Luxemburgs strategische Ölreserven befinden sich zum großen Teil im Ausland. Die Suche nach eigenen Standorten wird durch die schleppende Landesplanung weiter erschwert. Betreiber von Tanklagern schrecken nicht vor juristischen Schritten zurück.

Seit der russischen Invasion in der Ukraine passt die Regierung nun mehrmals wöchentlich die Benzinpreise an. Was vor dem Krieg höchstens eine kleine Meldung in den nationalen Medien darstellte, kann jetzt heftigere Reaktionen auslösen – bis hin zu einem abendlichen Rush auf die Tankstellen, um noch vor den ab Mitternacht geltenden Preiserhöhungen den Tank zu füllen.

Doch was würde passieren, wenn es wegen der geopolitischen Zuspitzung des Ukrainekrieges wirklich zu Engpässen kommen würde? Dann würde es auch in Luxemburg an die Reserven gehen. Anfang März ließ Energieminister Claude Turmes (Déi Gréng) bereits verlauten, dass Luxemburg mehr als 100.000 Barrel aus den eigenen strategischen Erdölvorräten mobilisieren würde, um der Preisspirale Einhalt zu gebieten. Das entspricht etwa drei Prozent der nationalen Reserven.

Die Ankündigung geht auf eine entsprechende Empfehlung der Internationalen Energieagentur (IEA) zurück. Die EU und die USA wollten demnach 60 Millionen Barrel Erdöl aus ihren Notreserven auf den Markt bringen. Dass Luxemburg sich an dieser Aktion beteiligte, bestätigt der zuständige Beamte im Energieministerium gegenüber Reporter.lu: „Luxemburg hat die Erdölprodukte aus seinen Stocks in Rotterdam erhalten und plangemäß auf den Markt gebracht“, so Georges Lanners von der „Direction des marchés de l’énergie“.

Erdölreserven für acht Tage im Land

Warum Luxemburgs Reserven in Rotterdam liegen, erklärt sich durch die territorialen Gegebenheiten des Großherzogtums, aber auch durch die schwerfällige Landesplanung. Als EU-Staat muss Luxemburg beständig auf Reserven in Benzin, Diesel und Heizöl zurückgreifen können. Dies hängt mit einer EU-Richtlinie zusammen, wonach die Vorräte für 90 Tage reichen müssen. Ausnahmen gibt es für Länder, die selbst Erdölproduzenten sind. In dem Fall kann ein Abzug von bis zu 25 Prozent geltend gemacht werden.

Auch wenn die Erdölvorräte im Ausland liegen, muss Luxemburg laut den EU-Regeln stets garantieren können, dass es immer Zugriff auf seine Reserven hat. Davon ausgenommen ist der Flughafen Findel, der über die einzige Pipeline im Land sein Kerosin bezieht. Die außerterritorialen Reserven liegen zum größten Teil in Belgien und in den Niederlanden, wenige davon auch in Frankreich und Deutschland. Laut Gesetz müssen sie sich in einer Reichweite von 230 Kilometern befinden.

Die Lagerkapazitäten auf nationalem Territorium sind begrenzt. Laut dem letzten Landesbericht der IEA von 2020 reichten die Vorräte für zehn Tage – jetzigen Informationen des Energieministeriums würden die Reserven gar nur für acht Tage reichen. Die Problematik, dass Luxemburg nur so wenig Ölreserven im eigenen Land hat, monierte auch die IEA in ihrem Bericht. In den Empfehlungen wird der Regierung nahegelegt, eine Studie über die Angemessenheit der lokalen Ölreserven und die zu gewährleistende Liefersicherheit durchzuführen.

Private Firmen, staatliche Kontrolle

Zudem sollte die Zusammensetzung der Auslandsreserven neu evaluiert werden, vor allem um festzustellen, ob Luxemburg immer Zugang zu fertigen Produkten hat. Da Luxemburg nicht über eigene Raffinerien verfügt, sollte auch darüber nachgedacht werden, den Anteil an Rohöl – aktuell rund 60 Prozent – in den extraterritorialen Reserven zu senken.

