Wer in Laos krank wird, hat oft ein Problem – vor allem, wenn er in einer abgelegenen Provinz wohnt. Besonders Frauen und Kinder sind von einer schlechten medizinischen Versorgung betroffen. Luxemburgs Entwicklungshilfe kann daran nur bedingt etwas ändern.
Khankeo redet leise auf die Puppe ein. Seine Lippen bewegen sich, seine Stimme ist aber kaum hörbar. Dann schneidet er ein Pflaster, legt es der Puppe auf ihren Plastikbauch und klebt es fest. Wieder neigt er sich zu ihr, sagt etwas, zieht dann die Latexhandschuhe aus – Ende der Übung.
Khankeo ist 17 Jahre alt und macht im « Maria Teresa Hospital » in der Provinz von Vientiane eine Ausbildung zum Krankenpfleger. Hinter ihm stehen seine Mitschülerinnen und die Lehrerin. Alle stehen andächtig da, alle in einer perfekt sitzenden Uniform, alle nicken bei jedem Schritt, den Khankeo macht.
Am Sonntag waren die Schüler Statisten in ihrer eigenen Schule. Der Schule, von der sich die Ministerin für Kooperation und Entwicklungshilfe, Paulette Lenert (LSAP) ein Bild gemacht hat. Die Präsentation der Ausbildungsstätte war genau durchgeplant, der rote Teppich am Eingangsbereich ausgerollt, alle lächelten der Besucherin und ihrer Delegation freundlich zu, alle beteuerten, fleißig in Büchern zu lesen oder Übungen zu machen. Zeigen, was sie können und wie gut – dank der Hilfe aus Luxemburg.
Akute medizinische Unterversorgung
Paulette Lenert ist für einen Arbeitsbesuch nach Laos gereist. Der Besuch des Maria-Teresa-Krankenhauses und der dazugehörigen Schule ist schon fast zu einem Pflichttermin für luxemburgische Delegationen geworden. Die Klinik war das erste Projekt der Luxemburger Agentur für Entwicklungshilfe Lux Development im Laos. Die Struktur befindet sich etwa 80 Kilometer von der Hauptstadt Vientiane entfernt. Sie wurde 2003 eröffnet, 2009 folgte dann der Bau der dazugehörigen Krankenpflegerschule.
„Hier in dieser Gegend war nichts. Keine Häuser, keine Straßen, nichts“, sagt Peter Heimann von Lux Development. Heute ist das Krankenhaus das Vorzeige-Projekt von Luxemburgs Entwicklungshilfe in Laos. Nicht nur, weil es das erste Projekt war, sondern auch, weil es durchaus zu einem Erfolg wurde.
Das medizinische Personal wäre in anderen Ländern sicherlich nicht zugelassen. »Peter Heimann, Lux Development
Die Arbeit, die im Krankenhaus und in der Schule gemacht wird, ist eine wichtige – sie reicht aber noch lange nicht aus. Denn in Laos fehlt es weiterhin an medizinischen Strukturen und an ausgebildetem Personal. Das Land ist unterentwickelt, etwa 30 Prozent der Angestellten in Krankenhäusern sind Freiwillige, viele Menschen sind medizinisch unterversorgt.
Sie leben in abgelegenen Provinzen, sprechen nur ihre eigene Stammessprache, sind nicht mobil, kennen die Schulmedizin nicht oder haben kein Vertrauen in sie. Es bräuchte demnach viele weitere Pfleger wie Khankeo, die den Umgang mit Patienten lernen und allmählich zu einem Wandel der Gesellschaft beitragen.
Lux Development sowie viele andere politische und nicht-politische Akteure versuchen seit Jahren diese dramatische Situation zu ändern. Und haben dafür den Fokus auf die Versorgung von Frauen und Kindern gelegt.
Müttersterblichkeit und Fehlernährung
Denn sie sind diejenigen, die am stärksten verwundbar sind und die größte medizinische Stütze brauchen. Denn eine Geburt birgt Risiken – vor allem, wenn die Frau noch im Teenager-Alter ist und keine medizinische Begleitung hat. In den Provinzen heiraten Mädchen meist früh, werden Mütter wenn sie selbst noch praktisch Kinder sind. Mit 197 Todesfällen auf 100.000 Geburten ist die Müttersterblichkeitsrate deshalb eine der höchsten in der Region.
