Die Finanzierung der « SuperDrecksKëscht » steht rechtlich auf wackligen Beinen. Die Kontroverse um juristische Gutachten stellt dabei nicht nur die Regierung bloß. Sie legt auch Schwächen der parlamentarischen Kontrolle offen und bekräftigt das Ausmaß der ganzen Affäre.
„Le contrat relatif à l’exécution de l’action SuperDrecksKëscht est nul.“ Die juristische Einschätzung ist eindeutig und wird – so oder so – politische Konsequenzen nach sich ziehen. Der Satz stammt aus einem Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes der Abgeordnetenkammer. Das Dokument beschäftigt sich mit der Frage, ob die Ausführung der „Aktioun SuperDrecksKëscht“ mit der Verfassung vereinbar ist. Auch der renommierte Rechtsanwalt Alain Steichen wurde vom Parlament mit dieser Frage befasst.
Die Gutachten, die vom CSV-Abgeordneten Gilles Roth in seiner Eigenschaft als Mitglied der Budgetkontrollkommission angefragt wurden, schlugen im politischen Betrieb ein wie eine kleine Bombe. Zunächst wollten die Abgeordneten von Déi Gréng noch verhindern, dass das Dokument unverzüglich veröffentlicht wird. Die zuständige Umweltministerin Carole Dieschbourg (Déi Gréng) solle zuerst die Möglichkeit erhalten, sich zu den Gutachten zu positionieren. Nach hitzigen Debatten im Parlament wurde das Dokument nun doch veröffentlicht.
Nach der Lektüre beider Gutachten besteht kein Zweifel: Der 97 Millionen Euro schwere Vertrag, den das Umweltministerium am 2. Januar 2018 mit der Firma „Oeko Service Luxembourg“ abschloss, verstößt gegen Artikel 99 der Verfassung und ist somit als null und nichtig anzusehen. Oder anders ausgedrückt: Die verfassungsgemäße Regel, wonach jede erhebliche finanzielle Verpflichtung („engagement financier important“) des Staates ein gesondertes Finanzierungsgesetz („loi spéciale“) erfordert, wurde im Fall der « SuperDrecksKëscht » (SDK) missachtet.
Finanzierung ohne Grenzen
Im Kern werfen die beiden Gutachten fundamentale Fragen auf, die allerdings nur im Kontext der ganzen „Affäre SuperDrecksKëscht“ sowie ihrer Entstehung nachvollziehen sind. Es geht letztlich auch um andere Unregelmäßigkeiten, die vor rund einem Jahr von Reporter.lu aufgedeckt und seitdem zum Teil politisch aufgearbeitet wurden.
Ein bisher vernachlässigter Aspekt: Grundsätzlich braucht jede finanzielle Verpflichtung des Staates, die die Schwelle von 40 Millionen Euro übersteigt und mehr als ein Haushaltsjahr betrifft, zwingend ein eigenes Finanzierungsgesetz. Dadurch soll die Kontrollfunktion des Parlaments gegenüber der Regierung gesichert werden, wie es bereits 1868 in der Luxemburger Verfassung festgehalten wurde. 1989 wurde der betreffende Artikel des Grundgesetzes reformiert, wobei die Schwelle, nach der ein Finanzierungsgesetz erforderlich ist, über ein eigenes Gesetz definiert wird. Aktuell gilt noch immer der 2009 in der Finanzkrise von der damaligen CSV-LSAP-Regierung festgelegte Wert von 40 Millionen Euro.
Le but de l’article 99 de la Constitution est cependant de mettre la Chambre des députés en mesure de comparer la contribution à l’intérêt général d’une action gouvernementale déterminée par rapport aux coûts que cette action engendrera. »Alain Steichen, Rechtsanwalt
Die Verfassung schreibt nicht ausdrücklich vor, wie ein Finanzierungsgesetz auszusehen hat. Doch sowohl der wissenschaftliche Dienst des Parlaments, der Staatsrat als auch der Jurist Alain Steichen sind sich einig darüber, welche Bedingungen ein solches Gesetz erfüllen muss. Einerseits muss der alleinige Zweck des Gesetzes die Finanzierung eines Vorhabens des Staates sein. Andererseits muss das Gesetz eine Aussage über die vorgesehenen Kosten dieses Vorhabens enthalten, also eine konkrete Summe genannt werden.
