Helfen Masken bei der Eindämmung des Coronavirus? Die Regierung hat ihre Meinung dazu geändert und spricht sich jetzt für das Tragen von Stoffmasken in der Öffentlichkeit aus. Für Experten gehört dies allerdings schon lange zu einer effektiven Pandemie-Bekämpfung.

„Eine normale Maske bietet keinen Schutz vor Ansteckungen“, heißt es auf dem Flyer des Gesundheitsministeriums, der zu Beginn der Pandemie an alle Haushalte verschickt wurde. Daneben ein unmissverständliches Symbol: Eine Maske, die rot durchgestrichen ist, verziert mit einem Ausrufezeichen, das auf die Dringlichkeit des Hinweises aufmerksam machen soll.

Die Botschaft der Regierung war damals klar: Um das Virus einzudämmen, sollten die Menschen vor allem eines machen – zu Hause bleiben und Hände waschen. Vom Tragen von Masken wurde der breiten Bevölkerung implizit abgeraten. Die Nuance, dass Masken durchaus zum Fremdschutz vor Ansteckung taugen, ging aus den ersten Mitteilungen der Behörden an die Bürger nicht hervor.

„Die Menschen stürzen sich auf Masken. Zu Unrecht, weil sie denjenigen, die gesund sind, nicht viel bringen“, sagte der Direktor des Gesundheitsministeriums, Jean-Claude Schmit noch am 29. Februar. Ministerin Paulette Lenert sprach immer wieder von einer „falschen Illusion“, die man den Menschen gebe, wenn man sie zum Tragen einer Maske ermutige.

#BitzDoheem: Nähen gegen das Virus

Masken sind wenig hilfreich, so die klare Devise. Zumindest bis zum vergangenen Mittwoch. Seitdem empfiehlt die Regierung nämlich das Tragen von selbst genähten Masken (sogenannten „alternativen“ Masken). Und das nicht nur jenen Menschen, die sich „krank fühlen“ und Symptome von Covid-19 zeigen. Die Botschaft lautet nun, dass alle, die zur Eindämmung der Pandemie beitragen wollen, eine Maske tragen sollten.

Die Masken verstehen die Behörden als „Geste“ und „zusätzliche Barriere“ gegen die Ausbreitung des Virus. Klinische Masken sollen jedoch weiterhin dem Gesundheits- und Pflegepersonal vorbehalten werden, um mögliche Versorgungsengpässe zu vermeiden. Allen anderen Bürgern empfiehlt die Regierung das Nähen von Masken und verweist dafür in ihrer offiziellen Mitteilung auch auf eine YouTube-Anleitung – #BitzDoheem.

„Ich habe mich schon über die Anfangsstrategie der Regierung gewundert. Warum sollte ich keine Maske tragen, wenn ich mein Gegenüber dadurch schützen kann?“Claude Muller, Virologe

Warum dieser Kurswechsel? Es liegt auf der Hand, dass das frühere Abraten vom Maskentragen vor allem einem Grund geschuldet war: Die Regierung befürchtete, dass die Bürger andernfalls massiv chirurgische Masken gekauft hätten – ein Gut, das in den Krankenhäusern und von anderen systemrelevanten Berufsgruppen dringend benötigt wird.

Kein kompletter, aber zusätzlicher Schutz

Offiziell erklärt die Regierung ihre neue Strategie mit dem Hinweis, dass die bisherigen Maßnahmen zwar wirken, man aber weitere „Barrieren“ gegen die Ausbreitung des Virus fördern wolle. Damit halte man sich an die internationalen Vorgaben und Richtlinien, wie sie etwa die Weltgesundheitsorganisation (WHO) oder das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) veröffentlicht hat, so Paulette Lenert bei ihrer Pressekonferenz am vergangenen Freitag.

Durch einen Mund-Nasen-Schutz können Tröpfchen, die man (…) ausstößt, abgefangen werden. Das Risiko, eine andere Person durch Husten, Niesen oder Sprechen anzustecken, kann so verringert werden.“Robert Koch Institut

Weiter heißt es, dass das Virus auch von Menschen übertragen werden könne, die gar keine Symptome aufweisen. Neu ist diese Erkenntnis allerdings nicht. Experten wie der Luxemburger Virologe Dr. Claude Muller raten schon seit Wochen zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes. Der Experte vom „Luxembourg Institute of Health“ erschien selbst schon am 15. März mit einer Maske zu einem Interview bei „Radio 100,7“.

„Ich habe mich schon über die Anfangsstrategie der Regierung gewundert“, sagt Claude Muller im Gespräch mit REPORTER. „Warum sollte ich keine Maske tragen, wenn ich mein Gegenüber dadurch schützen kann?“ Der Virologe betont, dass eine Maske zwar keinen vollständigen Schutz bietet, in Kombination mit Händewaschen und physischer Distanz zu seinen Mitmenschen aber durchaus sinnvoll ist.