Die Frau wird schwanger, bringt die Kinder zur Welt, versorgt sie. „Es sind die Mütter und die Großmütter, die sich um die Gesundheit des Kindes und der Familie kümmern“, sagt Tanya Barnfield von der Hilfsorganisation Care. Wenn sie gut versorgt sind, sind es auch ihre Familien.
Dabei ist in Laos rein theoretisch jeder krankenversichert. Das System ist aber von der Regierung unterfinanziert und gilt als anfällig für Korruption. Wer eine Behandlung braucht und nicht auf die Hilfe einer NGO zurückgreifen kann, muss dafür zahlen. Es ist ein Preis, den sich nur die wenigsten leisten können.

Hinzu kommt, dass viele Frauen sich falsch ernähren – und sich das auch auf ihre Kinder auswirkt. Es fehlt ihnen und ihren Familien an wichtigen Nährstoffen und Vitaminen, viele leben in Armut und essen fast ausschließlich Reis.
Die Fehlernährung ist teilweise so schlimm, dass Kinder kognitive und körperliche Einschränkungen davontragen, ihr Körper kann sich durch den Mangel nicht richtig entwickeln. Dass es ein Problem ist, wissen die meisten Betroffenen aber gar nicht – weil sie es nicht anders kennen. Die Probleme der Armut und Unterernährung seien so akut, « wie man sie sonst nur aus Krisengebieten kennt », erklärt Frédéric Haupert von Care Luxemburg den Ernst der Lage.
Ausbildung im Hauruckverfahren
Nachdem sie die Probleme lange ignoriert hatte, versucht die kommunistische Regierung seit einigen Jahren das Gesundheitssystem zu verbessern. Auch, indem sie versucht, dem massiven Mangel an Krankenpflegern und Hebammen entgegenzuwirken. Mit dem Resultat, dass die Ausbildungsplätze im Gesundheitsbereich zu einem Großteil an privilegierte Familienmitglieder von Anhängern des Regimes gehen und die Ausbildung im Eilverfahren abgeschlossen wird. Auch hier gilt: Wer sonst noch einen Ausbildungsplatz will, muss zahlen.
Unter der oft oberflächlichen Ausbildung leidet am Ende der Patient: „Das medizinische Personal wäre in anderen Ländern sicherlich nicht zugelassen“, sagt auch Peter Heimann von Lux Development. Den Fachkräften fehlt die nötige Praxis, der Kontakt zum Menschen – für die Laoten muss es aber reichen, wenn es nach der Regierung geht. Ob sie den Patienten die Notwendigkeit der Medizin näher bringen können, ist fraglich.
Nur wenn die Einwohner den Effekt einer Behandlung oder Beratung direkt vor Augen haben, verstehen sie, was es ihnen bringt. »Tanya Barnfield, Hilfsorganisation Care
Hilfsorganisationen versuchen dieses Defizit an ihren Schulen auszugleichen. So wie in der Schule des Maria-Teresa-Krankenhauses. Dort erhalten junge Pfleger und Hebammen Stipendien und werden so ausgebildet, dass sie später im Krankenhaus oder in kleinen abgelegenen Dörfern helfen können. Ihre Ausbildung dauert mehrere Semester, sie lernen die offizielle Sprache Lao, bekommen eine fachliche Ausbildung und lernen, mit Hilfsbedürftigen umzugehen.
In den Dörfern helfen auch die Organisationen selbst mit, damit die Menschen Vertrauen in die lokalen Pfleger gewinnen. Bis dieses Vertrauen aber steht, braucht es Zeit. „Nur wenn die Einwohner den Effekt einer Behandlung oder Beratung direkt vor Augen haben, verstehen sie, was es ihnen bringt“, sagt Tanya Barnfield von der Hilfsorganisation Care. Das sei vor Jahren so gewesen und auch heute immer noch schwierig.
Als Krankenpfleger wird Khankeo später nicht viel verdienen – der Beruf zählt als einer der am schlechtesten bezahlten im Laos. Er scheint trotzdem froh über seinen Ausbildungsplatz. Den richtigen, ruhigen Umgang mit dem Patienten scheint er schon mal zu beherrschen. Auch für den Fall, wenn ihm nicht zufällig hoher Besuch aus dem fernen Luxemburg über die Schulter schaut.
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