Kommt Fage oder nicht? Die Prozeduren für den Bau der Joghurtfabrik in Bettemburg verlaufen schleppend. Das liegt vor allem am Molkerei-Konzern selbst. Mehr Enthusiasmus zeigt hingegen das Wirtschaftsministerium, das dem Konzern bei den Prozeduren aktiv unter die Arme greift.

Über 35 Millionen Euro hat Fage inzwischen für sein Projekt in Luxemburg ausgegeben. Alleine 27,6 Millionen Euro hat das rund 15 Hektar große Grundstück gekostet, das der Joghurtkonzern mit Sitz in Luxemburg vom Staat gekauft hat. Eigentlich sollte die Fabrik bereits Ende 2018 in Betrieb gehen, doch daraus wurde nichts. Seit letztem Jahr herrscht Stillstand im Dossier Fage. Mittlerweile ist unklar, ob und wann die ersten Joghurts in Luxemburg produziert werden. Und was mit dem ehemals staatlichen Grundstück passiert, wenn der Konzern seine Pläne ändert.

Ein kurzer Rückblick: Bereits im Juni 2016 kaufte Fage das Luxemburger Grundstück in der Bettemburger Industriezone „Wolser 1“. Es war ein Deal zwischen dem Joghurtkonzern und dem Wirtschaftsministerium. Zu diesem Zeitpunkt war nicht einmal klar, ob der Joghurtkonzern eine Baugenehmigung für das Projekt bekommen würde – und ist es bis heute nicht.

Denn Fage hat noch nicht einmal die erste Etappe zur Erlangung einer Baugenehmigung durchlaufen: Bis heute konnte die strategische Umweltprüfung (UPV) nicht abgeschlossen werden. Ohne dieses Dokument kann das Projekt in Bettemburg nicht einmal die Kommodo-Prozedur durchlaufen. In dieser zweiten Etappe werden die Bedingungen festgelegt, um etwa die Sicherheit der Öffentlichkeit oder den Schutz der Umwelt zu gewährleisten.

Verzug bei der Umweltverträglichkeitsprüfung

Das Problem: Die im November 2017 von Fage eingereichte Umweltstudie war unvollständig. Unter anderem geht es darum, dass sich auf dem Industriegebiet schützenswerte Vogelarten befinden. Für sie müssen eigentlich konkrete Ausgleichsmaßnahmen geschaffen werden. Und zwar bevor überhaupt mit dem Bau der Fabrik begonnen werden kann. So sieht es die UVP-Richtlinie der EU vor.

Doch diesem Punkt wurde in der Fage-Studie nicht Rechnung getragen. Das Umweltministerium forderte den Joghurtkonzern auf, die Studie nachzubessern. Das Wirtschaftsministerium hilft derweil bei der Suche nach einer Ausgleichsfläche für die geschützten Vogelarten. Das jedenfalls erzählte Minister Etienne Schneider (LSAP) den Abgeordneten der zuständigen Kommission im März 2018. Er sei zuversichtlich, dass er bald mit einer Lösung aufwarten könne, sagte der Wirtschaftsminister damals.

Im September bestätigte sein Sprecher noch gegenüber REPORTER, dass die Umweltverträglichkeitsstudie so gut wie abgeschlossen sei. Ende des Jahres könnte die Kommodo-Prozedur beginnen. Damit rechnete auch das Umweltministerium.

Die schwierige Suche nach einer Ausgleichsfläche

Ein weiteres halbes Jahr später dürfte diese Zuversicht verflogen sein. Bis heute gibt es in der Prozedur kaum Fortschritte. Lediglich in punkto Abwasserkühlung konnte der Konzern sich mit der Wasserverwaltung einigen. Problematischer ist, dass Fage immer noch keine nachgebesserte Umweltstudie eingereicht hat. Auch das Wirtschaftsministerium war bei der Suche nach einer Ausgleichsfläche noch nicht erfolgreich.

Doch im Gegensatz zu Fage mangelt es dem Wirtschaftsministerium nicht am Bestreben, eine solche Fläche zu finden. Laut Informationen von REPORTER reichte Schneiders Ministerium immer wieder Vorschläge für mögliche Ausgleichsflächen ein. Dabei ist alleine diese Tatsache schon ungewöhnlich. Eigentlich sei es der Käufer, der sich um die Suche kümmern müsste, sagt eine mit dem Dossier vertraute Quelle. Man würde allerdings selbst kein Grundstück kaufen, unterstreicht das Wirtschaftsministerium auf Nachfrage.

