Was heißt „grün“ und „nachhaltig“? Die Taxonomie soll bei Geldanlagen für Transparenz sorgen. Die EU will die Klimawende durch diese Verordnung fördern. Viele Experten sind skeptisch. Doch um was geht es genau? Zehn Fragen und Antworten.
Hilft mein Geld auf dem Weg zur Klimaneutralität? Das ist die Frage, die laut EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen durch die Taxonomie beantwortet werden soll. Doch es tobt ein Streit innerhalb der EU, wie genau dieser Weg aussieht – ob mit Atomenergie oder ohne. Die Spannungen zeigten sich auch im Juli bei einer Kampfabstimmung im Europaparlament. Doch hinter der Taxonomie steckt viel mehr als diese Debatte, die die mediale Berichterstattung beherrschte.
Was ist die Taxonomie?
Wie „grün“ sind die Aktivitäten eines Unternehmens? Um dies für Investoren sichtbar zu machen, hat die EU 2020 ein Klassifikationssystem für nachhaltige Tätigkeiten geschaffen. Taxonomie heißt grundsätzlich nichts anderes als das Einordnen in bestimmte Kategorien nach klaren Regeln. Die EU-Kommission erwartet, dass diese Transparenz dazu führt, dass mehr Geld in die Klimawende investiert wird. Aktivitäten gelten als nachhaltig, wenn sie helfen, Umweltziele zu erreichen, und zudem keine bleibenden Schäden verursachen. Letzteres wird zusammengefasst mit dem Prinzip: „Do no significant harm“.
Warum braucht es eine solche Kategorisierung?
Bei Investoren herrscht das Bedürfnis nach einem Standard, was als „nachhaltig“ gilt und wie diese Kriterien überprüft werden. „Das kann man mit dem Biolabel vergleichen. Da muss man sich als Verbraucher darauf verlassen können, dass Bio drin ist, wo Bio drauf steht“, erklärt Michael Halling, Professor für „Sustainable Finance“ an der Universität Luxemburg. Es geht also darum, die Kriterien zu harmonisieren und ein Mindestniveau zu garantieren.
Das verhindert aber nicht, dass neben der Taxonomie-Verordnung weitere Labels bestehen werden, deren Vorgaben strenger sind. Genau wie es nicht nur das EU-Biolabel gibt. Innerhalb der Taxonomie gibt es zudem Unterschiede, wie streng die Kriterien angewendet werden. Dabei ist oft die Rede von Artikel 9. Dieser umfasst die Definition „dunkelgrüner“ Tätigkeiten, die etwa dem Klimaschutz dienen oder die Kreislaufwirtschaft fördern.
Wie hilft das den Unternehmen?
Mithilfe der Taxonomie kann ein Unternehmen transparent mitteilen, zu welchem Anteil es in grüne Vermögenswerte investiert. Das wird von den Finanzmärkten durchaus berücksichtigt, erklärt Michael Halling. Konkret bedeutet das, dass ein Unternehmen sich zu günstigeren Bedingungen Kapital beschaffen kann.
Es ist fragwürdig, ob mit der Taxonomie in großem Maßstab Geld in die richtigen Kanäle fließt.“Martina Holbach, Greenpeace
Stellt man sich ein Industrieunternehmen vor, das von fossilen Energien wegkommen will, dann könnte es so einfacher an das nötige Geld kommen, um die Produktion umzustellen, und die Kosten wären geringer. Allerdings sagen Kritiker, dass es für Firmen sehr aufwendig sein werde nachzuweisen, dass sie die Kriterien der Taxonomie beachten. Investitionen, die die Umweltvorgaben nicht einhalten, bleiben möglich. Manche Anleger werden damit verknüpfte Risiken künftig aber meiden wollen.
Was ist mit sozialen Kriterien?
