Was ist der Unterschied zwischen der Patientenverfügung und den Bestimmungen zum Lebensende? Wer klare Wünsche für sein Lebensende hat, sich Palliativpflege oder Sterbehilfe wünscht, oder diese kategorisch ablehnt, sollte diese Dokumente kennen.

In der Öffentlichkeit und auch bei Fachleuten herrschen weiterhin viele Unklarheiten über die Rechte der Patienten und die Pflichten des Arztes am Lebensende. Auch die Rolle der Familien, die ihren Wunsch zum Teil über den des Patienten setzen und der Druck, den auch das Pflegepersonal hin und wieder auf sterbende Patienten ausübt, führt in Luxemburg immer wieder zu bedenklichen Situationen.

Bei Unklarheiten ist der Patient am Ende der Verlierer – möglicherweise wird sein Wunsch nach dem Abschalten von lebenserhaltenden Maßnahmen nicht respektiert oder es kommt zu einer Übertherapie mit unangenehmen Nebenwirkungen. Deshalb erweisen sich die Patientenverfügung („Directive anticipée“) und die Bestimmungen zum Lebensende („Dispositions de fin de vie“) als sehr wertvoll.

Wer klare Wünsche für sein Lebensende hat und bereits weiß, welche Lebensbedinungen er bei unheilbarer Krankheit oder nach einem schweren Unfall als unwürdig empfinden würde, sollte über diese Schritte vorsorglich nachdenken:

Patientenverfügung („Directive anticipée“)

In diesem Dokument, das vom Patienten selbst ausgefüllt werden muss, werden die Bedingungen und die Begrenzungen der Behandlung – einschließlich der Schmerzlinderung – festgehalten. Darin wird unter anderem geregelt, ab wann Lebenserhaltungsmaßnahmen abgebrochen oder lebensverlängernde Maßnahmen fortgesetzt oder unterlassen werden sollen, wenn keine Hoffnung mehr auf Heilung besteht.

Unter anderem wird der Patient hier zu seinem Willen bezüglich der künstlichen Beatmung und der künstlichen Ernährung befragt. Auch kann er sich über den Einsatz von Schmerzmitteln und Palliativpflege äußern und festhalten, ob eine Behandlung der physischen und psychischen Leiden unterlassen werden soll, falls sie das Lebensende als Nebenwirkung beschleunigen könnte.

Generell stehen die psychischen, geistigen, spirituellen und körperlichen Bedürfnisse des Patienten, sowie die Linderung von Angst und Schmerzen im Vordergrund der Patientenverfügung. In diesem Dokument ist keine Rede von Sterbehilfe. Da jeder Patient laut Gesetz das Recht auf Palliativpflege hat, ist der Arzt verpflichtet, die Patientenverfügung zu berücksichtigen. Es wird geraten, die Patientenverfügung bei dem behandelnden Arzt zu hinterlegen, damit sie der Patientenakte beigefügt werden kann.

Bestimmungen zum Lebensende („Dispositions de fin de vie“)

In diesem Dokument kann ein Mensch bereits im gesunden Zustand eine vorzeitige Anfrage auf aktive Sterbehilfe (Euthanasie oder assistierter Suizid) stellen. Man kann ebenfalls festhalten, unter welchen Umständen man eine Euthanasie in Anspruch nehmen möchte oder aber auch niederschreiben, niemals und unter keinen Umständen eine aktive Sterbehilfe zu wollen. Das Dokument muss obligatorisch an die Kommission zur Kontrolle und Evaluation der Sterbehilfe geschickt werden. Bei jeglicher Euthanasieanfrage muss der Arzt kontrollieren, ob ein diesbezüglicher Wunsch bei der Kommission schriftlich hinterlegt wurde.

Wer ein solches Dokument hinterlegt, wird alle fünf Jahre per Brief auf seine Entscheidung hingewiesen. Der Patient kann dieses Dokument dann oder zu jedem anderen Zeitpunkt für nichtig erklären und seine Einstellung bezüglich der Sterbehilfe ändern. Kann der Patient nicken, den Kopf schütteln oder sich anders ausdrücken, muss zudem stets gewährleistet werden, dass sein Verlangen respektiert wird.

