Es brodelt zwischen Umweltministerin Carole Dieschbourg und der Jägervereinigung. Die Schutzmaßnahmen gegen die Schweinepest gehen vielen Jägern und Bauern nicht weit genug. Doch die Diskussion über den Umgang mit der Seuche wird von einer ideologischen Debatte überlagert.
„Es ist keine dankbare Situation, in der sich Carole Dieschbourg befindet“. So beschreibt Landwirtschaftsminister Romain Schneider (LSAP) den Streit rund um die Schweinepest. Die Frage, wie mit der Bedrohung aus Wallonien umzugehen ist, erhitzt die Gemüter. Besonders die grüne Umweltministerin wird scharf kritisiert. Unter ihr Ressort fällt die Jagd.
Das Umweltministerium plädiert für zielgerichtete Maßnahmen. Nachtjagd, halbautomatische Waffen und eine Aufhebung der Jagdruhe fordern dagegen manche Jäger. Mit allen Mitteln müssen so viele Wildschweine wie möglich gejagt werden, lautet das Credo von Jägern und Schweinebauern. Doch abgesagte Meetings, wütende Leserbriefe und öffentliche Schuldzuweisungen lassen vermuten, dass es beim aktuellen Streit um mehr geht, als nur um die Schweinepest.
Pest breitet sich Richtung Frankreich aus
Ein Rückblick: Im September wurden vor Luxemburgs Grenzen erste Wildschweine positiv auf das afrikanische Schweinefieber getestet. Seitdem verbreitet sich das Virus vor allem in Wallonien. Schutzzonen wurden eingerichtet, Zäune aufgestellt und Wildschweine gezielt getötet. Das Virus ist für Haus- und Wildschweine tödlich, für Menschen aber unproblematisch. 713 Wildschweine wurden bisher positiv auf die Krankheit getestet, bestätigt der öffentliche Dienst Walloniens. Seit dem 29. März gab es keinen positiven Test mehr, sagt der Sprecher Nicolas Yernaux.
Die Angst ist groß, dass das Virus nach Luxemburg kommt. Das gilt insbesondere nachdem Ende Februar ein infiziertes Schwein in Differt gefunden wurde, fünf Kilometer vor der Luxemburger Grenze. Aktuell verbreitet sich das Virus laut den belgischen Behörden allerdings eher gen Frankreich (siehe Karte).
Wir wollen die Schweinepest nicht nutzen, um etwas auf den Weg zu bringen.“Marc Reiter, Vizepräsident der Jägervereinigung FSHCL
Seit mehreren Wochen laufen die Präventionsmaßnahmen hierzulande auf Hochtouren. Die Regierung hat eine Taskforce eingerichtet, hat wöchentliche Meetings mit den Vertretern der betroffenen Gebiete, baut einen Zaun entlang der belgischen Grenze und plant eine sogenannte „zone blanche“, in der alle Wildschweine eliminiert werden sollen.

Alte Forderungen tauchen wieder auf
Diese Vorgehensweise bemängeln Jäger, (Schweine)bauern, die Opposition und selbst einige Abgeordneten der Regierungsparteien. Während die einen den von der Regierung gebauten Zaun kritisieren, führen die anderen eine Grundsatzdebatte zur Jagd. „Wir wollen die Schweinepest nicht nutzen, um etwas auf den Weg zu bringen“, betont der Vizepräsident der Luxemburger Jagdvereinigung (FSHCL), Marc Reiter, im Gespräch mit REPORTER. Doch angesichts der vielen Forderungen scheint genau das zu passieren.
Es sei „skandalös“, dass die Jagdmöglichkeiten zurzeit begrenzt seien, entrüstet sich etwa FSHCL-Präsident Georges Jacobs. Aktuell darf aufgrund der sechswöchigen Jagdruhe lediglich im Freien, nicht aber in Waldgebieten gejagt werden. Der Jäger und Tierarzt Albert Huberty verlangt im „Wort“, die Jagd müsse intensiviert, und insbesondere nachts erlaubt sein. Marc Reiter fordert seinerseits, die weiße Zone, in der alle Wildschweine gezielt eliminiert werden sollen – am liebsten mittels Treibjagden – müsse für ganz Luxemburg gelten. Jagdmethoden sollen „optimiert“ werden, etwa mit halbautomatischen Waffen. Alles andere sei nachlässig.
Die Forderungen der Jäger vermischen sich. Es wird profitiert, um jetzt andere Ansprüche anzubringen. »Felix Wildschutz, Direktor des Veterinäramtes
Aufgegriffen werden die Forderungen der Jägerschaft durch unzählige parlamentarische Anfragen von verschiedenen Abgeordneten, etwa durch Gusty Graas und Guy Arendt (beide DP und Reporter-Informationen zufolge selbst Jäger) und Marc Goergen (Piraten, Jadggegner).
