Alle wollen mehr Klimaschutz. Doch der Mut verlässt die Regierung beim größten Problem: dem Tanktourismus. Entgegen aller Logik wird das Thema kleingeredet, denn es geht um Milliarden Euro. Doch Luxemburg könnte sehr schnell mit dem Rücken zur Wand stehen. Ein Kommentar.

Pierre Gramegna ist ein Minister, der alles im Griff hat. Zumindest wollte er dieses Bild vergangenen Mittwoch vermitteln: Die Regierung erhöht den Dieselpreis geringfügig und schwups geht der Verkauf leicht zurück. Es sinken also auch die CO2-Emissionen, die Luxemburg zugerechnet werden. Die Idee: Die Regierung lässt den Tanktourismus auf einem Niveau köcheln, dass Luxemburg seine Klimaziele zumindest kurzfristig noch gerade so erreicht. Aber die Milliarden-Einnahmen werden weiter sprudeln.

Die Regierung agiert wie ein Schüler, der vor der letzten Prüfung die Note ausrechnet, die er braucht, um das Jahr geradeso zu schaffen. Doch was in der Schule selten klappt, geht auch in der Politik irgendwann schief. Blau-Rot-Grün prokrastiniert im Klimaschutz so eindrucksvoll, dass jeder Student vor Neid erblasst.

Wie alle Profi-Aufschieber haben die Minister die perfekte Ausrede. „Wenn es nur fürs Schaufenster und ein grünes Mäntelchen ist und es wird kein Liter weniger getankt, aber es kostet uns eine Milliarde oder zwei, dann wäre das keine seriöse Politik“, sagte Wirtschaftsminister Etienne Schneider Mitte Juli im „RTL-Background“.

Das Argument: Erhöht Luxemburg die Spritpreise, wird eben woanders getankt und dem Klima nützt das nichts. Doch diese Rechtfertigung ist fadenscheinig und gefährlich.

Wider jede wirtschaftliche Logik

Dabei müsste es gerade der Wirtschaftsminister besser wissen. Der Preis bestimmt die Nachfrage. Und es ist auch kein Fall bekannt, in dem Schneider diesem Wissen aus seinem ersten Semester Ökonomie nicht zustimmen würde – außer eben beim Tanktourismus.

Dabei sind die Mechanismen nicht gerade komplex. Der Großteil des Treibstoffexports geht auf das Konto von Transportunternehmen, die ihre Lkw-Fahrer in Luxemburg tanken lassen. Fällt der Preisvorteil gegenüber den Nachbarländern weg, steigen die Kosten für die Unternehmen. Es würde jeder wirtschaftlichen Logik entbehren, dass sie darauf nicht reagieren – sei es mit spritsparenden Lkws oder besser ausgelasteten Routen.

Selbst für Luxemburgs Einwohner und die Grenzgänger wäre ein teurer Sprit ein Anreiz, das Auto öfter stehenzulassen. Oder dem Trend entgegenwirken, dass die Autos hierzulande immer größer, schwerer und SÜViger werden. Es geht um viel, denn der Spritverkauf macht knapp zwei Drittel des gesamten CO2-Ausstoßes aus, der nicht unter den Emissionshandel fällt.

In jedem plausiblen Szenario ist das Ende des billigen Sprits in Luxemburg ein Plus für das Klima. Es ist eine Täuschung der Bürger das Gegenteil zu behaupten – ohne Zahlen und ohne Nachweis. Die Regierung lässt die Wähler im Glauben, dass sie ihr „SÜVchen“ weiter billig betanken können. Doch diese könnten sich schnell getäuscht fühlen.

Steuerdumping mit Verfallsdatum

Denn Schneiders Bonmot ist in einem weiteren Sinne falsch. Er geht nämlich davon aus, dass die Nachbarländer ihre Politik ebenfalls nicht anpassen. Dabei diskutiert Deutschland konkret über eine CO2-Steuer. Die designierte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will den Emissionshandel auf den Verkehr ausweiten. Die Folge beider Alternativen: Der Sprit wird teurer.

Klar ist eins: Haben diese Initiativen Erfolg, dann wird sehr schnell der Druck auf Luxemburg wachsen. Es ist kaum vorstellbar, dass etwa Deutschland und Frankreich noch länger zusehen, wie Luxemburg ihnen in die Staatskasse greift und ihre Klimapolitik untergräbt. Die Regierung handelt fahrlässig, wenn sie auf den Status quo setzt.

Dabei kritisierte Blau-Rot-Grün gerne die Aufschieberitis der CSV-Finanzminister in Sachen TVA aus dem Onlinehandel. Die Folge waren Einnahmeausfälle in Milliardenhöhe. Genau das wird sich wiederholen. Denn am Tanktourismus hängen auch zum großen Teil die Einnahmen aus dem Verkauf von Zigaretten und Alkohol.

Wenn nicht die EU dem Tanktourismus den Garaus macht, dann werden es die Elektroautos sein, die ab nächsten Jahr auf den Markt drängen. Aber das ist „Mañana“, wie wir Prokrastinierer sagen.


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