Dennoch hat der sterbende Patient in Luxemburg kein Anrecht auf Sterbehilfe. Somit muss kein Arzt der im Dokument festgehaltenen vorzeitigen Anfrage auf Euthanasie oder assistierten Suizid Folge leisten. Das Gesetz zur Sterbehilfe erkennt die Gewissensfreiheit des Arztes an: Der Arzt kann die Sterbehilfe aus persönlicher Überzeugung verweigern. In diesem Fall obliegt es der ernannten Vertrauensperson, einen weiteren Arzt aufzusuchen, der dem Wunsch des Patienten Rechnung trägt. Ein Arzt kann der Sterbehilfe nur zustimmen, wenn er die vom Gesetz vorgesehenen Bestimmungen festgestellt hat. Beim Ausfüllen der Dokumente sollte der Arzt bei möglichen Fragen zum Rat herbeigezogen werden.

Das sagt das Gesetz

Sowohl die Patientenverfügung als auch die Bestimmungen zum Lebensende kommen dann zum Einsatz, wenn ein Mensch im fortgeschrittenen Stadium oder in der Endphase einer schweren und unheilbaren Krankheit ist und nicht länger in der Lage ist, sich selbst auszudrücken. Solange ein Patient sprechen kann, werden diese Dokumente nicht in Betracht gezogen. In beiden Dokumenten kann eine Vertrauensperson ernannt werden, die vom Arzt gehört werden muss und diesen über den Wunsch des Patienten informieren soll.

Das sagt die Statistik

Jährlich werden zwischen 300 und 350 Bestimmungen zum Lebensende bei der nationalen Kommission zur Kontrolle und Evaluation der Sterbehilfe eingereicht. Insgesamt lagen der Kommission 2016 2.518 solcher Dokumente vor. Generell zeigt sich, dass mehr Frauen als Männer bereit sind, über den Tod nachzudenken und das Dokument ausfüllen. 1.515 Anfragen kamen von Frauen, 1.003 von Männern. Ab 51 Jahren werden die meisten Dokumente eingereicht – junge Leute scheuen sich davor. Zwischen 2015 und 2016 wurden lediglich fünf Prozent aller Dokumente von Menschen unter 40 Jahren ausgefüllt.

Der Tod als Tabu

Roland Kolber von „Mäi Wëlle, Mäi Wee – association pour le droit de mourir dans la dignité Lëtzebuerg“ bemängelt, dass Branchenfachleute ihre Patienten nicht genügend auf diese wichtigen Dokumente hinweisen. „Vor einer Operation, bei der man potenziell sterben oder nie wieder aus dem Koma aufwachen kann, fragt weiterhin kaum ein Arzt nach den Bestimmungen zum Lebensende“, tadelt er. Auch in Luxemburgs Altenheimen wird das Ausfüllen der Patientenverfügung und der Bestimmungen zum Lebensende mehreren Quellen zufolge oft nicht offen thematisiert.

Das Loslassen und das Sterben lassen, ist eine gesellschaftliche Herausforderung. »

Ob in Krankenhäusern, Alten- oder Pflegeheimen: In Luxemburg fürchtet sich das Pflegepersonal hin und wieder vor Familien, die beim Respektieren des Wunsches des Patienten mit Gerichtsverfahren drohen. Das Vorliegen einer Patientenverfügung oder von Bestimmungen zum Lebensende schafft dann Klarheit. Liegt keine solche Patientenverfügung vor, muss die Familie entscheiden und dabei den mutmaßlichen Willen des Patienten respektieren.

Die Entscheidung über das Leben oder den Tod eines geliebten Menschen gestaltet sich für viele Familienmitglieder aber verständlicherweise als sehr schwer und lässt sich zum Teil mit dem eigenen Gewissen schwer vereinbaren. Häufig kommt es dann zum Familienstreit mitsamt Schuldzuweisungen. „Das Loslassen und das Sterben lassen, ist eine gesellschaftliche Herausforderung“, meint dazu Christine Dahm, Direktorin von Omega 90.

In Luxemburg werden der Tod und die Sterbehilfe noch oft tabuisiert. „Beim Unterschreiben der Bestimmungen zum Lebensende fürchten viele, dass sie somit ihr Todesurteil unterschreiben und dies nicht mehr rückgängig machen könnten. Dem ist nicht so“, garantiert Kolber.

Ab wann sollte man sich eigentlich über das Lebensende Gedanken machen und eine Patientenverfügung oder seine Bestimmung zum Lebensende ausfüllen? „Mit 18 Jahren“, meint dazu Marie-France Liefgen von Omega 90.

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