In Luxemburg herrscht nicht nur eine Wohnungskrise – es gibt auch die Büro-Not. Vor allem in der Hauptstadt sind freie Flächen Mangelware. Für kleine Firmen gibt es deshalb oft nur eine Alternative: raus aus der Stadt und rein in die Dörfer.

In den Dörfern schießen sie wie Pilze aus dem Boden: Immobilienagenturen, Versicherungen, Treuhandgesellschaften ersetzen regelmäßig Bäckereien, Metzgereien, Friseurläden oder werden vom Privatwohnsitz aus geführt. Dort, wo früher noch ein klassischer Laden war, kann sich heute eine Firma befinden.

Das ändert den Dorfcharakter. Doch dass sich Firmen in kleinen Ortschaften niederlassen, hat eine Ursache. Im Zentrum finden Freischaffende oder kleine und mittelständische Betriebe selten Platz. Sie haben ein kleines Budget, wenige Mitarbeiter und brauchen keine großen Räume. Der Ballungsraum um Luxemburg-Stadt bietet oder fordert aber genau das Gegenteil: große Flächen zu hohen Preisen. Dafür in bester Lage.

Im Zentrum nur Platz für die „Großen“

Es hört sich ähnlich an, wie beim Wohnungsmarkt. Die Leidtragenden sind auch hier vor allem die Jungen und die mit kleinem Budget. Dabei ziehen die Immobilienfirmen seit Jahren positive Bilanzen. „Es läuft sehr gut“, sagt Julien Pillot von Inowai im Gespräch mit REPORTER.

Viele Großprojekte sind im Bau, die meisten Büroflächen sind belegt und neue Immobilien können gar nicht schnell genug entstehen. Durch den Platzmangel im Zentrum wird deshalb seit Jahren in Kirchberg, am Ban de Gasperich oder auch noch im Bahnhofs-Viertel kräftig mit neuen Gebäuden aufgestockt. Firmen wie Deloitte oder Alter Domus sind mit ihren Firmenzentralen nach Cloche d’Or gezogen, die ING Bank ist seit 2017 direkt gegenüber dem hauptstädtischen Hauptbahnhof.

Es ist eine Prestigefrage: Große Unternehmen, die Wert auf ihre Adresse legen, ziehen gerne in die Stadt oder in deren Umgebung. Es geht aber auch um mehr: Dort ist man besser an das öffentliche Verkehrsnetz angebunden – ein Plus für die Mitarbeiter und die Kunden. Vor allem für Grenzgänger, die mit Bus oder Zug zur Arbeit kommen, ist das ein ausschlaggebender Punkt. „Die großen Firmen und ihre Mitarbeiter wollen vor allem in die Stadt, weil sie dort ein kulturelles, ein kommerzielles und ein sportliches Angebot vorfinden“, sagte Lydie Polfer, die Bürgermeisterin der Stadt Luxemburg, 2017 im Gespräch mit dem „Luxemburger Wort“.

Leerstandsquote bei unter vier Prozent

Der Run auf die Stadt zeigt sich nicht nur anhand des täglichen Berufsverkehrs, das zeigen auch die Zahlen: Denn die Mieten für Büroflächen in Luxemburg-Stadt und deren Speckgürtel steigen seit Jahren kontinuierlich. Die Leerstandsquote bei Büroimmobilien, also die Summe der leeren Büroflächen, ist unterdessen von 4,8 Prozent (2017) auf 3,78 Prozent (zweites Quartal 2019) gesunken.

Für kapitalstarke Firmen ist ein repräsentativer Standort natürlich wichtig.“Professor Markus Hesse, Uni Luxemburg

„Es ist ganz klar: Wir haben nicht genug Büros“, sagte auch der Anwalt Georges Krieger vor einigen Wochen im Gespräch mit REPORTER. „Und große Flächen wie sie in Kirchberg oder in Gasperich entstehen, werden nicht unbedingt von jedem gesucht.“ Kleine Flächen von etwa 80 bis 100 Quadratmetern seien hingegen praktisch für kleine Firmen – dafür aber selten. Tatsächlich geht aus dem aktuellen Bericht über das zweite Quartal 2019 von Inowai hervor, dass die vermieteten Flächen im Schnitt eine Größe von 395 Quadratmetern haben.

Alternativen zur Stadt gibt es wenige

Was machen die Betriebe also? Sie ziehen aufs Land. Nicht unbedingt, weil sie es so wollen. Sondern, weil sie häufig keine andere Wahl haben. Dort, wo es kleinere Flächen zu erschwinglichen Preisen gibt.

„Für kapitalstarke Firmen ist ein repräsentativer Standort natürlich wichtig“, sagt Professor Markus Hesse von der Universität Luxemburg. „Und Eins-A-Lagen wie Kirchberg und Oberstadt sind deshalb dementsprechend teuer.“

Es seien aber vor allem Großnutzer, die für den eigenen Bedarf bauen würden – alle anderen Betriebe müssten auf dem Mietmarkt suchen. Und der sei überschaubar. „Ich halte es für plausibel, dass kleinere Betriebe in den Dörfern nach Leerstand-Immobilien suchen, um sich dort niederzulassen. Denn für sie ist der Mietmarkt schwierig“, so Markus Hesse.