Die Taxonomie in ihrer aktuellen Form berücksichtigt nur ökologische Aspekte. Nachhaltigkeit umfasst aber auch soziale und ethische Kriterien, wie etwa die Auszahlung von gerechten Löhnen oder ein Verbot der Kinderarbeit. Eine Expertengruppe hat im Februar einen Rahmen für eine soziale Taxonomie vorgelegt. Allerdings hat die EU-Kommission die Arbeit am sozialen Teil kürzlich für unbestimmte Zeit auf Eis gelegt, berichtete die Agentur „Bloomberg“.

Bringt das die Klimawende voran?
Klar ist: Die Wende hin zu erneuerbarer Energie und umweltfreundlichem Produzieren wird sehr viel kosten. An der Frage, ob die Taxonomie es tatsächlich vereinfacht, das Kapital in diese Richtung zu lenken, scheiden sich die Geister. „Die Taxonomie droht die Transition teuer zu machen“, warnt Gaston Trauffler vom Industrieverband Fedil. Der Grund: Die Kriterien, welche Industrieprozesse als nachhaltig gelten, seien zu streng. Sie seien zu „schwarz-weiß“. Die Gefahr bestehe, dass es nur mehr Geld für bereits „dunkelgrüne“ Unternehmen gebe.
Gerade in der Abkehr von dieser Haltung sieht Professor Michael Halling aber die Chancen der Taxonomie. „Ausschlusskriterien sind bisher die vorherrschende Form von Nachhaltigkeitsinvestitionen“, erklärt er. Die Herausforderung ist, auch jene Unternehmen zu erreichen, die noch einen weiten Weg vor sich haben. Es sei etwa vorstellbar, dass auch ein Ölunternehmen Kapital für nachhaltige Projekte bekomme. Als Bedingung sei dann aber regelmäßig zu dokumentieren, dass die Energiewende tatsächlich stattfinde. Die Taxonomie biete dabei einen Rahmen, der dies vereinfache.
Die EU-Regulierung werde ihrem Anspruch nicht gerecht, sagt hingegen Martina Holbach von Greenpeace Luxemburg: „Es ist fragwürdig, ob mit der Taxonomie in großem Maßstab Geld in die richtigen Kanäle fließt.“ Sie verweist auf einen kritischen Bericht von Eurosif, einem Verband für nachhaltige Finanzen. Über ein Fünftel der Fonds, die nach eigenen Angaben die strengsten Vorgaben (Artikel 9) erfüllen, haben auch in Unternehmen investiert, die Kohle nutzen. Die Experten sehen in diesen Fällen ein Risiko von Greenwashing.
Was ist mit Atomenergie und Erdgas?
Die EU-Kommission hat an Silvester 2021 einen Entwurf vorgelegt, um Atomkraft und Erdgas als sogenannte Übergangstätigkeiten (demnach Brückentechnologien) einzustufen, die dem Klimaschutz dienen. Unter bestimmten Voraussetzungen würden beide Energien unter der Taxonomie als „nachhaltig“ gelten. Die rechtliche Form dieser Anpassungen und der Zeitpunkt sorgten in Luxemburg für viel Kritik. Energieminister Claude Turmes (Déi Gréng) nannte den Vorschlag „prozedural eine Provokation“ und inhaltlich ein „Greenwashing“ der gefährlichen Atomkraft. Einen sogenannten „delegierten Rechtsakt“ kann die EU-Kommission weitgehend alleine beschließen. Mehrere Mitgliedstaaten fühlten sich vor den Kopf gestoßen.
Auch im Europaparlament gab es großen Widerstand gegen die Pläne der Kommission. Dennoch stimmte im Juli eine Mehrheit dagegen, Einspruch gegen den Rechtsakt einzulegen. Auch im EU-Ministerrat fand sich keine Zweidrittelmehrheit gegen den Beschluss der Kommission. Damit tritt die Regelung am 1. Januar 2023 in Kraft. Österreich hat kürzlich seine Absicht bekräftigt, gegen diesen Text vor dem Europäischen Gerichtshof zu klagen. Luxemburg will sich dieser Klage anschließen, kündigten Claude Turmes und Umweltministerin Joëlle Welfring (Déi Gréng) an.