Warnung vor falschem Sicherheitsgefühl

Die internationalen Behörden teilen die Analyse des Luxemburger Virologen. Die amerikanische Gesundheitsbehörde CDC rät den US-Bürgern zum Tragen von Stoffmasken und das Robert Koch Institut schreibt, dass auch selbstgemachte Masken kleine Tröpfchen abfangen können.

In manchen asiatischen Ländern, wie hier in Thailand, war das Tragen von Masken zum Schutz seiner Mitmenschen auch schon bei früheren Epidemien üblich, etwa bei der SARS-Pandemie 2002-2003. (Foto: Cat Box / Shutterstock.com)

Sowohl die WHO als auch die europäische Agentur ECDC sind Masken-Befürworter, zumindest für Personen, die sich größeren Menschenansammlungen nicht entziehen können. Für den normalen Bürger, der sich ansonsten an die Auflagen des „Lockdown“ hält, trifft dies etwa beim Einkaufen oder bei der Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln zu. Nicht-medizinische Masken seien zwar nachweislich weniger effektiv, können während einer Epidemie aber dennoch helfen, heißt es.

Allerdings macht das ECDC auch auf eine Reihe von Problemen einer Pro-Maskenstrategie aufmerksam. So übersteige besonders in Europa die Nachfrage nach medizinischen Masken immer noch das Angebot. Die Versorgung der Krankenhäuser müsse unbedingt sichergestellt werden und Priorität genießen.

Zudem gebe es keine allgemeinen Standards und damit auch keine genauen Belege über die Wirksamkeit von selbst genähten Masken. Und schließlich könnte die Praxis des Maskentragens bei manchen Bürgern zu einem „falschen Sicherheitsgefühl“ führen, das wiederum zur Lockerung anderer Maßnahmen wie des „social distancing“ anregen könnte, so das ECDC.

Masken erinnern an den Ernst der Lage

Ein Grund, warum Experten überhaupt zum Maskentragen raten: Die Coronavirus-Erkrankung Covid19 schadet manchen Menschen mehr als anderen. Viele wissen nicht einmal, dass sie das Virus überhaupt in sich tragen. Durch das Tragen einer Maske kann also die Verbreitung durch Infizierte verhindert werden (Fremdschutz). Für den Selbstschutz per Maske gibt es dagegen laut den besagten Behörden keine ausreichenden Belege.

Die Maske ist quasi eine Erinnerung daran, dass man sich eben nicht in einer herkömmlichen Situation befindet. Man wird sich der Lage durch das Aufsetzen immer wieder bewusst.“Claude Muller, Virologe

Für Claude Muller steht dennoch fest: Je mehr Menschen Masken tragen, desto besser. Dass sie das Gefühl einer falschen Sicherheit vermitteln würde, kann der Luxemburger Virologe nicht nachvollziehen. „Genau das Gegenteil ist doch der Fall. Wer ohne Maske das Haus verlassen wird, wird auch schnell wieder in alte Verhaltensmuster fallen. Die Maske ist quasi eine Erinnerung daran, dass man sich eben nicht in einer herkömmlichen Situation befindet. Man wird sich der Lage durch das Aufsetzen immer wieder bewusst.“

Auch wenn Viren sich an der eigenen Maske festsetzen würden sei das immer noch besser als wenn sie auf direktem Wege auf jemanden zufliegen würden, meint der Luxemburger Virologe. Wer nach dem Absetzen der Maske die Hände wäscht, minimiert das Risiko, die Viren später auf indirektem Wege aufzunehmen.

Ministerin hat die „Hand drop gehalen“

Bleibt die Frage, warum die Regierung nicht schon früher zu dieser Maßnahme riet. Der Strategiewechsel war durchaus abrupt. Die Maske wurde innerhalb weniger Wochen vom absoluten No-Go zur anerkannten Schutzbarriere. Man könnte gar von einer 180-Grad-Wende der Koalition sprechen – das gibt selbst die Gesundheitsministerin zu.

„Am Ufank hu mir d’Hand drop gehalen“, räumte Paulette Lenert im Interview mit „Radio 100,7“ ein. Sicherlich auch aus Sorge, dass Masken und Schutzkleidung durch Hamsterkäufe der Bürger für medizinisches Personal fehlen würden. Eine kategorische „Masken bringen nichts“-Reaktion hat allerdings auch nicht dabei geholfen, dieses Phänomen in den Griff zu bekommen.

