Bei den Wahlen im Oktober greift zum ersten Mal die Frauenquote. Den Parteien drohen empfindliche finanzielle Einbußen, wenn sie das Ziel von 40 Prozent nicht einhalten. Doch das allein reicht nicht, damit mehr Frauen gewählt werden.
„Mär musse weider dru schaffen fir dass mer no de nächste Wahlen iwwer 40% Fraen an der Chamber hunn an hoffentlech och an der Regierung!“, twitterte die Ministerin für Chancengleichheit, Lydia Mutsch (LSAP), in ihrer Euphorie nach der Vereidigung der beiden neuen Parlamentsmitgliederinnen am 19. April. 18 Frauen sind zur Zeit im Parlament, deutlich mehr als zu Beginn der aktuellen Legislaturperiode. Mit den beiden Neuzugängen Sam Tanson und Simone Asselborn-Bintz ist erstmals die 30-Prozent-Marke erreicht. Für die anstehenden Wahlen im Oktober ist das Ziel noch höher angesetzt: 40 Prozent Frauen sollen anschließend das Volk vertreten.
Im Hinblick auf die Zusammensetzung der Regierung liegt das Ziel jedoch noch in weiter Ferne: Frauen sind in der Regierung unterrepräsentiert. Lediglich vier von 18 Regierungsmitgliedern sind Frauen: Corinne Cahen, Lydia Mutsch, Francine Closener und Carole Dieschbourg, das sind gerade einmal 22 Prozent. Zu Beginn der Legislaturperiode war mit Maggy Nagel die Zahl (fünf von 18 bzw. 27,7 Prozent) im Gegensatz zur vorherigen Regierung (vier von 15 bzw. 26,6 Prozent) noch leicht angestiegen, da sie jedoch durch einen Mann ersetzt wurde, ist die Quote jetzt niedriger als im letzten CSV-LSAP-Kabinett.
„Wir nehmen eine Hürde nach der anderen“, sagt Lydia Mutsch dazu. Fest steht nämlich bereits jetzt, dass die Frauenquote für die Wahllisten erfolgreich umgesetzt wurde. Ob es aber nach den Wahlen zu mehr Gleichgewicht im Parlament und besonders in der Regierung kommt, bleibt abzuwarten. Die Ministerin gibt sich jedoch optimistisch.
Neues Gesetz, spürbare Sanktionen
Das neue Parteienfinanzierungsgesetz kommt in den kommenden Kammerwahlen das erste Mal zum Einsatz. Es ist die Umsetzung einer Ankündigung im Koalitionsprogramm: „Les partis de la coalition modifieront la loi sur le financement des partis politiques en introduisant l’obligation pour les partis politiques de garantir un quota de 40% du sexe sous-représenté sur les listes de candidatures sujettes au financement des partis. Des sanctions financières seront prévues en cas de non respect des minima imposés. La loi entrera en vigueur pour les prochaines élections législatives.“
Im „Plan d’égalité des femmes et des hommes 2015-2018“ ist nicht mehr die Rede von einer „obligation“, sondern von einem „lien“ zwischen der Frauenquote von 40 Prozent und der Parteienfinanzierung. Betroffen sind demnach ausschließlich Parteien, die in den Genuss der Parteienfinanzierung kommen, also solche, die ein Wahlresultat von mindestens zwei Prozent bei National- und Europawahlen vorzuweisen haben. Aktuell betrifft die Regelung also neben den im Parlament vertretenen Parteien CSV, LSAP, DP, déi gréng, ADR und Déi Lénk nur die Piratepartei.
Man hätte auf ein ähnliches Instrument wie im Nachbarland Belgien zurückgreifen können, so Lydia Mutsch. Dort werden die Listen, die der Quote nicht entsprechen, schlicht nicht angenommen. Aber die Regierung habe sich dagegen entschieden und sich eher am französischen Beispiel orientiert. Vor allem die DP hat hier auf die Bremse gedrückt, wie es aus Koalitionskreisen heißt, und wie auch die Debatte über die Gesetzänderung ansatzweise zeigte.
Die Parteien sind laut neuem Gesetz vom 21. Dezember 2016 zwar nicht dazu verpflichtet 40 Prozent Kandidatinnen zu präsentieren, aber neben der Parteiengrundfinanzierung von 100.000 Euro, sind die zusätzlichen Finanzspritzen an die Parteien an das Einhalten der 40-Prozent-Quote gebunden. Pro zusätzliche Prozentpunkte werden 11.500 Euro an die Parteien überwiesen, im Fall der Nichteinhaltung der Frauenquote kommt es zu finanziellen Einbußen. Fünf Prozent werden pro fehlender Kandidatin abgezogen.
24 von 60 Kandidaten
Die Neureglung gilt allerdings in der Übergangsphase nur zu 50 Prozent, die restlichen 50 Prozent der Zuwendungen werden in diesem Jahr noch unabhängig von der Frauenquote ausgezahlt. Das „Land“ hatte es 2015 ausgerechnet: Nimmt man die Geschlechterrepräsentation der vergangenen National- und Europawahlen als Maßstab, würden etwa die CSV laut neuem Gesetz 219.597 Euro, die LSAP 252.813 Euro und die DP 244.087 Euro jährlich weniger an staatlichen Zuwendungen erhalten. Selbst für die größeren Parteien sind die möglichen Sanktionen also keine „Peanuts“. Da lohnt es sich schon, sich nach weiblichen Kandidaten umzuschauen.
