Prognosen sind eine schwierige Sache – vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen. Das bekannte Bonmot von Mark Twain hinderte die REPORTER-Redaktion nicht daran, es dennoch zu versuchen. Wir präsentieren: die ultimative, nicht ganz todernst gemeinte Voraussage für den Europa-Wahltag.

Beim letzten Mal lagen wir mit unseren Prognosen zum Teil schon ziemlich daneben. Dieses Mal wollen wir es mindestens genauso gut hinkriegen. Die folgenden Szenarien sind das Ergebnis eines tiefen Blickes in die Glaskugel zum Ausgang der Europawahlen in Luxemburg am kommenden Sonntag.

Szenario 1: Die grüne Welle hält an

Sonntag, Punkt 23.00 Uhr: Das zentrale Wahlbüro veröffentlicht das vorläufige Resultat der Europawahl in Luxemburg und zumindest eine Überraschung ist perfekt. Mit einem Plus von fast zehn Prozent sind die Grünen der klare Wahlgewinner. Am Ende reicht es für die Partei damit für den zweiten Sitz, der auf Kosten der CSV geht. Hinter den Kulissen tobte zwischen Tilly Metz und Meris Sehovic im Wahlkampf noch ein harter Wettbewerb. Jetzt können beide Spitzenkandidaten in das Europäische Parlament einziehen.

Die Tageszeitungen kommentieren am nächsten Tag, dass die bei den Nationalwahlen gestartete „grüne Welle“ weiter anhält. „Die Grünen sind die neue CSV, genauso konservativ, aber halt ein bisschen cooler“, heißt es am Montag in einem Leitartikel im „Wort“. CSV-Parteichef Frank Engel sagt seinerseits, dass seine schwere Mission der Neuerfindung seiner Partei eben gerade erst begonnen habe. Parteifreunde verstehen die Aussage als offene Drohung.

François Bausch wendet sich hingegen in einem Brief an alle Staatsanwälte Europas, in dem er sein „Erstaunen“ über das Wahlergebnis zum Ausdruck bringt. Für eine Stellungnahme zu dieser doch ungewöhnlichen Vorgehensweise, bleibt der Minister jedoch wochenlang nicht erreichbar. „Dat ass nawell ee staarkt Stéck“, kommentiert der frühere RTL-Chefredakteur Guy Kaiser auf seinem Blog.

Szenario 2: Die ADR sorgt für die Überraschung

Damit hatten nur die eingefleischten Anhänger der ADR gerechnet. Am späten Sonntagabend wird klar, dass die Partei, zwar äußerst knapp, aber dennoch mit starken Zugewinnen, einen Sitz im Europäischen Parlament erringen konnte. Möglich machte dies Gast Gibéryen mit einem beeindruckenden persönlichen Resultat. Wie das Parteiurgestein schon im Wahlkampf ankündigte, werde er das Mandat auch annehmen und seine lange Politkarriere in Brüssel bzw. Straßburg ausklingen lassen.

Damit ist in der Abgeordnetenkammer der Weg für Fred Keup frei. Das sorgsam aufgebaute Nachwuchstalent der Alternativdemokraten sagt in einer ersten Stellungnahme, dass es jetzt endlich Zeit sei, „sich unser Land zurückzuholen“. Fernand Kartheiser kommt seinerseits tagelang nicht aus dem Grinsen heraus. Von den anderen Parteien hagelt es dagegen haufenweise Kritik an dem Neuzugang des Hohen Hauses. Nur die Piratenpartei freut sich in einem Kommunique auf eine unverändert konstruktive Zusammenarbeit im „groupe technique“ mit der ADR.

Nach einer Protestaktion eines unbekannten Künstlerkollektivs wird zudem auf „Chamber TV“ mehrere Tage nur noch der Song „FCK LBG“ gesendet. Die Verwaltung des Parlaments kommt dem technischen Problem einfach nicht auf die Spur und beschließt irgendwann, ihre Webseite komplett abzuschalten und „Radio 100,7“ dafür zu verklagen. Für die erste große Parlamentsrede des „Wee 2050“-Kandidaten im Herbst ist jedoch wieder alles paletti.

Szenario 3: Die Piraten erobern Europa

„Frères, Frères, Frères“, hallen die Rufe der vier anwesenden Parteimitglieder vor der Piraten-Zentrale in Kopstal in den Nachthimmel. Wenige Minuten zuvor war offiziell verkündet worden, dass die Piratenpartei ihren positiven Trend aus dem vergangenen Oktober auch bei diesen Wahlen fortsetzen kann. Daniel Frères schafft auf Anhieb den Einzug in das Europäische Parlament.