Beides ist im Fall « SuperDrecksKëscht » nicht geschehen. Die gesetzliche Basis für die « SuperDrecksKëscht » ist ein Gesetz aus dem Jahr 2005. Darin sollte sowohl die Ausführung als auch die Finanzierung der Initiative geregelt werden. Im Umweltministerium herrscht diese Interpretation bis heute vor. So betont das Ministerium in seiner eigenen rechtlichen Begutachtung, dass die « SuperDrecksKëscht » kein eigenes Finanzierungsgesetz brauche, da das Gesetz von 2005 diesen Anspruch bereits ausreichend erfülle.
Allerdings enthält das Gesetz von 2005 keine konkrete Angabe zu den Kosten der « Aktioun SuperDrecksKëscht ». Dazu hält das Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes fest: « on ne peut que constater que la loi de 2005 – qui concerne une dépense de l’Etat – ne comporte aucun nombre exprimé en euros ou en unités de comptes. Il manque donc au moins une exigence à la loi de 2005. »
Keine parlamentarische Kontrolle
Dennoch unterschrieb Umweltministerin Carole Dieschbourg 2018 auf der Basis dieses Gesetzes einen Vertrag mit der Firma „Oeko Service Luxembourg“ in Höhe von 97 Millionen Euro für einen Zeitraum von elf Jahren. Die Abgeordneten blieben dabei außen vor. Seit dem Gesetz von 2005 hatte das Parlament bei der Ausführung – und nicht zuletzt bei der Legitimierung der Kosten der « Aktioun SuperDrecksKëscht » kein Mitspracherecht mehr.
Genau dies ist denn auch der Kern der Begründung für ein Finanzierungsgesetz. Das Ziel sei nicht, das Regierungshandeln unnötig zu erschweren, sondern es gehe vielmehr um ein Grundprinzip der parlamentarischen Demokratie, schreibt Alain Steichen in seinem Gutachten. Es gehe letztlich darum, « die Abgeordnetenkammer in die Lage zu versetzen, den Beitrag, den das Regierungshandeln zum Gemeinwohl leistet, mit den Kosten, die dieses Handeln nach sich zieht, zu vergleichen », so der anerkannte Spezialist für Vertragsrecht.

Genau dieses Kontrollrecht will die Opposition nun auch geltend machen. Die Präsidentin der Budgetkontrollkommission, Diane Adehm (CSV), sprach in diesem Zusammenhang von einem « Blankoscheck », den man der Regierung bisher ausgestellt habe. Rein rechtlich könne die « Aktion SuperDrecksKëscht » so viel ausgeben, wie sie wolle, ohne dass das Parlament – und damit die Öffentlichkeit – dies ansatzweise kontrollieren könnte.
Dabei ist die mangelnde politische Kontrolle in diesem Dossier keine Neuigkeit. Der gleiche Befund galt auch für die Vorgängerregierungen, die die « Aktion SuperDrecksKëscht » jahrelang ohne Finanzierungsgesetz ausführten. Doch das Umweltministerium unter Carole Dieschbourg führte diese Praxis einfach weiter und schaffte mit dem Vertrag von 2018 Fakten für über ein Jahrzehnt, ohne sich offenbar Fragen über die Legalität ihres Handelns zu stellen.
Ungeklärte Unregelmäßigkeiten
Bereits vor den nun kontrovers diskutierten Gutachten standen zudem Zweifel zur Auftragsvergabe zwischen dem Umweltministerium und der Firma des Mettlacher Unternehmers Hans-Peter Walter im Raum. Insider aus der Abfallbranche betonten im Gespräch mit Reporter.lu wiederholt, dass sowohl das Gesetz aus dem Jahr 2005 als auch die Ausschreibung aus dem Jahr 2018 ausdrücklich auf « Oeko Service Luxembourg » zugeschnitten sei.
