilmes, der sich der gegenteiligen Meinung vieler Bürger durchaus bewusst ist.
Und doch gibt der in der Hauptstadt neugewählte Politiker zu: „Die leerstehenden Geschäfte sind ein großes Thema im Gemeinderat.“ Die politischen Verantwortlichen wollen sich noch konsequenter für eine dynamische Innenstadt mit einem attraktiven Angebot einsetzen, so Wilmes weiter.
Alternative Geschäfte und junge Geschäftsleute gesucht
Von politischer Seite wird der Theaterplatz als Beispiel der Dynamisierung der Stadt angeführt. Er soll neu belebt und deshalb völlig renoviert werden. Im Gespräch sind etwa ein moderner, überdachter Markt. Denkbar wäre ein über mehrere Stände verteiltes kulinarisches Zentrum wie etwa auf dem Viktualienmarkt in München, heißt es. Ein anderes Konzept sieht individuelle Stände von jungen Modeschöpfern sowie regelmäßige Ausstellungen von Kulturschaffenden vor.
Wie realistisch ist die Ansiedlung von jungen Designern oder alternativen Läden, die das Stadtbild bereichern könnten? „Ich glaube, ich würde einem jungen Luxemburger heute raten, einen E-Commerce-Laden zu eröffnen, anstatt sich von den Mietpreisen erdrücken zu lassen“, hatte jüngst die Schmuck-Designerin Fabienne Belnou im Gespräch mit REPORTER gemahnt.
Die Pläne für den Theaterplatz wären durchaus ein Weg, um so junge Designer und deren Kunden mit alternativen und etwas ausgefalleneren Konzepten ins Stadtzentrum zu locken. Solche „Künstlerläden“ kommen laut letztem Stand nämlich nicht wie mehrfach angekündigt in das Royal-Hamilius. Und der Rest der sogenannten Kreativindustrie soll ja bekanntlich zum „aale Schluechthaus“ nach Luxemburg-Hollerich verfrachtet werden. Wann das soweit ist, bleibt offen. Es sei einfacher, solche Vorhaben auf einem öffentlichen Raum umzusetzen, der von der Gemeinde gehandhabt wird, als in einem von privaten Bauherren betriebenen Royal-Hamilius, lässt Serge Wilmes durchblicken.
Das Problem mit dem gewerblichen Mietvertrag
Für angehende Geschäftsleute sind die Erfolgschancen auf dem schwierigen Markt für Gewerbeflächen der Innenstadt und den Einkaufsgewohnheiten der Luxemburger im „Goldenen Dreieck“ oder des sogenannten „Goldenen T“ (Grand-Rue, Rue Philippe II und Avenue de la Porte-Neuve) recht schwierig. Die meist angebotenen Quadratmeterpreise sind für ein angehendes Unternehmen pure Illusion.
Auch die Reform des gewerblichen Mietvertrags („bail commercial“) kommt unerfahrenen Geschäftsleuten kaum entgegen. Zwar wird ihr Mietvertrag seit Anfang 2018 unter Berücksichtigung einiger Ausnahmen automatisch verlängert. Ihres Lokals und damit ihrer Existenzgrundlage kann sie der Vermieter nach Ablauf des Mietvertrags also nicht mehr berauben. Dies soll zudem den Verdrängungswettbewerb eingrenzen.
Der auf gewerbliche Flächen spezialisierte Immobilienmakler Fabrice Kreutz sieht allerdings einen weiteren Haken. „Junge Geschäftsleute, die ihr Business aufbauen, gehen natürlich ein gewisses Risiko ein. Merken Sie nach mehreren Monaten, dass ihr Geschäftsmodell nicht aufgeht, können sie ihren Mietvertrag nicht einfach kündigen“, erklärt er. Auch die Lösung, das Lokal dann weiterzuvermieten, sei hinfällig, da die Untermiete seit der Gesetzesänderung jetzt ohne das Einverständnis des Vermieters nicht mehr möglich sei. „Das zwingt die Geschäftsleute in den Konkurs“, so Kreutz.