40 Prozent ist also die angestrebte Frauenquote auf den Wahllisten, mindestens 24 von insgesamt 60 Kandidaten sollen in Zukunft Frauen sein. Da im Gesetz von 40 Prozent von jedem Geschlecht die Rede ist, müssen auch mindestens 24 Männer vertreten sein. Die finanziellen Einbußen gelten also auch für den Fall, dass zu viele Frauen auf einer Liste vertreten wären. Für die Europawahllisten gilt die Parität: drei Frauen und drei Männer. Die Frage eines dritten oder neutralen Geschlechts wurde in diesem Zusammenhang nicht berücksichtigt.
Geschlechterquote auf den aktuellen Listen
Die CSV hat mit 24 Kandidatinnen das Ziel insgesamt punktgenau erreicht. In manchem Bezirk, wie im Norden, erreichte man die Quote zwar nicht. In anderen überschritt man sie jedoch, so dass die größte Partei des Landes landesweit im Soll liegt. Mit Martine Hansen (Norden) und Françoise Hetto (Osten) sind zudem zwei der vier regionalen Spitzenkandidaten weiblich.
Die DP hat im Zentrum mit 11 Frauen von 21 Kandidaten sogar die Parität überschritten. Insgesamt sind 27 Frauen auf den vier Wahllisten zu finden, das Ziel von 24 wurde somit überschritten. Unter den acht Spitzenkandidaten befindet sich dennoch nur eine Frau und zwar Corinne Cahen im Zentrum.
Die LSAP vermag im Zentrum ebenso wie die DP über 50 Prozent Frauen aufzustellen. Und verdient sich die zusätzliche Finanzierung mit 25 Frauen auf der Gesamtliste.
Bei vergangenen Wahlen hatten Déi Gréng bereits die 40-Prozent-Geschlechterquote erreicht. Die Partei, die in jedem Bezirk jeweils mit einer paritätisch besetzten Doppelspitze ins Rennen geht, stellt im Oktober mit 31 Kandidatinnen als einzige Partei mehr Frauen als Männer zur Wahl.
Déi Lénk und die ADR haben bis jetzt noch keine Kandidaten vorgestellt. Bei den letzten Parlamentswahlen erreichten Déi Lénk das Ziel bereits. Die ADR lag mit 23 Kandidatinnen nur knapp darunter. Die ADR-Liste für die Europawahlen 2014 wäre mit nur einer Frau laut neuem Gesetz nicht quotenkonform.
Es reicht nicht, Frauen auf der Liste zu haben
Das ehrgeizige Ziel der Ministerin von einer Frauenrepräsentation von mindestens 40 Prozent in Parlament und Regierung kann jedoch nicht allein durch die Reform des Parteienfinanzierungsgesetz bewirkt werden. Dazu müssen die Frauen auch gewählt werden.
„Es reicht nicht, die Frauen auf die Listen zu setzen“, sagt Dan Schmit, Politologe an der Universität Luxemburg. Der Forscher hat in einem statistischen Modell ausgerechnet, dass weibliche Kandidaten historisch leicht im Nachteil sind. Schmit hat die fünf vergangenen Parlamentswahlen von 1994 bis 2013 analysiert und fand heraus, dass Frauen insgesamt 0,5 Prozentpunkte weniger Stimmen bekamen als Männer.
Wie will man dies ändern? Parteien sollen ihre Kandidatinnen gezielt fördern, aber auch eine Reform des Wahlsystems sei möglich. „Insgesamt könnte man das Wahlsystem überdenken“, sagt Lydia Mutsch, ohne allerdings konkret zu werden.
Laut dem Politikwissenschaftler Dan Schmit könnte das Wahlgesetz so reformiert werden, dass nicht mehr der Wähler die Rangfolge der Kandidaten bestimmt, sondern die Parteien. Mehr Frauen auf den Kandidatenlisten heißt nämlich nicht gleich, dass mehr Frauen mehr Stimmen bekommen.
Niemand bezweifelt indes, dass die allgemeine Lage der Gleichstellung im Land noch nicht zufriedenstellend ist. Über einen Frauenanteil von 25 Prozent komme weder die Wirtschaft noch die Politik insgesamt hinaus, räumt auch Lydia Mutsch ein. Die Ministerin spielt den Ball jetzt jedoch zurück an die Parteien. Diese müssten in ihren Wahlprogrammen und nach den Wahlen adäquat auf die Thematik eingehen: „Diese Regierung hat getan, was im Koalitionsabkommen festgehalten wurde.“
Anmerkung der Redaktion: In einer ersten Version dieses Artikels wurde die Zahl der weiblichen Kandidaten auf den Wahllisten von déi gréng mit 29 angegeben. Richtig ist, dass déi gréng mit 31 Kandidatinnen bei den kommenden Parlamentswahlen als einzige Partei mehr Frauen als Männer zur Wahl stellt.