Hat die Klage Aussicht auf Erfolg?
Bislang hat Österreich die Klage noch nicht eingereicht. Deshalb ist offen, welche Begründung gegen die Taxonomie vorgebracht wird. Ein Rechtsgutachten im Auftrag der österreichischen Regierung gibt Aufschluss über mögliche Argumente. Demnach würde die Atomenergie weder die Kriterien für eine „umweltfreundliche Tätigkeit“ erfüllen, noch jene für eine „Übergangstätigkeit“. Die EU-Kommission hätte demnach ihren Ermessensspielraum überschritten. Das könnte Grundlage sein, um die Aufhebung des Beschlusses zu fordern. Dazu kommt, dass der Rechtsakt, mit dem die Kommission die Atomkraft und das Gas als „nachhaltig“ einstufte, formal nur für „nicht wesentliche“ Anpassungen der Taxonomie genutzt werden darf. Allein die Debatte über die Entscheidung zeige aber, dass es um eine maßgebliche Änderung gehe, sagten Experten gegenüber „Europe.Table“. Insgesamt sei es aber schwierig, in diesem Fall vor Gericht Erfolg zu haben, so die Einschätzung der Juristen.
Wie wird die Taxonomie in Luxemburg genutzt?
Investmentfonds, die die Taxonomie-Vorgaben erfüllen, kommen seit 2021 in den Genuss einer gesenkten „Taxe d’abonnement“ (bis zu 0,01 statt 0,05 Prozent). Im Rahmen der Steuerdebatte haben sich die Koalitionsparteien darauf geeinigt, dass die Regierung eine Überarbeitung dieses Steuervorteils prüfen solle. Konkret geht es darum, Investitionen in Gas und Atomkraft von der reduzierten „Taxe d’abonnement“ auszuschließen, erklärte der Abgeordnete François Benoy (Déi Gréng) im Gespräch mit Reporter.lu.
Auch nachhaltige Geldanlagen von Privatpersonen sollen künftig steuerlich begünstigt werden – nach dem Vorbild der früheren „loi Rau“. Allerdings will Blau-Rot-Grün nur Investments nach den strengsten Kriterien zulassen – also jene, die unter Artikel 9 der Taxonomie fallen.
Wie positioniert sich der Luxemburger Finanzplatz?
Die Vertreter des Finanzplatzes wollen nicht in die politische Debatte um die Taxonomie hineingezogen werden. „Wir als Fondsverband repräsentieren eine breite Palette von Fondsanbietern aus unterschiedlichen Ländern und mit unterschiedlicher Ausrichtung“, sagte Alfi-Generaldirektor Camille Thommes dem „Luxemburger Wort“. Gleichzeitig will Luxemburg sich seit Jahren als Vorreiter im Bereich nachhaltige Finanz positionieren.
Was kann ich als Verbraucher tun?
Mit dem Investieren ist es ähnlich wie mit dem Kauf von ökologisch produzierten Nahrungsmitteln oder Kleidern. Der Verbraucher kann sich auf die gesetzlichen Standards (in diesem Fall die Taxonomie) verlassen, die ein Mindestmaß vorgeben. Wem Klimaschutz aber wirklich wichtig ist, der sollte sich darüber hinaus informieren, wie nachhaltig etwa der Investmentfonds ist, in dem er sein Geld anlegen möchte. Seit Anfang August sind Banken zudem über die „Mifid 2“-Regelung verpflichtet, die Präferenzen ihrer Kunden in Sachen Nachhaltigkeit bei der Beratung zu berücksichtigen. Letztlich bleibt auch die Möglichkeit, in lokale Initiativen in seiner Nachbarschaft zu investieren – etwa Energiekooperativen.

