Ein Unternehmen klagte gegen das Handelsregister, damit Einträge über eine Insolvenz dort gelöscht werden. Vor Gericht argumentierte die Gesellschaft mit dem „Recht auf Vergessenwerden“. In zweiter Instanz wiesen die Richter diese Einwände ab und gaben dem öffentlichen Interesse den Vorrang.
Eine Beteiligungsgesellschaft wurde wegen Steuerschulden 2019 vom Handelsgericht für insolvent erklärt. Die Situation fand eine rasche Lösung und der Konkurs wurde aufgehoben. Doch im Handelsregister tauchen die Einträge über das Insolvenzverfahren weiter auf. Die Firma sieht darin einen geschäftlichen Nachteil für sich, da diese Prozedur öffentlich bleibt. Sie forderte das „Luxembourg Business Register“ (LBR) auf, die Einträge zu löschen und klagte im Sommer 2020 vor dem Bezirksgericht.
Der Anwalt der Firma argumentierte, dass sie zu jedem Zeitpunkt solvent gewesen sei. Nur durch einen „menschlichen Fehler“ habe sie den Insolvenzantrag der Steuerverwaltung zu spät mitbekommen und deshalb nicht adäquat reagiert. Es ging um Steuerschulden von über 300.000 Euro. Tatsächlich verfügte die „Soparfi“ aus der Chemiebranche nach Recherchen von Reporter.lu 2019 über ein Eigenkapital von über sieben Millionen Euro. Die Begleichung der rückständigen Steuern war also kein größeres Problem.
GDPR gilt nicht für Firmen
Die Gesellschaft berief sich auf das „Recht auf Vergessenwerden“ und das „Recht auf Lösung“. Letzteres ist in der EU-Datenschutzgrundverordnung (GDPR) festgehalten. Das LBR argumentierte dagegen, dass die Gesetzgebung und die Rechtssprechung die Löschung von Einträgen im Handelsregister nur im Fall von fehlerhaften Einträgen vorsehe.
Die Richter des Bezirksgerichts Luxemburg urteilten in erster Instanz, dass das Gesetz von 2002 über das Handelsregister die Veröffentlichung von Insolvenzurteilen vorsehe. Eine Löschung wegen des „Rechts auf Vergessenwerden“ sei nicht möglich, weil die GDPR-Regeln sich nur auf Personen und nicht auf Gesellschaften anwende.
Die „Cour d’appel“ urteilte Ende Februar in zweiter Instanz in dieser Affäre. Die Richter wiesen die Klage wie in erster Instanz ab. Da die Firma den Insolvenzantrag verpasst habe, könne nicht von einer fehlerhaften Angabe die Rede sein.
Von öffentlichem Interesse
Das Unternehmen sah im Recht auf Vergessenwerden ein übergeordnetes Recht, dass nicht nur in Datenschutzregeln festgehalten sei. Dem widersprach die „Cour d’appel“. Auch das „Google“-Urteil des Europäischen Gerichtshof über die Löschung von Informationen aus den Suchmaschinenresultaten sei in diesem Fall nicht anwendbar.
Die Veröffentlichung der wesentlichen Finanz- und Rechtsdokumente einer Gesellschaft sei von öffentlichem Interesse genauso wie dass die Informationen exakt, vollständig und aktuell seien, argumentierten die Richter. Die Geschäftspartner eines Unternehmens hätten ein legitimes Interesse daran, präzise und korrekte Informationen über die Entwicklung der Firma zu verfügen.