Plastikmüll kann in Luxemburg nicht recycelt werden – der Abfall wird in die Nachbarländer verkauft. Firmen, die recycelten Kunststoff verwerten, müssen diesen wiederum in den Nachbarländern einkaufen. Über ein Paradox mit vielfältigen Ursachen.

Ob leere Cola-Flaschen, Joghurtbecher, oder Chips-Tüten: Luxemburg produziert viel Plastikmüll. 2015 etwa waren es laut Eurostat rund 52 Kilogramm pro Kopf. Damit die Kunststoffabfälle nicht integral auf der Mülldeponie landen und in die Umwelt sickern, gibt es die Firma „Valorlux“. Sie steckt hinter den blauen Mülltüten, in die wir etwa unsere leeren Shampoo-Behälter oder Plastikflaschen werfen.

Doch was passiert mit meiner Shampoo-Flasche, nachdem sie im blauen Sack gelandet ist? Wer diese Frage verfolgt, merkt schnell: Das Luxemburger Abfallsystem ist nicht so effizient, wie es den Anschein hat. Bis die Shampoo-Flasche alle Verwertungsschritte durchlaufen hat und zu einem neuen Produkt verarbeitet wird, ist es ein langer Weg. Dieser führt über die eigenen Landesgrenzen hinaus. Recycelt wird der Plastikabfall nämlich nicht in Luxemburg.

Recycelt wird im Ausland

Über 14.000 Tonnen Plastikmüll exportierte Luxemburg vergangenes Jahr ins Ausland. Das geht aus der internationalen UN-Handelsdatenbank (Comtrade) hervor. Der Handelswert lag bei fünf Millionen US-Dollar. „Nur ein minimaler Teil der Kunststoffabfälle bleibt tatsächlich in Luxemburg“, bestätigt der Direktor der Luxemburger Umweltverwaltung, Robert Schmit.

Dass das Großherzogtum seine Kunststoffabfälle exportiert, liegt vor allem daran, dass Plastik in Luxemburg gar nicht recycelt werden kann. Eine entsprechende Anlage fehlt. Laut Schmit würde nicht genug produziert und eingesammelt werden, damit sich eine solche Installation lohne. „Um rentabel zu sein, bräuchten wir 10.000 bis 20.000 Tonnen Plastik“

2016 wurden in Luxemburg rund 23.000 Tonnen separat eingesammelt. „Doch Plastik ist nicht gleich Plastik“, warnt Robert Schmit. Der Kunststoff muss eine gewisse Qualität haben. Nicht jede Sorte lässt sich verwerten. Ohne Anlage aber ist das Geschäft mit dem Plastik ebenfalls potentiell defizitär.

Warum nicht jede Plastiksorte zum Recycling geeignet und mancher Bio-Plastik nicht bio ist, lesen Sie hier: Plastik ist nicht gleich Plastik

Bestenfalls kriegt man überhaupt etwas für die Abfälle, schlimmstenfalls muss man draufzahlen.“Robert Schmit, Direktor der Umweltverwaltung

So wird die Shampoo-Flasche von Valorlux oder dessen Dienstleistern lediglich eingesammelt, von anderen Abfällen gesondert, und dann zu Ballen gepresst. „Dabei müssen wir gewisse Qualitätsstandards einhalten“, erklärt Tobias Wilhelm von „Hein Déchets“. Die Firma kümmert sich um die Sortierung und Verarbeitung der Valorlux-Abfälle. Helle PET-Abfälle sind zum Beispiel mehr wert als dunkle. Für Kunststoffe, aus denen neue Lebensmittelbehälter entstehen sollen, gelten strengere Regeln.

Aus dem Ausland wieder nach Luxemburg?

Die gepressten Plastik-Paletten gehen an rund acht verschiedene Recyclingbetriebe im benachbarten Ausland, wie aus dem Jahresbericht von Valorlux hervorgeht. PET-Flaschen etwa werden in Frankreich geschreddert. PEHD-Behälter, wie die Shampoo-Flasche, gehen nach Trier und Lünen in Deutschland.

Profit springt damit aber nicht heraus. Laut Valorlux reichen die Verkaufseinkünfte keineswegs, um die Sammlungs- und Sortierungskosten zu decken. Hinzu kommt, dass die Preise stark schwanken. Sie richten sich nämlich nach den Ölpreisen. „Bestenfalls kriegt man überhaupt etwas für die Abfälle, schlimmstenfalls muss man draufzahlen“, sagt auch der Direktor der Umweltverwaltung. Sind die Ölpreise niedrig, lässt sich mit recyceltem Plastik kaum Geld verdienen. Dann ist die Produktion von neuen Kunststoffen deutlich billiger, als die Aufbereitung von Abfällen.

Einmal im Ausland verarbeitet, könnte es jedoch sein, dass meine Flasche in Luxemburg wieder zum Einsatz kommt. Das meint jedenfalls die Umweltverwaltung. In der Tat gibt es in Luxemburg verschiedene Firmen, die recyceltem Plastikmüll neues Leben einhauchen. Die Umweltverwaltung verweist etwa auf die Firmen „Granulux“ und „Plastikpak“. Aus dem Gespräch mit diesen Firmen geht aber hervor: Die in Luxemburg weggeworfenen Plastikprodukte kommen dort mit großer Wahrscheinlichkeit nicht zum Einsatz.