Carole Dieschbourg als Feindbild
Nicht einmal innerhalb der Jagdvereinigung herrscht Einigkeit – Jacobs fordert nächtliche Jadgen, Reiter nicht. Trotzdem scheinen die Diskussionen um die Pest sich zu jenem Stellvertreterstreit zu verhärten, den Reiter vermeiden wollte. Daran sind auch die mediatisierten Reaktionen in den eigenen Reihen schuld, die Reiter allerdings als Reaktion auf die Position der (grünen) Ministerin sieht.
„Die Forderungen der Jäger vermischen sich. Es wird profitiert, um jetzt andere Ansprüche anzubringen. Doch wir können nicht alles erlauben“, stellt der Direktor des Veterinäramtes Felix Wildschutz klar. Vieles habe wenig mit dem Schweinepestmanagement zu tun.
Die Wildschweindebatte hat sich zur ideologischen Debatte über die Jagd als solches entwickelt. Aus gut informierten Kreisen heißt es, Umweltministerin Carole Dieschbourg – als Frau und grüne Ministerin – sei zu einem Feindbild geworden. Eine Rolle spielt auch, dass die Grünen ein Verbot der Fuchsjagd durchsetzten. Demnach sei der Dialog zwischen Umweltministerium, Naturverwaltung und Jägern auf dem Nullpunkt. Neben Grundsatzdiskussionen spielen auch persönliche Differenzen zwischen FSHCL und Mitarbeitern der Naturverwaltung eine Rolle. Aus diesem Grund hat die Jägerschaft erst kürzlich ein Meeting mit Verwaltung und Ministerium einseitig abgesagt.
Treibjagden könnten kontraproduktiv sein
Während sich alle darüber einig sind, dass eine Reduzierung des Wildschweinbestandes die Verbreitung des Virus einschränken kann, gilt auch im Seuchenszenario: Nicht alles was möglich ist, ist sinnvoll. Großflächige Treibjagden können kontraproduktiv sein, warnt Sven Herzog von der Technischen Universität Dresden. „Sie können den Lebensraum der Wildschweine in Einzelfällen erheblich vergrößern, von mehreren hundert auf mehrere tausend Hektar“, erklärt der Dozent für Wildökologie und Jagdwirtschaft.
Unter Stress ändern die Schweine ihr Verhalten, die Gruppen teilen sich auf, die Bewegungsmuster verändern sich, die Reproduktionsrate steigt. Und gerade durch den kleinen Lebensraum der Schweine bliebe die Krankheit lokal. „Jäger können die Bestände ohnehin nur lokal beeinflussen, und das geht auch über die Einzeljagd oder lokale Drückjagden“, unterstreicht der Experte.
Auch eine Aufhebung der Jagdruhe könne negative Konsequenzen haben, warnt Thorsten Beimgraben, Wildökologe an der Hochschule Rottenburg. Das Ökosystem brauche diese Zeit, um sich nach andauernder Störung durch die Jagd zu beruhigen. Ohnehin wäre es in diesen sechs Wochen wenig effektiv, die Schweine zu jagen, ergänzt eine Luxemburger Jägerin. Denn in dieser Zeit halten die Schweine sich besonders im Offenland auf.
Jägerschaft gespalten
Halbautomatische Waffen hält Thorsten Beimgraben derweil für eine wenig zielgerechte und veraltete Forderung. Sogenannte „Geradezugrepetierer“, die das Nachladen vereinfachen, seien bereits jetzt erlaubt und ähnlich effektiv. „Da haben die Jäger eine alte Wunschliste ausgepackt“, lautet die Vermutung des Jagdexperten.
Die Schweinepest ist ein hausgemachtes Problem. »Sven Herzog, TU Dresden
Auch unter den Luxemburger Jägern stoßen die Forderungen nicht auf breiten Konsens. Einige bezweifeln etwa, dass sich viele Kollegen dazu motivieren lassen, mehr und vor allem nachts zu jagen. „Ich kenne keine zehn Jäger, die sich nachts auf den Hochsitz setzen“, drückt es ein erfahrener Jäger und Forstwirt aus. „Das wird alles gerade extrem hochgespielt.“
Strukturelle Probleme als Ursache
Die Jagd kann das Wildschweinproblem landes- und europaweit ohnehin nicht lösen, warnt Sven Herzog. „Es ist ein hausgemachtes Problem“. Der große Bestand sei zurückzuführen auf eine intensive Landwirtschaft mit großflächigen Raps-und Maiskulturen, mehr Früchte an den Bäumen, etwa Eicheln und Bucheckern, und wärmere Winter. Letztere bringen den Biorhythmus der Schweine durcheinander. Sie haben manchmal zweimal im Jahr Junge. Diese überleben aufgrund der milden Winter besser und finden dank der intensiven Landwirtschaft immer genügend Futter. Um die Population zu reduzieren, müsse man daher die Landwirtschaft überdenken.
Dass die Jäger trotzdem gebraucht werden, um die Gefahr einzugrenzen, steht außer Frage. Doch durch die Vermischung von Interessen und ideologischen Standpunkten riskiert die Risikobegrenzung der Schweinepest zur Nebensache zu werden.