Ein vom Umweltministerium in Auftrag gegebenes Audit bemängelte daraufhin zentrale Elemente der Ausschreibung. So monierte das Gutachten von « Muller&Associés » etwa explizit, dass jener Ausschuss, der über die Auftragsvergabe entschieden habe, fast ausschließlich mit Mitgliedern des « Comité de pilotage » der SDK besetzt war. Also mit exakt jenen Personen, die bereits in den Jahren zuvor bei der Umsetzung der SDK mit der Gesellschaft „Oeko Service Luxembourg“ zusammengearbeitet hatten.
Sollt sech d’Interpretatioun aus dem Avis vun der Cellule scientifique duerchsetzen, wäert den Ëmweltministère selbstverständlech op de Wee vun enger Regulariséierung vun der Situatioun goen. »Stellungnahme des Umweltministeriums
Hinzu kommen auch die im Audit angesprochenen, aber nicht aus der Welt geschafften Unregelmäßigkeiten bei der intransparenten Bilanzführung, der mangelnden Professionalität der Buchführung sowie die Frage des möglichen Interessenkonflikts des langjährigen Direktors der Umweltverwaltung, Robert Schmit. Zur Erinnerung: Der Sohn von Robert Schmit wurde als Leiter der « SDK-Akademie », einer Initiative der « SuperDrecksKëscht », eingestellt. Robert Schmit und der Unternehmer Hans-Peter Walter bezeichnen sich gegenseitig als enge Freunde.
Es sind Fragen, die auch die Opposition in der vergangenen Woche wieder thematisierte. Sollten die noch offenen Fragen nicht hinreichend beantwortet werden, werde man die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses im Parlament zur Abstimmung bringen, kündigte zudem der Co-Fraktionschef der CSV, Gilles Roth, an. Ob es dazu kommen wird, ist jedoch fraglich, denn dafür wäre eine Mehrheit im Parlament nötig. Die Opposition wäre also auf Stimmen aus den Mehrheitsparteien angewiesen.
Nachträgliche Regulierung fraglich
In einem nächsten Schritt geht es um die Frage, wie die Regierung das aufgeworfene verfassungsrechtliche Problem lösen will. Das Umweltministerium haderte in einer ersten Stellungnahme am Dienstag noch damit, das Problem überhaupt als solches anzuerkennen. « Sollte sich die Interpretation aus dem Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes durchsetzen », werde das Ministerium aber « selbstverständlich auf den Weg einer Regulierung der Situation gehen ».
Wie es aus Koalitionskreisen verlautet, soll diese Regulierung durch das zeitnahe Nachreichen eines Finanzierungsgesetzes geschehen. Damit soll die Vereinbarkeit mit der Verfassung sowie die Legalität des laufenden Vertrags rückwirkend sichergestellt werden. Ein Vorentwurf könnte bereits am Montag in einer gemeinsamen Sitzung des Budgetkontroll- und des Umweltausschusses diskutiert werden. Die CSV spricht sich ebenfalls für eine solche Lösung aus, allerdings soll die « loi spéciale » nur für den Zeitraum zwischen 2018 und 2022 gelten. Für die Restlaufzeit müsse ein neuer Vertrag ausgehandelt werden, so die Oppositionspartei.

Mit der Frage der nachträglichen Regulierung befassen sich auch die Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes und des Anwalts Alain Steichen. In diesem Punkt sind beide Gutachten aber unterschiedlicher Auffassung. Die Analyse der « Cellule scientifique » des Parlaments hält eine nachträgliche Regulierung des bestehenden Vertrags für möglich. Dies sei auch schon in vergangenen Fällen geschehen. Als konkrete Beispiele nennt das Gutachten die Konvention, die das Hochschulministerium 2014 mit dem « Max Planck Institut » abgeschlossen hat und für die nachträglich ein Finanzierungsgesetz verabschiedet werden musste. Ein ähnliches Gesetz wurde im Dezember 2021 auch für die Finanzierung des RGTR-Busnetzes im Parlament angenommen.
