Abgeordneter ist in Luxemburg formal kein Vollzeitjob. Deshalb beziehen viele Parlamentarier nebenher noch weiter ihr Gehalt aus dem früheren Beruf. Doch auch Berufspolitiker ohne anderen Job erhalten vom Parlament einen pauschalen Zuschuss zu ihrem Abgeordnetengehalt.

7.500 Euro im Monat, zuzüglich Sitzungsgelder, Fahrtkosten, Familienzulage: Obwohl das Mandat eines Abgeordneten kein Vollzeitjob ist, kann sich die Vergütung eines Volksvertreters durchaus sehen lassen. Zudem können Parlamentarier neben ihrem Mandat ihren Beruf weiter ausüben und weitere Nebeneinkünfte beziehen.

Zum Grundgehalt eines Abgeordneten addieren sich so weitere beträchtliche Einkommen. Wird man etwa als Staats- oder Gemeindebeamter ins Parlament gewählt, stehen einem zwei Drittel des vorherigen Gehalts als « traitement d’attente » bzw. als « pension spéciale » zu. Angestellte aus dem Privatsektor werden im Rahmen des « congé politique » weiter entlohnt, wobei der Staat dem Arbeitgeber das Gehalt plus Sozialabgaben in Höhe von 20 Wochenstunden erstattet.

Für alle anderen Abgeordneten, also vor allem Selbstständige oder Freiberufler, ist zudem ein Pauschalbetrag in Höhe eines doppelten qualifizierten Mindestlohns (aktuell exakt 5.140,78 Euro pro Monat bzw. 61.689,36 Euro pro Jahr) vorgesehen. Der Gehaltsbonus gilt gewissermaßen als Kompensation für den finanziellen Ausfall, den etwa ein Arzt oder Anwalt durch die Ausübung seines parlamentarischen Mandats erfährt.

Gehaltsbonus für Berufspolitiker

Dieser Zuschuss beschränkt sich jedoch nicht nur auf die « indépendants » in der Abgeordnetenkammer. Auch Parlamentarier, die keinen anderen Beruf ausüben und damit faktisch Vollzeitpolitiker sind, erhalten den Zuschuss von über 60.000 Euro im Jahr. Wie REPORTER-Recherchen ergeben, fallen zur Zeit insgesamt 22 Abgeordnete unter diese Kategorie der « Selbstständigen ». Unter ihnen sind mehrere Abgeordnete, die weder Arzt noch Rechtsanwalt oder Unternehmer sind, sondern Berufspolitiker.

Zu Letzteren gehören etwa Gusty Graas (DP), Aly Kaes (CSV), Charles Margue (Déi Gréng), Lydia Mutsch (LSAP), Marco Schank (CSV), Marc Spautz (CSV), Michel Wolter (CSV) oder David Wagner (Déi Lénk), die allesamt außer einem politischen Mandat aktuell keinen Beruf ausüben. Dennoch erhalten sie zusätzlich zu ihrem Abgeordnetengehalt von 7.500 Euro vom Parlament pro Monat die 5.140 Euro. Damit beläuft sich das tatsächliche Gehalt eines Berufspolitikers im Parlament, also ohne Nebenjobs, auf über 12.640 Euro im Monat.

Auch Serge Wilmes (CSV) ist faktisch ein Full-Time-Berufspolitiker. Zudem ist er der einzige dieser Kategorie, der den Gehaltszuschuss der Abgeordnetenkammer von 5.140 Euro pro Monat in seiner « Déclaration d’intérêts financiers » überhaupt als « travail intellectuel indépendant » aufführt. Vor seinem Mandat als Abgeordneter arbeitete er als Mitarbeiter der CSV-Fraktion. „Als Mandatsträger konnte ich nicht gleichzeitig Arbeitgeber und Arbeitnehmer sein“, erklärt er auf Nachfrage von REPORTER, warum er keinen « Congé politique » bezieht.

Mehr oder weniger « indépendant »

Selbst wenn man neben seinem politischen Mandat arbeitslos wäre, gelte man für das Parlament als Selbstständiger, bringt Serge Wilmes das System auf den Punkt. Außer dem CSV-Abgeordneten und Ersten Schöffen der Hauptstadt verschweigen aber eben alle anderen « Selbstständigen » ihren wesentlichen Gehaltszuschuss vom Parlament. Anders als im Fall einer « pension spéciale » und dem früheren Gehalt von Angestellten aus dem Privatsektor, sind die Parlamentarier aber auch nicht ausdrücklich verpflichtet, den Pauschalbetrag in ihrer Erklärung über die finanziellen Interessen anzugeben.

