Seit Monaten sucht das Wirtschaftsministerium nach einer Ausgleichsfläche für den Joghurtkonzern Fage. Jetzt hat die Suche ein Ende: Zwei Parzellen in der Bettemburger Industriezone Wolser sollen zur Grünzone umklassiert werden. Darüber entscheidet letztlich aber die Gemeinde.
Seit bald drei Jahren nun gehört dem Joghurtproduzenten Fage ein 15 Hektar großes Grundstück in der Bettemburger Industriezone „Wolser“. 26,6 Millionen Euro hat der vormals griechische Konzern dem luxemburgischen Staat dafür gezahlt. Doch seit Monaten stehen die Vorbereitung zum Bau der geplanten Fabrik still. Auf dem Gelände wuchert die Natur vor sich hin. Nichts deutet darauf hin, dass hier eine der weltweit größten Joghurt-Produktionsstätten entstehen soll.
Bis heute hat Fage noch nicht alle Etappen zur Erhaltung der Baugenehmigung durchlaufen. Das größte Hindernis: die strategische Umweltprüfung. Auf dem Gelände nisten geschützte Vogelarten, darunter Schwarzmilane und Feldlerchen. Für sie müssen umfassende Ausgleichsmaßnahmen geschaffen werden, bevor Fage überhaupt mit dem Bau beginnen darf. Nach langer Suche und Uneinigkeit innerhalb der Regierung scheint nun eine passende Ausgleichsfläche gefunden zu sein.
Wirtschaftsministerium bittet um Umklassierung
Es ist jedoch nicht das Molkerei-Unternehmen, das mit einer Lösung aufwarten konnte. Obwohl das Grundstück in der Industriezone im Besitz des Konzerns ist, hat sich das Wirtschaftsministerium mit der Suche nach der Ausgleichsfläche befasst. Das sagte Etienne Schneider (LSAP) dem parlamentarischen Wirtschaftsausschuss bereits vor einem Jahr.
Laut der Naturverwaltung handelt es sich hierbei um ein ungewöhnliches Vorgehen. Auch der grüne Koalitionspartner kritisiert, dass sich Schneiders Ministerium derartig in den Dienst des Betriebs stellt. Die Niederlassung Fages in Luxemburg entzweit Etienne Schneider und Carole Dieschbourg schon lange. Während die Umweltministerin unter anderem den hohen Wasserverbrauch der zukünftigen Fabrik kritisiert, setzt sich Schneider vehement für Fage ein – teils mit nachweislich falschen Argumenten.
Laut Naturverwaltung schlug das Wirtschaftsministerium in den vergangenen Monaten mehrmals Flächen vor. Doch nicht jede Fläche kommt in Frage. Der Grund: Nicht jedes Grundstück kann als Ausgleichsfläche genutzt werden. Das Areal muss in unmittelbarer Nähe der Industriezone liegen, damit die geschützten Arten dorthin ausweichen können. Zudem darf die Ausgleichsfläche nicht in einer Gewerbezone liegen.
Nun scheint das Wirtschaftsministerium eine Lösung gefunden zu haben: Schon im vergangenen November ging ein offizieller Brief des Wirtschaftsministeriums in der Gemeinde Bettemburg ein. Darin bittet ein hoher Beamter die Gemeinde darum, zwei Flächen als Grünzone zu klassieren. Und erklärt sogar, wie die kommunale Verwaltung dazu vorgehen muss.
Die beiden Parzellen liegen in der Gewerbezone Wolser. Sie grenzen fast direkt an das Fage-Gelände. Sowohl der Bettemburger Bürgermeister Laurent Zeimet (CSV) als auch das Wirtschaftsministerium bestätigen dies auf Nachfrage von REPORTER.
Passende Ausgleichsflächen in Bettemburg gefunden
Dass das Wirtschaftsministerium ausgerechnet in der Wolser Industriezone auf einmal zwei Grünzonen schaffen will, lässt aufhorchen. Dem Staat gehören ohnehin kaum noch Industrieflächen, wieso also freiwillig auf Grundstücke verzichten?
Laut Laurent Zeimet sind die Grundstücke aufgrund der schützenswerten Biotope ohnehin für den Staat „kaum noch von Interesse“. Denn was für Fage gilt, ist auch für andere Betriebe der Fall, die sich in der Industriezone niederlassen müssen. Auch sie müssen strenge Naturschutzauflagen einhalten und Ausgleichsmaßnahmen vorsehen. Kein gutes Argument, um Betriebe anzulocken.