„Der Markt reicht nicht aus“

Die Firma Granulux stellt Kabelschutzrohre aus Polyethylen her. Sie greift zu rund 75 Prozent auf recycelten Kunststoff zurück. Nur ein minimaler Teil davon kommt jedoch aus Luxemburg, bestätigt der Geschäftsführer Patric Michelis im Gespräch mit REPORTER. Dabei handelt es sich um alte Rohre von hiesigen Baustellen sowie um Mülltüten, die Granulux von Partnergemeinden bekommt. Den Großteil aber kauft Michelis im Ausland ein – allerdings nicht bei den Recyclingbetrieben, mit denen etwa Valorlux zusammenarbeitet.

„Wir bekommen die Produktabfälle von großen Firmengruppen, wie etwa L’Oreal oder Henckel. Das sind zum Beispiel fehlerhafte Flaschen, die direkt vor Ort gemahlen und gepresst werden. Bei uns kommen sie dann in Form von riesigen Paletten an“, erläutert der Geschäftsführer. Rund 600 bis 800 Euro pro Tonne kostet das Rohmaterial.

Auch die Firma „Plastikpak-LUXPET“, die alte PET-Flaschen zu Neuen verarbeitet, sieht im hiesigen Markt wenig Potential. „Wir sind eine multinationale Firma. Es gibt in Luxemburg keinen Markt. Wir brauchen schließlich enorme Quantitäten“, erklärt ein Sprecher am Telefon.

Keine eierlegende Wollmilchsau

Von Kreislaufwirtschaft kann demnach keine Rede sein. Robert Schmit ist sich der paradoxen Situation bewusst. Man spiele mit dem Gedanken, ein grenzübergreifendes Projekt zu starten, so der Direktor der Umweltverwaltung. Eine Recyclinganlage für die ganze Großregion sei das Ziel. So könne eine ausreichende Menge zusammenkommen, damit sich das Unterfangen wirtschaftlich lohnt. Gespräche mit politischen Vertretern in der Großregion laufen bereits.

Ob das Plastik-Paradox mit einer eigenen Recyclinganlage gelöst wäre, ist jedoch nicht ausgemacht. Es stellt sich etwa die Frage der Umsetzbarkeit und der Standards. In Deutschland gelten zum Beispiel lockerere Regeln in punkto Mülltrennung als in Luxemburg.

Als wir in den 1980er Jahren damit angefangen haben recyceltes Material zu verwenden, haben die anderen gelacht, wir würden Rohre aus ‚Dreck‘ herstellen.“Patrick Michelis, Granulux

Zudem wird eine Anlage kaum ausreichen, um die vielen verschiedenen Kunststoffabfälle zu verwerten, die zum Beispiel im blauen Sack zusammenkommen. „Abfallwirtschaft ist eine sehr arbeitsteilige Branche“, erklärt Tobias Wilhelm von „Hein Déchets“. Um mit einer Maschine verschiedene Abfallsorten verwerten zu können, bräuchte man schon eine „eierlegende Wollmilchsau.“ Dass Valorlux die Plastikabfälle an so viele verschiedene Firmen abgibt, liegt folglich auch daran, dass es für die verschiedenen Kunststoffe jeweils anderer Verarbeitungs-und Recycling-Technologien bedarf.

Ein Umdenken findet längst statt

Praktischer dürfte es demnach sein, enger mit jenen Betrieben zusammenzuarbeiten, die auf recycelte Plastikmaterialien zurückgreifen. Dass es da noch Nachholbedarf gibt, zeigt etwa das Beispiel Granulux. Auf die Frage, wieso man nicht direkt mit Valorlux zusammenarbeite, antwortet Patric Michelis von Granulux, dass die Firma kein Polyethylen trenne. Tobias Wilhelm, dessen Unternehmen für die Sortierung der Valorlux-Abfälle zuständig ist, ist über diese Aussage jedoch verwundert. „Hein Déchets“ trennt nämlich sehr wohl Polyethylen-Flaschen und presst sie in Flocken.

Aktuell arbeitet Valorlux eigenen Angaben zufolge lediglich mit zwei nationalen Firmen zusammen. Auch ohne eigene Recyclinganlage gibt es demnach noch viel Spielraum, um das luxemburgische System effizienter zu gestalten. Zur Zeit versucht die Umweltverwaltung mit hiesigen Produzenten zusammenzuarbeiten und neue Synergien zu schaffen. Dieses Ziel ist auch im nationalen Umweltplan vermerkt.

Dass die Verwertungsanlagen im Ausland stehen, wäre allerdings eine Hürde. Dass die luxemburgischen Firmen so langsam ein Bewusstsein für Kreislaufwirtschaft und Revalorisierung entwickeln, gebe jedoch neue Anstöße. Wie Patric Michels betont: „Als wir in den 1980er Jahren damit angefangen haben recyceltes Material zu verwenden, haben die anderen gelacht, wir würden Rohre aus ‚Dreck‘ herstellen. Heute findet ein Umdenken statt.“

Die ordentlich, getrennt entsorgte Shampoo-Flasche könnte also – einmal gepresst, geschreddert und recycelt – eines Tages durchaus in Luxemburg zu einem neuen Produkt verarbeitet werden. Es fehlt bloß noch die entsprechende Strategie.


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