Einige wenige Bauprojekte gibt es in Luxemburg. Im Süden des Landes wird in Ehlingen ein Projekt mit einer Bürofläche von 1.133 Quadratmetern für Januar 2020 fertig. Preis: 23 Euro pro Quadratmeter. Der Bürovermieter Regus hat dieses Jahr ein Bürogebäude mit kleineren Einheiten von sechs Quadratmetern bis hin zu großen Flächen von 200 Quadratmetern in Livingen, direkt neben der Autobahn eröffnet. Ein weiteres Gebäude soll im Dezember in Leudelingen eröffnen.

Mobilität ist mittlerweile ein sehr großes Thema bei den Unternehmen.“Julien Pillot, Inowai

In Fentingen steht seit 2017 ein kleiner Bürokomplex mit 24 Einheiten. Hier kosten 30 Quadratmeter 729 Euro. Das ist weniger als die Hälfte vom Stadtzentrum. Ein weiteres Gebäude direkt nebenan ist bereits im Bau.

Zum Vergleich: Ein Büro mit Top-Lage in Luxemburg-Stadt hat einen Quadratmeterpreis von 52 Euro, also mehr als doppelt so viel. Im Bahnhofsviertel sind es etwa 36 Euro, in Gasperich 30 Euro.

Eine Frage der Mobilität

Die Lage in einer kleinen Ortschaft kann sicherlich vorteilhaft sein – und zwar nicht nur beim Preis: Es ist ruhig gelegen und es herrscht weniger Verkehr als in der Stadt. Doch eine solche Lage bringt auch Probleme mit sich. Der Weg zur Arbeit ist meist länger und komplizierter für die Mitarbeiter. Vor allem dann, wenn sie auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen sind.

„Wir kennen einige große Firmen, die intern Umfragen machen, wie ihre Mitarbeiter zur Arbeit kommen und wo sie wohnen“, sagt Julien Pillot. „Mobilität ist mittlerweile ein sehr großes Thema bei den Unternehmen. Sie wollen möglichst alle gut an das öffentliche Verkehrsnetz angebunden sein.“

Doch je weiter eine Firma vom Zentrum oder großen Ballungsräumen wie Esch-Alzette entfernt ist, desto umständlicher wird der Weg zur Arbeit.

Co-Working und Inkubatoren: keine dauerhafte Lösung

Was also machen? Wer nicht aufs Land will, muss im Zentrum enger zusammenrücken. Kleine Unternehmen, Freischaffende und Start-Ups können nämlich noch auf Co-Working-Flächen ausweichen oder ein Büro bei einem sogenannten Inkubator mieten. Die Büros befinden sich meist in bester Lage und sind vergleichsweise günstig – doch ihre Zahl ist begrenzt und nicht jeder kann dort hinziehen.

Denn wer bei einem Inkubator einen Platz ergattern will, muss ganz bestimmte Bedingungen erfüllen. Meist sind die zu vergebenden Plätze für junge Tech-Start-Ups reserviert und der Mietvertrag ist auf ein paar Jahre begrenzt. „In Luxemburg gibt es zwar eine Start-Up-Kultur, doch die jungen Unternehmen werden auch von der Politik aufgepäppelt. Die Frage ist, was passiert, wenn diese Hilfe irgendwann wegfällt“, so Markus Hesse. Dann müssen die Unternehmen auch ohne staatliche Hilfe und Inkubatoren über die Runden kommen und sich auf die Suche nach einem neuen Büro begeben.

Doch für Julien Pillot ist die Lage nicht aussichtslos. Wer Glück habe, könne auch in der Stadt eine vergleichsweise günstige Bürofläche finden. Dafür müsse er nur einige Abstriche machen: „Wir haben Wohnungen, die als Büro gemietet werden können“, so Pillot. „Da kann man auch schon mal ein Büro für 30 Euro pro Quadratmeter mitten im Zentrum finden.“

Wohnung als Büro nutzen?

Was man dafür in Kauf nehmen muss? Dass das Büro nicht unbedingt wie ein klassisches Büro aussieht, sondern eben wie eine umgebaute Wohnung. „Das kommt nicht für jede Firma infrage, weil es vielleicht nicht zum Image passt“, so Pillot. Deshalb seien diese Flächen oft günstiger.

Doch auch dieser auf den ersten Blick gute Deal hat einen Haken. Denn nicht jede Wohnung darf in eine Bürofläche oder für den kommerziellen Gebrauch umgewandelt werden. Laut Gesetzgebung darf eine Wohnimmobilie nur als Bürofläche vermietet oder verkauft werden, wenn der Eigentümer hierfür eine Genehmigung vom jeweiligen Schöffenrat erhalten hat. Er muss einem sogenannten „Changement d’affectation“ stattgeben. Doch dass sie genehmigt wird, ist eher unwahrscheinlich. „Schätzungsweise werden neun von zehn Anfragen abgelehnt“, so Julien Pillot.

Vor allem die Stadt Luxemburg versucht auf diesem Wege zu vermeiden, dass Privatleute ihre leerstehenden Wohnungen als Büro an Firmen vermieten – zu einem höheren Preis als sie für den Privatgebrauch verlangen könnten. Ein Freischaffender darf zwar von zu Hause aus arbeiten und dort ein Büro haben. Wer allerdings keine Genehmigung hat, um eine Wohnung als Büro einzustufen, der muss mit einer Strafe rechnen. Die Stadtverwaltung führe regelmäßig Kontrollen durch, heißt es gleich von mehreren Stellen.

Letztendlich bewegt die Knappheit an Flächen Firmen wie Privatleute zum gleichen Handeln: All diejenigen, die es sich leisten können, bleiben zentral gelegen. Alle anderen ziehen dorthin, wo sie sich etwas leisten können.