Denn die Maske ist längst ein begehrtes und umkämpftes Mittel in dieser Pandemie – auch in Luxemburg: In Apotheken waren Masken schnell ausverkauft, werden online zum Teil zu Wucherpreisen angeboten. In den sozialen Medien gibt es mittlerweile etliche Anleitungen dazu, wie man sich ein Exemplar nähen kann.

Vermummungsverbot wird aufgehoben

In Luxemburg kommt aber ein weiteres, rechtliches Problem hinzu. Wer nämlich als Privatperson bisher eine Maske getragen hat, verstieß damit gegen die Reglements vieler Gemeinden bzw. seit 2018 auch gegen das Gesetz. Die Vermummung des Gesichts in der Öffentlichkeit sowie an anderen bestimmten Orten wurde damals durch das sogenannte „Burka-Gesetz“ verboten.

Das Tragen von Mund-Nasen-Schutzmasken könnte im Zuge einer Lockerung des aktuellen Ausnahmezustands in Supermärkten und an anderen Orten zur Pflicht werden. (Foto: Shutterstock.com)

Mit der offiziellen Empfehlung der Regierung für Stoffmasken musste demnach auch ein eine Verordnung das Tragen von Masken wieder erlaubten. Am Mittwoch hat die Regierung eine passende Verordnung angenommen. Laut Strafgesetzbuch braucht es diese explizite Genehmigung des Gesetzgebers. Folglich hätte die Regierung sich vor diesem Schritt offiziell gar nicht für ein Tragen von Masken aussprechen dürfen.

Verwirrung und mangelnde Abstimmung

Die Kommunikation der Behörden war in der Maskenfrage zumindest verwirrend. Das liegt nicht nur an den sich schnell ändernden Expertenmeinungen. Die Verwirrung ist teilweise selbst verschuldet. Ende März postete etwa der Leiter des Gesundheitsbehörde, Jean-Claude Schmit auf Facebook ein Selfie mit Maske und kommentierte „Sortez couverts…“. Und das, obwohl er und die ganze Regierung damals offiziell kommunizierten, dass Masken kaum Schutz bieten würden.

Der Facebook-Post, der mittlerweile wieder gelöscht wurde, rief einige Bürgermeister auf den Plan. Gilles Roth, Député-Maire von Mamer (CSV) forderte den Direktor der „Santé“ ausdrücklich dazu auf, Masken für die Bürger bereit zu stellen. Hinzu kommt, dass einige Gemeinden praktisch im Alleingang klinische Masken an ihre Bürger verschicken – andere wiederum nicht. Auch der Mangel einer nationalen Strategie kann für Verwirrung und Unverständnis in der Bevölkerung sorgen.

Fest steht, dass Luxemburg nicht genügend Masken hat, um die ganze Bevölkerung damit auszustatten. Schon allein deshalb hätte man die Menschen schon früher für das Nähen und Tragen ihrer eigenen Maske auffordern können. Getan haben das viele auch ohne Anregung der Regierung.

Masken könnten „Exit-Strategie“ erleichtern

Dass die Regierung jetzt aber eine ganz neue Strategie fährt, könnte auf eine Lockerung der aktuellen Ausgangssperre deuten. In Österreich wird der Mund-Nasen-Schutz etwa in Supermärkten und im öffentlichen Nahverkehr zur Pflicht und geht mit einem schrittweisen Verlassen des „Lockdown“ einher.

Die Masken bringen durchaus eine zusätzliche Sicherheit. In diesem Zusammenhang ist es denkbar, dass (…) an bestimmten Orten eine Maskenpflicht eingeführt werden könnte.“Jean-Claude Schmit, „Santé“-Direktor

Masken könnten demnach dabei helfen, die Menschen langsam aber sicher wieder in ihren „normalen“ Alltag zu begleiten. Das bestätigt jetzt auch Jean-Claude Schmit dem „Luxemburger Wort“: „Die Masken bringen durchaus eine zusätzliche Sicherheit. In diesem Zusammenhang ist es denkbar, dass wenn die gesellschaftlichen Aktivitäten wieder hochgefahren werden, an bestimmten Orten eine Maskenpflicht eingeführt werden könnte.“

Für Claude Muller ist es allerdings keine Frage des „Könnens“, sondern des „Müssens“: „Wir müssen uns momentan an jeden Strohhalm klammern, der sich uns bietet, um aus diesem Lockdown wieder herauszukommen. Denn jeder Tag im Lockdown kostet zig Millionen“, so der Experte. „Wir sollten die Zeit jetzt nutzen, um die Menschen bereits jetzt an das Tragen der Masken zu gewöhnen. Dann hat die Maßnahme beim Roll-Back die nötige öffentliche Akzeptanz und muss nicht erst verzögert anlaufen.“