Angela Merkel, Jacinda Ardern, Sanna Marin: Politik wird zunehmend weiblicher – zumindest im Ausland. Luxemburg schneidet bei der Gleichstellung im internationalen Vergleich nicht vorbildlich ab. Neue konkrete Initiativen, um das zu ändern, sind nicht in Sicht.
Deutschland ist ohne Kanzlerin Angela Merkel für viele kaum noch vorstellbar, Neuseeland feiert seine Premierministerin Jacinda Ardern und die Finnin Sanna Marin wurde letztes Jahr mit 34 Jahren die jüngste amtierende Regierungschefin der Welt. Manche Länder machen etwas vor, wovon Luxemburg noch weit entfernt ist. In der Politik sind Frauen Männern ebenbürtig und in den höchsten Ämtern vertreten.
Auch hierzulande machte in den vergangenen Wochen zwar eine mächtige Frau von sich reden: Paulette Lenert (LSAP). Kaum im Amt, führte sie als frischgebackene Gesundheitsministerin das Land durch die Corona-Krise. Und erntete dafür viel Lob – sogar von den Oppositionsparteien. Sie mache eine gute Arbeit, wirke besonnen und rational, so das allgemeine Credo.
Doch das Bild einer gefeierten Ministerin schafft noch lange keine Parität. Denn bei diesem Thema schneidet Luxemburg im internationalen Vergleich eben schlecht ab. Die Ministerinnen kann man im Großherzogtum buchstäblich an den Fingern einer Hand abzählen. Denn von den insgesamt 17 Ministern sind lediglich fünf Frauen – und mit 29,4 Prozent sind sie deutlich unterrepräsentiert. Neben Paulette Lenert haben auch Taina Bofferding (beide LSAP), Corinne Cahen (DP), Sam Tanson und Carole Dieschbourg (beide Déi Gréng) einen Posten als Ministerin.
Dennoch ist diese Aufteilung besser als in vergangenen Legislaturperioden: Bei der ersten Auflage von Blau-Rot-Grün bekleideten vier Frauen einen der 18 Ministerposten, das sind gerade einmal 22,2 Prozent. Das letzte Kabinett der CSV-LSAP-Regierung von 2009 bis 2013 war mit 26,6 Prozent paritätisch auch kaum besser aufgestellt.
Vorbilder treiben den Wandel voran
Doch das Problem der Gleichstellung geht weit über die Regierung hinaus. Im Gender-Gap-Ranking des Weltwirtschaftsforums belegt Luxemburg Platz 51. Island, Norwegen und Finnland die ersten drei Plätze. Schlechter als das Großherzogtum schnitten beispielsweise die USA auf Platz 53 und Italien auf Platz 76 ab.
Bis es eine Parität in der Politik geben wird, wird es wohl noch lange dauern. Aus einem Bericht des Weltwirtschaftsforums geht auch hervor, dass es schätzungsweise noch 95 Jahre braucht, bis man von weltweiter Parität sprechen kann.
Die Autoren weisen aber auch darauf hin, dass es mittels politischem Handeln schneller gehen könnte. Sie nennen den sogenannten Role-Model-Effekt als mögliches Instrument: Je mehr Frauen in hohe Machtpositionen kommen, desto mehr Frauen fühlen sich motiviert und angesprochen, vielleicht nachzuziehen und es ihnen gleichzutun.

Ein Land, in dem dies ernst genommen wird, ist Spanien. Dort besteht die Regierung insgesamt aus elf Frauen und elf Männern. Aber auch nur, weil die vom spanischen Premier Pedro Sanchez angeführte Regierungskoalition sich bewusst für mehr Gleichberechtigung einsetzt. Sanchez richtete ein Ministerium für Gleichstellung ein, das seine Vize-Regierungschefin Carmen Calvo führt. Auch andere Schlüsselressorts besetzte er mit Frauen: Wirtschaft, Finanzen, Industrie, Arbeit und Justiz sowie Verteidigung. Sein Kabinett bilde „das Beste ab, was unsere Gesellschaft zu bieten hat“, wird der Premier zitiert.