Laut Alain Steichen ist ein Finanzierungsgesetz vor Vertragsabschluss jedoch eine Bedingung für dessen Gültigkeit. Da dies nicht geschehen ist, als die Ministerin den Vertrag am 2. Januar 2018 unterschrieben hatte, sei der Vertrag an sich ungültig und die Unterschrift könne nicht als rechtlich bindend angesehen werden. Dies mache es folglich unmöglich, den Vertrag im Nachhinein zu legalisieren. Die von Alain Steichen vorgeschlagene Lösung ist denkbar einfach, aber politisch brisant: « Par voie de conséquence, en l’absence de toute possibilité de régularisation, il faudra refaire le Contrat, après qu’une loi ‘spéciale’ ait autorisé de procéder ainsi. »
Offene Debatten und Konsequenzen
In beiden Fällen wird das Dossier « SuperDrecksKëscht » in absehbarer Zeit im Plenum der Abgeordnetenkammer landen. Die Regierungsparteien, insbesondere Déi Gréng, dürften die Abstimmung über ein Finanzierungsgesetz als reine Formalität ansehen. Doch die Oppositionsparteien werden diese Gelegenheit wohl nutzen, um auch andere Aspekte der Affäre zur Sprache zu bringen, mit denen sich die Umweltministerin unmittelbar auseinandersetzen muss.
Die CSV formulierte auf ihrer Pressekonferenz am Donnerstag schon einen Katalog von zehn « offenen Fragen », zu denen man sich unbedingt Antworten erwarte. « Wir fordern eine lückenlose Aufklärung des SuperDrecksKëscht-Dossiers », sagte der Co-Fraktionschef der CSV, Gilles Roth. Auch Déi Lénk fordern, dass die Politik bei der Aufarbeitung der Affäre « bei Null anfangen » müsse. Der Vertrag sei nicht nur « null und nichtig », sondern auch in anderer Hinsicht problematisch, bemerkte die Oppositionspartei in einer Pressemitteilung.
Doch unabhängig davon dürfte die Debatte über die rechtlichen Gutachten zur « SuperDrecksKëscht » Folgen haben. Einerseits dürfte das Parlament fortan noch genauer auf die Praxis von Finanzierungsgesetzen pochen. Andererseits könnte die Sache aber auch juristisch noch nicht vom Tisch sein. Denn im Fall der « SuperDrecksKëscht » schauen eine Reihe von Konkurrenten der Abfallwirtschaft genau hin, wie sich die Affäre entwickelt. Sollte die Regierung den Weg einer rückwirkenden Regulierung des laufenden Vertrags einschlagen, könnten Akteure aus der Branche dies – nicht zuletzt auf Basis der besagten Gutachten – vor Gericht anfechten.
Wir müssen noch Erfahrungswerte sammeln, wie gut das funktioniert. Eine Anpassung ist nicht ausgeschlossen. »Laurent Scheeck, Generalsekretär des Parlaments
Andererseits wird auch die Rolle des wissenschaftlichen Dienstes des Parlaments wohl noch zu Diskussionen zwischen den Parteien führen. Die erst Ende des vergangenen Jahres geschaffene « Cellule scientifique » war eine langjährige Forderung der Abgeordneten. Ihre unabhängigen wissenschaftlichen Recherchen können – nach dem Vorbild des wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags – einen Beitrag zu einer tiefgründigeren Debatte und zu einer effektiveren parlamentarischen Kontrolle der Exekutive leisten. Wie das aktuelle Beispiel zeigt, haben die Gutachten aber auch das Potenzial, schonungslos auf Missstände in der Gesetzgebung oder der Regierungspraxis hinzuweisen.
Bisher gilt die Praxis, dass jedes Mitglied des Parlaments ein Gutachten des Dienstes anfragen kann. Die Entscheidung darüber, ob die « Cellule scientifique » aktiv wird, liegt jedoch beim Parlamentsvorstand. Eine Kernfrage ist dabei, ob und wann die Gutachten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Schon bei der Schaffung des Dienstes war sich der Generalsekretär des Parlaments, Laurent Scheeck, dabei bewusst: „Wir müssen noch Erfahrungswerte sammeln, wie gut das funktioniert. Eine Anpassung ist nicht ausgeschlossen.“