Überlebenschancen vs. Verschuldungspotenzial
Ohne Konkurs bleibt der Geschäftsmann seinem Vermieter die Miete während der gesamten Laufzeit des Mietvertrags schuldig. Laut neuem Gesetz wird die Dauer ausdrücklich auf drei, sechs oder neun Jahre festgelegt – junge Geschäftsleute merken allerdings oft bereits innerhalb des ersten Jahres, ob ihr Konzept Kunden anzieht und überhaupt Überlebenschancen hat. Angesichts der hohen Mietpreise droht einem Gewerbetreibenden mit der Haftbarkeit über die gesamte Mietdauer eine lebenslange Verschuldung.
Auch wohlgesonnene Vermieter werden vermutlich aufgrund der mangelnden Nachfrage für gewerbliche Fläche in der Innenstadt am vorgesehenen Mietvertrag festhalten wollen – einen neuen Vermieter muss man erst einmal finden.
Hinzu kommt: Ein Vermieter, der durch den Konkurs seines Mieters mehrere Monate keine Miete bezieht, neigt dazu, den Preis für den nächsten Mieter zu erhöhen, um die verlorenen Einnahmen wett zu machen.
Und dennoch: Nicht alle Vermieter sind auf das große Geld aus. So verrät ein langjähriger Vermieter in der Innenstadt im Gespräch mit REPORTER, dass er seine Miete vor Kurzem um über zwölf Prozent gesenkt habe. „Es gibt im Moment keine Nachfrage für Gewerbeflächen, sagt er. „Es ist normal, dass auch die Besitzer ihre Mietpreise an die Nachfrage anpassen und gegebenenfalls nach unten revidieren müssen.“
Der Handel sei im Wandel und dieser Wandel auch nicht aufzuhalten. Das Internet hat bekanntlich einen Einfluss auf die Shopping-Gewohnheiten. Ein geringerer Kundenfluss in herkömmlichen Läden bedeutet geringerer Umsatz. Auch dies führt bei manchen Geschäftsleuten zu einer Diskrepanz zwischen Einnahmen durch den Verkauf und Ausgaben für die Miete. Internationale Luxusketten haben zudem bekanntlich andere finanzielle Möglichkeiten als „kleine Geschäftsleute“.

Die Bereitschaft, dermaßen mit dem Mietpreis herunterzugehen, ist unter anderem auf die Höhe der eigenen Investitionen und der erhofften Rendite der Besitzer zurückzuführen. Wer eine Gewerbefläche geerbt hat und also selbst keine Investitionen für den Kauf des Lokals getätigt hat, sieht Mietverhandlungsgespräche möglicherweise etwas gelassener als Eigentümer, die erst vor Kurzem hohe Summen für den Kauf von Gebäuden auf den Tisch legten – mit dem Gedanken durch die Vermietung mittelfristig einen möglichst hohen Gewinn zu erzielen.
Eine Rendite erzielen – das erwarten sich allerdings nicht nur die Besitzer und kleine Geschäftsmänner. In der Groussgaass sind mittlerweile auch mehrere Finanzfonds angesiedelt, die nun dort über Filialen bekannte Kleidermarken vertreiben. Durch den Verkauf der Ware erwarten sie sich einen jährlichen Ertrag von mindestens fünf Prozent. Hohe Mietpreise schlagen dabei ordentlich zu Buche – was wiederum erklärt, warum einige große Marken die Innenstadt in den kommenden Monaten zu verlassen drohen.
Schließlich besteht für junge Geschäftsleute die begrenzte Hoffnung auf eine Geschäftsfläche der Stadt Luxemburg zu „bezahlbaren“ Preisen. Erstens vermietet die Gemeinde verhältnismäßig wenig Geschäftsflächen, die sich für die Textilbranche eignen. Zweitens müssen die Mieten nicht unbedingt günstiger ausfallen.
Im ehemaligen Tabaklokal der Rue Philippe II, zahlen die beiden Luxemburger Schwestern, die im Kleidergeschäft ihre eigene Marke „Voltage“ vertreiben, seit dem Auszug von „Ladurée“ 2016, etwa mehr als 4.000 Euro für 45 Quadratmeter im Monat. Mit umgerechneten rund 90 Euro pro Quadratmeter liegt die Miete des Lokals also nicht weit unter dem 2017 im Gemeinderat zitierten Quadratmeterpreis von rund 100 Euro des Stadtzentrums.
Lesen Sie weiter: Mehr zum Thema der Vermietung von Gewerbeflächen, die im Besitz der Stadt Luxemburg liegen, diesbezügliche Streitigkeiten und Unstimmigkeiten lesen Sie am Donnerstag bei REPORTER.