Finanzieller Anreiz als Motivation
Ein weiteres Indiz für mangelnde Parität und Repräsentativität: In Luxemburg werden nicht ansatzweise so viele Frauen gewählt wie Männer. Dafür reicht ein Blick in das Parlament. Von insgesamt 60 Abgeordneten sind lediglich 19 Frauen – sechs von ihnen sind in dieser Legislaturperiode nachgerückt. Von den sieben im Parlament vertretenen Parteien haben lediglich zwei eine Frau als Präsidentin. Martine Hansen in der CSV-Fraktion und Josée Lorsché bei den Grünen. Zum Vergleich: Im Parlament in Brüssel sind von den 89 Abgeordneten 40 Frauen – also fast die Hälfte, im französischen Senat werden 40 Prozent der Plätze von Frauen besetzt.
Dabei gibt es ein sogenanntes Quoten-Gesetz für Wahllisten in Luxemburg. Zum ersten Mal kam es bei den Nationalwahlen von 2018 zum Einsatz. 46 Prozent Frauen waren auf den Wahllisten vertreten. Offiziell mussten es mindestens 40 Prozent sein – so wurde es unter der ehemaligen Gleichberechtigungsministerin Lydia Mutsch (LSAP) im „Plan Egalité Femmes et Hommes“ festgelegt.
„Das Argument, Frauen würden sich nicht für Politik interessieren, gilt somit nicht“, sagt Taina Bofferding im Gespräch mit REPORTER. Sie hat das Ministerium im Dezember 2018 von Lydia Mutsch (ebenfalls LSAP) übernommen. Die Quote sei sicherlich ein Hilfsmittel. Sie sei aber auch lediglich ein erster Schritt.
Damit sich die Parteien an die 40-Prozent-Quote halten, brauchte es aber einen finanziellen Anreiz. Die Maximal-Finanzhilfe des Staates zur Parteienfinanzierung bekommt nämlich nur jene Partei, die sich an die Regeln hält. 100 Prozent werden den Parteien gezahlt, die je 24 weibliche und männliche Kandidaten für die Wahlen aufstellen. Ansonsten wird die staatliche Finanzierung gekürzt.
Drastischere Mittel wären denkbar
Der Wink mit der Subventionskürzung verfehlte seine Wirkung nicht. Alle im Parlament vertretenen Parteien hatten mindestens 24 Frauen auf der Wahlliste. Déi Gréng und Déi Lénk hatten mit je 31 Frauen die meisten Kandidatinnen. CSV, ADR und die Piraten kamen nicht über die obligatorischen 24 hinaus.
Luxemburg könnte aber auch auf drastischere Mittel setzen. In Belgien ist die Hälfte der Plätze auf den Wahllisten Frauen vorbehalten. Listen, die nicht ausgewogen sind, werden von den Behörden gar nicht erst zugelassen. Auch Lydia Mutsch konnte sich bei den vergangenen Wahlen ein ähnliches Konzept vorstellen. Die Regierung habe sich aber dagegen entschieden, so die ehemalige Ministerin.
Für Taina Bofferding reicht das Quotensystem als Hebel für mehr Parität nicht aus. Parteien müssten ihre Kandidatinnen auch „nach außen hin zeigen“ – sei es als Expertin in einem Bereich, bei Gesprächsrunden, bei Konferenzen. „Die Idee hinter der Quote ist nicht, eine Frau wegen ihres Geschlechts mit auf die Wahlliste zu nehmen“, so Taina Bofferding. „Sondern, weil sie etwas bewirken und sich engagieren will.“
Umdenken auch auf lokaler Ebene
Die Ministerin sieht deshalb Handlungsbedarf in den Gemeinden. Für Kommunalwahlen gibt es nämlich kein Quotengesetz. Man müsse die Parteien unterstützen, damit sie „neue Generationen aufbauen“ und Frauen mehr in die konsultativen Kommissionen einbeziehen. „Ich bin bereit, mich mit den Parteien zusammen zu setzen und unterschiedliche Pisten für die Rekrutierung von Frauen auszuarbeiten“, so Taina Bofferding.
Sie könne sich auch eine Art Mentoring-Programm oder „Egalitätsprogramm“ für die Parteien auf kommunaler Ebene vorstellen. So könnte man sie beraten und dabei begleiten, sich für mehr Parität einzusetzen.

Ein Problem gibt es sicherlich auch bei der Mentalität der Parteien. Nach vorne werden vor allem Leute gebracht, die ohnehin bekannt sind. Je länger man Politik macht, desto größer ist der Bekanntheitsgrad. Und desto mehr Stimmen bekommt man wohl. Da diese Überlegung aber vor allem auf Männer zutrifft, sind auch sie es, die meist nach vorne gebracht werden.
