Das Tragen von Atemschutzmasken wird in manchen Situationen zur Pflicht. Gleichzeitig versäumt die Regierung in dieser Frage eine offene und vollständige Informationspolitik. Das könnte letztlich eine erfolgreiche Exit-Strategie behindern. Ein Kommentar.

Die fünf Masken, die jeder Einwohner mittlerweile erhalten haben sollte, dürften bei einigen längst aufgebraucht sein. So wäre es zumindest, wenn das gelieferte Material so benutzt wurde, wie von der Regierung empfohlen. Denn: Es handelt sich um Einwegmasken. Dies ist allerdings eine von vielen wichtigen Informationen, die nicht ausdrücklich aus dem beiliegenden Flyer hervorgehen.

Klare Anweisungen an die Bürger sind Fehlanzeige, weil die Gebrauchsanweisung der Masken lediglich sehr allgemeine Hinweise enthält. Zumindest in Luxemburgisch und Französisch ist der Hinweis auf die einmalige Nutzung der Masken missverständlich: „Entsuergt Är Masken an Händschen uerdnungsgeméiss“. In anderen Sprachen ist explizit die Rede davon, dass „gebrauchte Masken“ entsorgt werden sollen. Auch in dem verlinkten Demonstrationsvideo heißt es ohne wenn und aber, dass eine chirurgische Maske nur ein einziges Mal verwendbar ist.

Ein wundersamer Strategiewechsel

Die spärliche Anleitung lässt neben der Wiederverwendung der Masken auch viele weitere Fragen der Bürger offen: Soll die blaue Seite etwa nach innen oder nach außen getragen werden? Wieso sind die Masken je nach Anlegen seitlich luftdurchlässig? Gibt es eine Ober- und eine Unterseite? Diese fundamentalen Informationen, wie man die Maske korrekt anlegt, hätten unbedingt an erster Stelle im Benutzerhandbuch stehen müssen. Sie sind allerdings lediglich im Demonstrationsvideo zu finden, dessen Link schlecht sichtbar unten auf dem Flyer platziert wurde.

Ein Ausschnitt aus der mit den Masken mitgelieferten Gebrauchsanweisung der Regierung.

Das mag alles banal klingen, aber Fakt ist: Benutzt man die Masken falsch, helfen sie reichlich wenig. Bei der Maskenpolitik der Regierung geht es aber nicht nur um mangelnde Information. Die lückenhafte Aufklärung reiht sich in einen wundersamen Strategiewechsel in der Corona-Krise ein. Vier Wochen lang riet die Regierung demnach vom Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes ab. Jetzt verschickt sie dennoch Masken, versäumt dabei aber, die Bürger über deren Sinn und Zweck angemessen zu informieren.

Experten widersprechen der Regierung

Ein Beispiel dafür, dass auch die neue Strategie der Behörden nicht ganz durchdacht ist: Was passiert, wenn jeder seine exakt fünf Masken jeweils einmal getragen hat? Am Dienstag sagte Gesundheitsministerin Paulette Lenert (LSAP), dass kein weiteres Verteilen von Masken an die ganze Bevölkerung geplant sei. Kategorisch ausgeschlossen hat sie es dennoch nicht.

Das Weiterdenken ihrer Strategie überlässt sie demnach den Experten. So zeigt der von Luxemburgs Medien meist befragte Virologe des „Luxembourg Institute of Health“ bereits Alternativen für den dauerhaften Umgang mit den Masken auf. „Für die Wiederverwendung der chirurgischen Masken sehe ich ein einfaches System, das darauf beruht, dass das Virus nach einigen Tagen abgestorben ist.“ Die chirurgischen Masken sollen auf keinen Fall gewaschen werden. Aber: „Die Masken könnten sauber und sicher gelagert trocknen und nach ein paar Tagen wiederverwendet werden“, sagte Dr. Claude Muller dem Syvicol.

Da Zeit und Temperatur das Virus abtöten, schlägt er vor, die fünf Einwegmasken durchzunummerieren. „Sie werden dann abwechselnd getragen. Am 1. Tag die Maske 1. Am 2. Tag die Maske 2. Und so weiter bis zum 5. Tag. Am Tag 6 wieder Maske 1 tragen“, so der Virologe.