Um der Preisspirale an den Tankstellen entgegenzuwirken, brachte Luxemburg im März über 100.000 Barrel aus seinen Erdölvorräten auf den Markt. (Foto: Mike Zenari)

Auch in einem anderen Punkt unterscheidet sich Luxemburg von seinen Nachbarländern. Während viele Länder eigene, staatliche Ölreserven haben, delegiert Luxemburg die Verantwortung an private Firmen. Laut der besagten EU-Richtlinie müssen die Staaten, denen die Reserven gehören, diese behördlich überwachen. Diese Kontrollverfahren müssen auch durch „eine abschreckend wirkende Sanktionsregelung ergänzt werden“.

Laut dem Energieministerium werden die Bestände jedes Trimester aktualisiert: „Das ist in jeder Hinsicht variabel“, erklärt Georges Lanners, „Wie viel Öl Luxemburg in Reserve haben muss, verändert sich und wird am Konsum gemessen. Die Zahlen orientieren sich dabei immer am Verbrauch vom Vorjahr.“

Grenzüberschreitende Konflikte

Angesichts dieser Lage ist es wenig verwunderlich, dass der Druck, neue Tanklager in Luxemburg anzulegen, entsprechend hoch ist. Die Lager auf dem nationalen Territorium befinden sich derzeit in Bartringen, Leudelingen, Dippach, Hollerich und Mertert.

Zwei davon, Leudelingen und Hollerich, haben so geringe Lagerkapazitäten, dass sie nicht unter die „Seveso“-Richtlinie der EU fallen. Benannt nach einem Unfall in einer Chemiefabrik in der gleichnamigen norditalienischen Ortschaft im Jahre 1976, soll die Richtlinie Risikoindustrien wie Tanklager, aber auch Betriebe, die mit Gas oder gefährlichen Chemikalien arbeiten, regulieren. Luxemburg hat insgesamt 16 Betriebe, die unter die Seveso-Richtlinie fallen, davon sind fünf Tanklager.

Die Geschichte der Tanklager auf luxemburgischem Boden zeigt, dass diese Standorte oft hoch umstritten sind. Dabei kommt es auch vor, dass der Streit Grenzen überschreitet. So geschehen beim geplanten Ausbau der Tanklagers in Mertert. Das 1966 gegründete Familienunternehmen „Tanklux“, in dessen Reservoirs sich mehr als 30 Prozent der Lagerkapazitäten des Landes befinden, versucht bereits seit 2002, seinen Betrieb zu vergrößern.

Sehr zum Unmut nicht nur der luxemburgischen Anrainer, sondern auch der Einwohner der Gemeinde Temmels auf der anderen Moselseite. Der Konflikt fand sogar den Weg ins Europaparlament – wo der deutsche EU-Abgeordnete Norbert Neuser (SPD) eine Stellungnahme der Kommission erzwang. Die EU-Exekutive verwies aber auf die nationale Zuständigkeit Luxemburgs.

Tanklager an umstrittenen Standorten

Die größten Tanklager Luxemburgs und auch der größte Teil der Reserven auf nationalem Territorium befinden sich auf dem Gebiet der Gemeinde Bartringen. In der Rue de l’Industrie reihen sich die Depots von gleich drei Firmen aneinander: „Shell“, „Q8“ und „Esso“. Auch diese Tanklager waren in der Vergangenheit nicht unumstritten: Im Jahr 2011 organisierten Déi Gréng aus Bartringen und Strassen eine Protestaktion. Der Grund: Laut einer damals neu angefertigten Studie entsprächen die Tanklager nicht mehr den Seveso-Auflagen und seien „damit eigentlich illegal“.