Eine Verbesserung auf lokaler Ebene ist demnach fast unumgänglich, um auch auf nationalem Plan Parität zu erlangen. Fakt ist, dass bekannte Gesichter aus der Lokalpolitik gute Chancen haben, den Sprung in die nationale Politik zu schaffen.
Für Taina Bofferding sind die Parteien selbst in der Verantwortung. „Manche Angebote und Einladungen der Parteien sind nun mal nicht immer ganz einladend und souverän“, so die Ministerin. „Man kann Frauen nicht mit dem Argument anlocken, dass einem noch Kandidatinnen auf den Listen fehlen.“
Das Problem der Work-Life-Balance
Auf lokaler Ebene gibt es keine Quote – und das zeigt sich auch in den Zahlen. Bei den Kommunalwahlen 2017 waren von insgesamt 3.757 Kandidaten 2.301 Männer – aber nur 1.274 Frauen. Es sind demnach fast doppelt so viele Männer wie Frauen angetreten.
Die Herausforderung liegt hier wohl vor allem darin, Familienleben, Beruf und Politik zu vereinen. In Differdingen lehnte Laura Pregno das Amt der Bürgermeisterin ab, weil sie kurz zuvor Mutter wurde. Als Schöffin hat sie sich während der Elternzeit ersetzen lassen, allerdings mit Baby an den Ratssitzungen teilgenommen. Dem Luxemburger Wort sagte sie damals, dass der fehlende geregelte Elternurlaub für Politikerinnen ein Problem ist. „Das schreckt viele junge Frauen davor ab, den Weg in die Politik überhaupt erst einzuschlagen.“
Wenn eine Partei mehr Frauen in den eigenen Reihen haben will, muss sie sich auch umorganisieren können.“Taina Bofferding, Ministerin für die Gleichstellung von Frauen und Männern
Catia Goncalves hat es sowohl lokal als auch national versucht. Die ehemalige Präsidentin der „Femmes Socialistes“ sagt, es sei vor allem für Mütter schwierig, sich neben Beruf und Familie auch noch Zeit für Politik freizumachen. Auch, weil das System nicht viel Flexibilität zulässt. „Ich war in Petingen im Gemeinderat und in Kommissionen, arbeite aber in der Stadt. Wurden Kommissionssitzungen auf 17 oder 17.30 Uhr gelegt, musste ich praktisch schon vor 16 Uhr in der Arbeit losfahren, um teilnehmen zu können.“
Durch die Coronakrise würde sich zeigen, dass man Sitzungen auch anders und flexibler gestalten kann. Vielleicht sei das eine Chance. „Virtuelle Konferenzen könnte man künftig gut von zu Hause aus organisieren – beispielsweise dann, wenn die Kinder im Bett liegen“, sagt Catia Goncalves.
Viele Kampagnen, kein Quantensprung
Catia Goncalves engagiert sich heute nicht mehr politisch. Eigenen Aussagen nach, weil die Politik eher reaktiv als proaktiv handele. Statt sich wirklich Zeit zu nehmen und zu untersuchen, warum sich nicht mehr Frauen politisch engagieren wollen, habe man vor allem versucht, durch kurze Aktionen und Kampagnen auf sich aufmerksam zu machen.
Kritik ernteten die „Femmes Socialistes“, als sie 2016 die Kampagne „Eng Posch voller Ideen“ starteten und mit Klischees wie einem Taschen-Motiv und rotem Kussmund Frauen für Politik interessieren wollten. Mit diesen Stereotypen wollte sie sich nicht identifizieren, hieß es damals nicht nur von Catia Goncalves in der Presse.
Das Problem der Mobilisierung kennt auch die Ministerin für Gleichberechtigung. Sie verweist aber auch hier wieder auf die Verantwortung der Parteien. „Wenn eine Partei mehr Frauen in den eigenen Reihen haben will, muss sie sich auch umorganisieren können.“ Wer eine Mischung der Geschlechter haben will, müsse sich auch dafür einsetzen, dass Leute sich engagieren können.
Auch Taina Bofferding will die Stereotypen hinter sich lassen. Auf die Frage, wie die Regierung bei der Gleichstellung von Frauen und Männern messbare Fortschritte erzielen will, erhält man jedoch auch wenig konkrete Antworten. Die nächsten Kampagnen zur Sensibilisierung und Motivierung stehen zwar in den Startlöchern. Doch einen Quantensprung in Sachen Gleichstellung wie in der finnischen oder spanischen Spitzenpolitik wird es in Luxemburg auf absehbare Zeit nicht geben.