In einer gemeinsamen Presseerklärung von den Piraten, „Give us a voice“ und der Immobilienfirma „Immobilier Daniel Frères“ erklären Frères und Marc Goergen die „Ära Sven Clement“ für „endgültig beendet“. Jeder, der etwas anderes sage, sei ein „Loser“, der neidisch ist, „Fake news“ verbreitet und Daten klaut. Sven Clement nuanciert die Aussagen zunächst, stimmt letztlich aber zu. „Ich bin zwar dagegen, aber auch entschieden dafür“, so der später von der Piraten-Führung zum Ehren-Machiavelli ernannte Parteigründer. „Der Erfolg gibt uns Recht und heiligt alle Mittel.“

In einem Sonderzug mit der Aufschrift „Arche Dan“ tritt Daniel Frères später gemeinsam mit Dutzenden geretteten Hunden, Katzen und „Luxprivat“-Redakteuren seinen Siegeszug nach Brüssel an. Noch bevor das EU-Parlament erstmals zusammentritt, setzen die Piraten aber schon alle ihre Forderungen aus dem Wahlkampf durch, darunter den Wohnungspreis von zehn Euro pro Quadratmeter, worüber sich Bulgaren und Rumänen am meisten freuen, Gratis-Wlan, Freibier sowie die verpflichtende Adoption von zwei streunenden Hunden durch jeden EU-Bürger. Wie genau das alles so schnell gehen konnte, weiß keiner. Zu den Sofortmaßnahmen der Piraten gehört zudem, dass jede Partei künftig selber entscheiden soll, was und wie über sie in der Presse geschrieben werden darf.

Szenario 4: Die Sozialisten stürzen ab

„Wir haben weniger Stimmen verloren als bei den vorigen Europawahlen“, freut sich LSAP-Kandidat Marc Angel. 2014 war es noch ein Minus von über sieben Prozent, 2019 verloren Sozialisten nur sechs Prozent. Für einen Sitz reichten die verbleibenden knapp sechs Prozent allerdings nicht mehr ganz aus. „Dann kann ich doch noch mein Studium abschließen. Papa freut sich“, meint Spitzenkandidatin Lisa Kersch.

In ihrer schonungslosen Wahlanalyse stellen die Sozialisten fest, dass sie die Bürger mit ihren Botschaften nicht erreicht haben. „Wir waren besonders stolz auf den Slogan ‚Europa. Weider. Friddlech.‘ Die drei Punkte brachten unsere Entschlossenheit gut rüber. Doch die Wähler meinten, Krieg habe es ja seit 1945 nicht mehr gegeben“, so Angel. Man habe das während des Wahlkampfes irgendwann auch eingesehen.

Trotz der Wahlpleite hält Nicolas Schmit übrigens an seinem Anspruch, EU-Kommissar zu werden, fest. Der Wählerwille sei das eine, seine eigene nachweisliche intellektuelle Eignung für den Posten das andere, wird der Ex-Minister zitiert. Nur fand sich kein geeigneter Kommissarposten, der seiner Kompetenz gerecht wurde. Wenige Tage später überzeugt Etienne Schneider die Parteiführung davon, dass er sich bei diesem klaren Wählerauftrag selbst opfern müsse und als Kommissar für Fischerei, Tourismus und Drogenpolitik nach Brüssel geht.

Szenario 5: Alles bleibt beim Alten

Viel wurde im Wahlkampf darüber spekuliert, wie die „Virwëtztut“ Europawahlen ausgehen würde. Drei Sitze für die CSV, jeweils einer für Grüne, DP und LSAP: Am Ende bleibt es von der Sitzverteilung her aber beim Status quo. Alle, naja fast alle sind zufrieden mit dem Resultat. Die CSV jubelt. Parteichef Frank Engel und der scheidende Kommissionschef Jean-Claude Juncker laden zum spontanen „Europa-Summerfest“ nach Hesperange mit „Gin&Tonic à gogo“ ein. Nicolas Schmit erfüllt sich seinen Lebenstraum und wird EU-Kommissar, Marc Angel darf endlich „richtig“ Politik machen. Charles Goerens kündigt an, sein Mandat im Laufe der Legislaturperiode an Parteifreundin Monica Semedo abzugeben. ADR und Piratenpartei beschweren sich dagegen über unfaire Medienkampagnen gegen sie. „Puh, das war knapp. Wir hatten ja eh null Bock auf diesen Wahlkampf“, heißt es dagegen unisono aus den anderen Parteizentralen.


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