Dass der Experte in seinem eigenen Namen und nicht dem der Regierung spricht, dürfte zu einer zusätzlichen Verwirrung der Bürger beitragen. Wenn das stimmt, was Virologen sagen, warum empfiehlt die Regierung dann das Entsorgen der Maske nach dem einmaligen Benutzen? Wenn die Regierung klare Regeln im Rahmen der Maskenpflicht festlegt und in Pressekonferenzen ausgiebig über das Verhängen von Bußgeldern bei Zuwiderhandlung redet, sollten klare, faktisch begründete Anweisungen das Mindeste sein.

Missverständnisse und Verwirrungspotenzial

Auch auf den überaus wichtigen Unterschied zwischen Eigenschutz und Fremdschutz wird im Benutzerhandbuch nicht unmissverständlich aufmerksam gemacht. Dabei sind Experten sich einig: Will man sich selbst wirksam vor einer möglichen Ansteckung mit einem Virus schützen, muss es weiterhin eine filtrierende Maske des Typs FFP2 oder FFP3 sein.

Stoffmasken, etwa selbst genäht, bieten Experten zufolge keinerlei nachweisbaren Schutz. Die WHO sagt unterdessen in ihrer Empfehlung vom 26. April, dass nicht-medizinische oder Stoffmasken das Infektionsrisiko durch Covid-19 bei unsachgemäßer Nutzung sogar erhöhen können. Der renommierte deutsche Virologe Christian Drosten der Berliner Charité sagt zudem, dass Halstücher zwar aus Höflichkeit und für den psychologischen Effekt sinnvoll sein können, aber lediglich große Tröpfchen abfangen.

Und doch rät die Regierung dazu, fortan solche Stoffmasken, Schals oder Ähnliches, zu tragen bzw. sogar, selbst zu nähen. In einem Flyer von Anfang April verwiesen die Behörden ausdrücklich auf ein YouTube-Video, in dem gezeigt wird, wie man sich eine eigene Maske basteln kann: #BitzDoheem. Es ist nur ein weiteres Beispiel der sich häufenden Inkohärenzen: Wenn die Regierung ohnehin der Überzeugung ist, dass es auch ein Schal oder ein Halstuch tut, warum verteilt sie dann überhaupt chirurgische Masken?

Für eine offene und komplette Kommunikation

An dieser Stelle wird die Strategie der Regierung nicht nur halbherzig, sondern unseriös. Unter Umständen kann das Tragen von Masken unterschiedlicher Qualität nämlich nicht nur unwirksam sein, sondern auch zu einem falschen Sicherheitsgefühl verleiten, wie etwa die europäische Agentur ECDC warnt. Wenn sich Bürger durch eine falsche Anwendung oder das Unterlassen des weiter gebotenen „Social distancing“ anstecken sollten, könnte das die Exit-Strategie des ganzen Landes gefährden.

Das Mindeste, was man erwarten kann, ist, dass man so offen, korrekt und komplett wie möglich kommuniziert.“

Aufgrund der wissenschaftlichen Erkenntnisse sollte die Regierung die unterschiedlichen Masken nicht auf dieselbe Stufe stellen. So sieht es übrigens auch der Direktor des Gesundheitsamts, Dr. Jean-Claude Schmit, der im Interview mit RTL am Mittwoch sagte: Stoffmasken seien zwar praktisch, weil man sie waschen und wiederverwenden kann, aber weitaus weniger effizient als chirurgische Einwegmasken, die auch er persönlich bevorzugt. Bleibt das Problem, dass die allermeisten Bürger es leider nicht so machen können wie der oberste Gesundheitsberater der Regierung, weil ihnen eben jeweils nur fünf effiziente Masken zur Verfügung stehen.

Zugegeben: Der Umgang mit den Masken ist ambivalent. Es gibt keine absolute Sicherheit. Und die Formulierung einer „Exit-Strategie“ aus dem Ausnahmezustand der Pandemie ist ein schweres Unterfangen. Doch genau diese Ambivalenz sollte man den Bürgern zutrauen. Niemand erwartet von der Regierung, dass sie prompt alles richtig macht und plötzlich einen magischen Ausweg aus der Krise findet. Das Mindeste ist dann aber, dass man so offen, korrekt und komplett wie möglich kommuniziert. Alles andere kann zu weiterer Verwirrung führen und liegt weder im Interesse der Regierung noch der Allgemeinheit.


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