Ohnehin kommt nicht jedes Grundstück als Ausgleichsfläche in Frage: Das entsprechende Areal muss sich in unmittelbarer Gegend der Baufläche befinden, damit die geschützten Arten dorthin ausweichen können. Zudem darf die Fläche nicht in einer Industriezone liegen. Es sei denn, diese würde zu diesem Zwecke umklassiert.

Doch es ist nicht die einzige Auflage, die Fage noch erfüllen muss. Der Konzern hat sich dazu verpflichtet, eine eigene Kläranlage zu bauen. „Wir haben aber immer noch keine abgeänderten Baupläne gesehen“, sagt die Abgeordnete und Bettemburger Schöffin, Josée Lorschée (Déi Gréng). Ohne diese Anlage droht das ganze Projekt zu scheitern.

Ein Molkerei-Konzern an der Kapazitätsgrenze

Es ist unklar, wieso Fage die ausstehenden Dokumente nicht schneller liefert. Eigentlich steht der ehemals griechische Konzern unter Zeitdruck. Der Grund, wieso Fage eine Produktionsstätte in Luxemburg plant, ist die große Nachfrage aus Europa. Bereits 2017 wurde es für den Joghurtproduzenten eng. Im entsprechenden Jahresbericht schrieb Fage: Ohne die Fabrik in Luxemburg stieße der Betrieb an seine Grenzen. Zu dem Zeitpunkt war bereits klar, dass das Projekt in Bettemburg nicht so reibungslos ablaufen würde wie erwartet.

„Wir können nicht garantieren, dass wir unsere derzeitigen Kapazitäten genug ausbauen können, um die große Nachfrage aus Europa zu decken“, steht im Dokument. Das klingt nicht danach, dass der Konzern es sich leisten könnte, die Prozeduren in Luxemburg hinauszuzögern. Die Verantwortlichen von Fage waren trotz mehrfacher Anfrage nicht für eine Stellungnahme erreichbar.

Schneiders Antwort gibt wenig Aufschluss

Inzwischen steht die Frage im Raum, was passiert, wenn der Konzern das Projekt aufgeben würde. Wird Fage das Grundstück in Bettemburg dann an den Staat zurück verkaufen? Oder auf dem freien Markt weiter veräußern?

Eine entsprechende parlamentarische Anfrage der Abgeordneten Josée Lorschée ließ Etienne Schneider monatelang unbeantwortet. Ende Dezember reichte der Wirtschaftsminister dann eine in den strittigen Punkten wenig aufschlussreiche Antwort nach. Wie zuvor hebt der Minister lediglich das große wirtschaftliche Potential des Joghurtkonzerns hervor.

Eine Aussage darüber, wie es mit dem Grundstück weitergeht, wenn Fage sich zurückzieht, liefert Etienne Schneider nicht. Er betont lediglich: Wenn der Konzern aus Umweltgründen in einer Industriezone nicht bauen könnte, könnte das auch kein anderer Investor. Damit will Schneider wohl auf das Paradox einer Industriezone ohne Industrie hinweisen. Das verhindert aber nicht, dass die erforderten Prozeduren eingehalten werden müssen.

Parlament will Grundstückverkäufe prüfen

Es ist nicht das einzige Paradox in Schneiders Antwort. Erneut weist er auf die Vorteile für Luxemburg hin, die mit dem Projekt der Joghurtfabrik einhergehen: etwa für die Milchbauern oder Arbeitssuchende. REPORTER hatte bereits im September darauf hingewiesen, dass Schneiders Argumente problematisch sind. Und, der Wirtschaftsminister nennt einen Hektarpreis von zwei Millionen Euro. Bei 27,6 Millionen für rund 15 Hektar, kommt die Rechnung aber nicht ganz hin.

Die Budgetkontrollkommission des Parlaments hat inzwischen den Rechnungshof beauftragt, die Grundstückverkäufe des Wirtschaftsministeriums in Industriezonen der letzten fünf Jahre zu untersuchen. Wohl auch, damit sich der Fall Fage nicht so schnell wiederholt.


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