Als Grund für die Umklassierung gibt das Wirtschaftsministerium im Brief an, die Flächen könnten lediglich als Kompensationsfläche genutzt werden. Obwohl nicht angeführt ist, für wen die Ausgleichsfläche dienen soll, ist offensichtlich: Es geht um den Bau der Fabrik von Fage. Das bestätigt das Wirtschaftsministerium auf Nachfrage, betont aber, dass auch andere Betriebe der Wolser-Zone eine Kompensationsfläche bräuchten. „Die Kompensationsmaßnahmen sind für die ganze Industriezone Wolser gedacht“, so Schneiders Sprecher. Der Abfallbetrieb „Lamesch“ etwa wird dieses Jahr ausgebaut und müsse ebenfalls Ausgleichsmaßnahmen vornehmen.
Es scheint also, als könne das Wirtschaftsministerium das Versprechen an Fage bald einlösen. Mit der Auswahl einer passenden Ausgleichsfläche ist eine wichtige Etappe im Bau der Produktionsstätte beschritten. Es sei denn, der Bettemburger Gemeinderat stimmt gegen die Umklassierung der Parzellen.
Umklassierung bloß Formalität?
Das hält Schneiders Pressesprecher allerdings für unwahrscheinlich. In der Regel gilt die Rückklassierung einer Industriezone als reine Formalität. Auch im Brief an die Gemeinde Bettemburg schreibt das Wirtschaftsministerium vorsorglich, dass nichts dagegen spreche, dass der Gemeinderat der Umklassierung zustimme.
Diese Zuversicht spiegelt sich auch in der Antwort Etienne Schneiders auf eine parlamentarische Anfrage der Abgeordneten (und Bettemburger Schöffin) Josée Lorsché (Déi Gréng) wider. „La procédure en matière d’autorisation d’exploitation dite ‚commodo-incommodo‘ devrait pouvoir être lancée sous peu“, schrieb der Minister im Dezember 2018 – also einen Monat nachdem die Anfrage zur Umklassierung in Bettemburg einging.
In der Bettemburger Koalition aus CSV, Déi Gréng und DP stehen allerdings zwei Parteien dem Fage-Projekt kritisch gegenüber. Sowohl Grüne als auch die CSV haben sich immer wieder gegen die Ansiedlung des Konzernes ausgesprochen. Bürgermeister Laurent Zeimet selbst ist ebenfalls gegen das Projekt. Im Interview mit „RTL“ begründete der frühere CSV-Abgeordnete diese Haltung mit einer Reihe von anderen laufenden Großprojekten, die die Gemeinde bereits jetzt vor Herausforderungen, etwa bei der nötigen Infrastruktur, stellen würde.
Weitere Verzögerung wahrscheinlich
Ob es sich bei der Umklassierung tatsächlich nur um eine Formalität handelt, ist noch nicht ausgemacht. Bei der letztlichen Entscheidung werden wohl auch parteipolitische Erwägungen eine Rolle spielen. Laurent Zeimet wollte sich auf Nachfrage jedoch nicht eindeutig auf eine Antwort auf das Ersuchen des Wirtschaftsministeriums festlegen.
Die Abstimmung im Gemeinderat kann überhaupt erst erfolgen, wenn der Allgemeine Bebauungsplan (PAG) der Gemeinde Bettemburg vom Innenministerium genehmigt wurde. Letztes Jahr hat Bettemburg den Plan für die zukünftige Nutzung des Gemeindegeländes eingereicht, um ihn in Einklang mit dem Gesetz über die kommunale Entwicklung zu bringen. Bis die Genehmigung vorliegt, können keine Änderungen am PAG vorgenommen werden.
Ob das Projekt Joghurtfabrik in Bettemburg nicht also doch irgendwann im „prozeduralen Nirwana“ (Zeimet) landen wird, bleibt offen. Fage hat seinerseits übrigens seit fast zwei Jahren nichts mehr unternommen, um den Bau der Fabrik voranzutreiben. Die Naturverwaltung wartete bisher vergeblich auf die zusätzlichen Studien, die sie 2017 vom Joghurtkonzern angefordert hatte.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikels stand, dass vier Parzellen umklassiert werden sollen. Es handelt sich tatsächlich um zwei Parzellen. Diese liegen innerhalb der Industriezone „Wolser“ und sollen von einer Gewerbezone zu einer Grünzone umklassiert werden. Zwei weitere Flächen sind bereits als Grünzone klassiert. Zusammen bilden die Parzellen eine Gesamtfläche, die als Ausgleichsfläche für die gesamte Industriezone „Wolser“ dienen soll, und somit auch für die Baufläche der Fabrik von „Fage“.
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