Für die meisten Parlamentarier ist Politik jedoch nicht der einzige Beruf. In die Kategorie der Selbstständigen fallen denn auch wirkliche « indépendants », wie die Unternehmerin Stéphanie Empain (Déi Gréng), der Schauspieler Marc Baum (Déi Lénk), Versicherungsagent Felix Eischen (CSV), Apotheker Marc Hansen (Déi Gréng) oder die Anwälte Laurent Mosar (CSV), Roy Reding (ADR), Carole Hartmann (DP) und Pim Knaff (DP).

Dass der Gehaltszuschuss für die Selbstständigen keinen Bezug zu den wahren Nebenverdiensten der Betroffenen hat, zeigt etwa das Beispiel Sven Clement (Piraten). Der Abgeordnete gibt in seiner Erklärung an, mit seiner Beraterfirma bis zu 50.000 Euro im Jahr zu verdienen. Der Zuschuss, den er vom Parlament als Kompensation erhält, liegt jedoch bereits darüber, eben bei 60.000 Euro pro Jahr.

Clements Parteifreund Marc Goergen gibt Einnahmen als « Conseiller en communication » von unter 10.000 Euro im Jahr an. Seine Werbefirma « Gowe S.à r.l. », an der Goergen zuletzt alle Anteile hielt, meldete Ende 2019 Konkurs an. Dennoch bezieht der Abgeordnete der Piraten laut Parlamentsverwaltung weiter den Kompensationsbetrag für « indépendants » in Höhe über 60.000 Euro pro Jahr.

Die große Fraktion der Staatsbeamten

Neben den Berufspolitikern und Selbstständigen machen die Staatsbeamten die größte Fraktion im Parlament aus. Abgeordnete, die vorher im Öffentlichen Dienst tätig waren, beziehen zwei Drittel ihres entsprechenden Gehaltes vom Staat weiter – sei es als « traitement d’attente » oder eine « pension spéciale ». Das Dienstalter des Abgeordneten wird bei der Berechnung berücksichtigt, sprich das Gehalt steigt über die Jahre an, auch wenn man nicht mehr als Beamter arbeitet. Diese Einkommen müssen auch in der jeweiligen « Déclaration d’intérêts financiers » angegeben werden.

Aktuell fallen 22 Parlamentarier in diese Kategorie. So etwa die früheren Regierungsräte Gilles Roth, Claude Wiseler und Octavie Modert (alle CSV) sowie Francine Closener (LSAP), die allesamt eine Spezialrente in Höhe von bis zu 100.000 Euro deklarieren.

Knapp ein Drittel der Staatsbeamten im Parlament sind Lehrer (André Bauler, Gilles Baum, Frank Colabianchi, Claude Haagen, Martine Hansen, Claude Lamberty, Georges Mischo). Andere arbeiteten etwa beim Rechnungshof (Diane Adehm), bei der BCEE (Marc Lies), als Gemeindebeamte (Yves Cruchten, Georges Engel), Erzieher (Simone Asselborn-Bintz) oder als Kriminologe (Dan Biancalana).

Arbeitnehmer und Rentner in der Minderheit

Dagegen ist die Gruppe der Arbeitnehmer aus dem Privatsektor im Parlament überschaubar. Djuna Bernard (Déi Gréng) oder Paul Galles (CSV) werden etwa weiterhin von ihrem früheren Arbeitgeber bezahlt. Diese Abgeordneten können vom „congé politique“ Gebrauch machen. Das Parlament übernimmt in diesem Fall die Kosten für den Arbeitgeber in Höhe von bis zu 20 Stunden pro Woche. Der vom Staat zurückerstattete Betrag ist jedoch auf 5.140 Euro monatlich gedeckelt.

Léon Gloden (CSV) erhielt früher den Zuschuss für Selbstständige. Mittlerweile hat er trotz seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt bei « Elvinger Hoss Prussen » den Status des Arbeitnehmers und fällt so unter das Statut des « Congé politique ». Er ist der einzige Abgeordnete, der zwar faktisch selbständig ist und dennoch als Arbeitnehmer gilt.

Lediglich die Rentner müssen schließlich nicht offen legen, wie hoch ihre Einnahmen durch ihre Pension ausfallen. Warum? « Weil man durch eine Rente keine versteckte Agenda in seinen politischen Positionen verfolgt », sagt Mars Di Bartolomeo (LSAP).

Auch wenn sie formal nicht als finanzielle Interessen gelten, können die Rentenzahlungen für die Parlamentarier natürlich wesentliche Nebeneinkünfte darstellen. Sowohl Mars Di Bartolomeo als auch Gast Gibéryen (ADR) beziehen eigenen Angaben zufolge nur ein Abgeordnetengehalt und eine Pension. Auf Nachfrage von REPORTER bestätigt Gast Gibéryen, dass seine Pension ihm zwischen 10.000 und 50.000 Euro jährlich einbringt. Bei Mars Di Bartolomeo (LSAP) sind es mehr als 100.000 Euro jährlich – er erhält eine Ministerpension.


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