Auch nach einer Neuklassierung werden die Öldepots in Bartringen wohl noch lange Jahre zum Landschaftsbild gehören. (Foto: Mike Zenari)

Dies sei aber heute nicht mehr der Fall, versichert die „Inspection du Travail et des Mines“ (ITM) auf Nachfrage von Reporter.lu. In einer schriftlichen Stellungnahme gibt sie an, „außerhalb der normalen Kontrollen auch spezifische, von der Seveso-Richtlinie vorgegebene, Kontrollen“ durchzuführen. Auch die Informationen zu Notfallplänen, welche diese Betriebe publik machen müssen, werden von der ITM überwacht.

Die Umweltverwaltung, die mit der ITM zusammen die nötigen Genehmigungen an Seveso-Betriebe vergibt, beschwichtigt ebenfalls. „Inspektionen werden jedes Jahr bei den Betrieben mit einem hohen Risikopegel durchgeführt, bei den Betrieben mit niedrigem Risikopegel finden diese alle drei Jahre statt“, heißt es in einer Stellungnahme. Es sei dabei auch nicht auszuschließen, dass es zu unangemeldeten Kontrollen kommen kann, etwa wenn Unfälle passieren oder Beschwerden eingereicht werden.

ExxonMobil klagt gegen Bartringer PAG

Trotzdem sind die Tanklager, wenn sie einmal errichtet sind, schwer bis überhaupt nicht zu beseitigen. Auch weil sich die Betreiber gegen Bestrebungen, dies zu ändern, vor Gericht wehren. So geschehen in der Gemeinde Bartringen, die in ihrem neuen Allgemeinen Bebauungsplan (PAG) die Zonen, auf denen die Tanklager stehen, neu einteilte. Diese sind ab jetzt keine ausgewiesenen Ölsektor-Zonen, sondern gemischte urbane Zonen respektive Öko-Zonen.

Gegen diese Neuklassierung ging eines der drei Unternehmen – der Mutterkonzern von Esso, „ExxonMobil“, – im vergangenen Jahr juristisch vor. Ein erstes Urteil des Verwaltungsgerichts gab der Gemeinde aber recht und wies die Klage des US-Konzerns zurück. Auch der Versuch von ExxonMobil, gegen das Urteil in Berufung zu gehen, scheiterte.

Die Tanklager können noch in 500 Jahren hier stehen.“Georges Frank, Gemeindesekretär in Bartringen

Das bedeutet jedoch keineswegs, dass die Öldepots nun geschlossen werden müssen. „Die Tanklager können noch in 500 Jahren hier stehen“, erklärt der Bartringer Gemeindesekretär Georges Frank auf Nachfrage von Reporter.lu. Denn die Sache ist komplizierter. Die Gemeinde müsste, wenn sie etwas ändern wollte, weitere Zonen aufheben und dann einen entsprechenden Teilbebauungsplan (PAP) ausarbeiten, erläutert Georges Frank.

Sinn und Zweck der Neuklassierung sei demnach gewesen, überhaupt einen Plan zu haben, wenn die Tanklager eines Tages einmal weg sein sollten. So gesehen habe das Urteil wenig mit einem von der Gemeinde gewünschten Entfernen der Tanklager zu tun: „Der PAG ist ein Steuerungsinstrument für die Zukunft“, betont der Bartringer Gemeindesekretär im Gespräch mit Reporter.lu. Die Gemeinde an sich kann die Tanklager nicht los werden, denn sie vergibt keine Genehmigungen und kann sich auch nicht über das Recht auf Bestandschutz der Betreiber hinwegsetzen.“

Dabei versteht Georges Frank auch die Sorgen von ExxonMobil: „Sie können natürlich Arbeiten an den Tanklagern vornehmen, auch neue Technologien können sie installieren. Nur eine Vergrößerung kommt jetzt nicht mehr infrage.“ Womit die Lösung des Problems der strategischen Ölreserven auf luxemburgischem Boden natürlich nicht einfacher wird.