Rund die Hälfte der Bevölkerung braucht sie. Tampons und Binden helfen Millionen Frauen über die Periode hinweg. Doch nicht nur verschmutzen die kleinen Helfer die Umwelt, sondern sie schaden auch noch der Gesundheit.
Fast jede Frau braucht sie früher oder später im Leben. Kommt die Menstruation, sind Tampons, Binden und Co. ein wahrer Segen. Einmal benutzt, landen sie im Müll. Oder sie werden schnell und einfach die Toilette hinuntergespült.
Eine Frau verbraucht in ihrem Leben rund 12.000 davon. Kostenpunkt: Etwa 7.000 Euro. Für viele Frauen ist das eine große finanzielle Bürde. Doch das ist nicht das einzige Problem. Die kleinen Helfer schaden auch der Umwelt. Sie gehören zu den zehn Abfallprodukten, die die Meere am meisten verschmutzen.
Denn Pads, Binden und Tampons bestehen bis zu 90 Prozent aus Plastik. Sie können hunderte Jahre überdauern, bevor sie sich zersetzen. Recycelt wird kaum. „Tampons, Binden und Co. schaden der Umwelt erheblich“, warnt Larissa Copello von „Zero Waste Europe“.
Die Periode wird damit zur „Umweltsünde“, die auch noch der Gesundheit schadet.
Mangelhafte Aufklärung
Die Reise eines Tampons endet nicht auf dem Boden der Toilette oder des Mülleimers, sondern vielmehr auf einer Mülldeponie oder im Magen eines Meeresvogels oder Fisches. Das weiß auch die EU-Abgeordnete Tilly Metz (déi Gréng): „Wenn wir ein Tampon die Toilette herunterspülen, gelangt es erst in unsere Flüsse und dann in die Meere. Oder es verstopft unsere Kläranlagen.“
Am liebsten will man sein Tampon oder seine Binde ganz schnell wieder loswerden und nichts damit zu tun haben“Tilly Metz
Das Problem dabei ist, dass noch viele Mädchen und Frauen sich dessen nicht bewusst sind. Es mangelt an Aufklärung- und Sensibilisierungsmaßnahmen, bedauert Tilly Metz. Sie sitzt im Umweltausschuss des EU-Parlaments und hat vor kurzem einen Text mitgestimmt, der schärfere Regeln im Umgang mit Einwegplastik festlegt.
Metz kritisiert, die Periode der Frau sei immer noch ein Tabuthema. Und das obwohl die Hälfte der Bevölkerung einmal im Monat ihre Tage hat. „Am liebsten will man sein Tampon oder seine Binde ganz schnell wieder loswerden und nichts damit zu tun haben“, bedauert die grüne Abgeordnete. Fatima Rougi, Sekretärin des Verwaltungsrats von „Planning Familial“, hat ähnliche Erfahrungen gemacht: „Die Frauen wollen am liebsten so wenig wie möglich darüber reden.“
So wird die Frage nach dem verantwortungsbewussten Umgang mit dem Hygieneartikel gar nicht erst gestellt.
Gefährliche Chemikalien
Doch das ist nicht das einzige Problem dieser Einwegartikel, warnt Larissa Copello von „Zero Waste Europe“. Die Produkte enthalten zudem Chemikalien, die der Gesundheit der Frauen schaden können. Etwa den Weichmacher Bisphenol (A) oder sogenannte endokrine Disruptoren. Dabei handelt es sich um Substanzen, die den Hormonhaushalt beeinflussen und zum Beispiel die Bildung von Tumoren begünstigen können.
Die Produkte sind ein Desaster für die Frauen und die Umwelt. Sie verschmutzen den Körper und sie verschmutzen den Planeten.“Fatima Rougi, Planning Familial
Da die Tampons und Binden direkt an die Schleimhaut geraten, können die Schadstoffe leicht in den Organismus gelangen. Schon länger will die EU-Kommission eine Strategie vorstellen, die den Einsatz von endokrinen Disruptoren regeln soll. Doch Brüssel hat noch immer keinen Text vorgelegt. Erst im Juli drängte Umweltministerin Dieschbourg in einem Schreiben an die EU-Kommission auf schnelleres Handeln. Bis jetzt hat die Kommissioun nicht reagiert.
Zudem schaden die Produkte der vaginalen Flora, warnt Fatima Rougi. „Besonders Tampons trocknen die Flora komplett aus.“ Die Produkte greifen also direkt in den Organismus ein. „Die Produkte sind ein Desaster für die Frauen und die Umwelt. Sie verschmutzen den Körper, und sie verschmutzen den Planeten.“
Zur Zeit können die Frauen nicht einmal genau wissen, was sich alles an Schadstoffen in ihren Hygieneartikeln befindet, denn es herrscht keine Kennzeichnungspflicht. „Wir haben einen gewissen Verdacht, aber die genaue Zusammenstellung einer Binde oder eines Tampons kennen wir nicht. Bei jedem Lebensmittel oder Getränk muss drauf stehen, was drin ist, aber hier nicht. Dabei berühren die Produkte die sensibelsten Zonen des Körpers“, bedauert Fatima Rougi.
Industrie macht Druck
Eigentlich hätte die Kommission bereits eine gute Gelegenheit gehabt, das Tampon-Problem anzugehen. Denn im Mai schlug sie im Rahmen ihrer Plastik-Strategie eine Richtlinie über den Umgang mit Einwegkunststoffen vor.
Denn wie sollen die Menschen auf Alternativen umsteigen, wenn sie keinen Zugang dazu haben?“Larissa Copello, Zero Waste Europe
Die Richtlinie, die letzten Mittwoch (24. Oktober) im EU-Parlament gestimmt wurde, enthält eine Reihe an Maßnahmen, um den Gebrauch von Wegwerfartikeln aus Plastik zu regulieren oder gar ganz zu verbieten. Der Text konzentriert sich auf die zehn Plastikartikel, die am häufigsten an den Stränden angespült werden und nimmt auch die Hersteller vermehrt in die Pflicht. Sie müssen sich an den Kosten für die Abfallbeseitigung beteiligen.
Und da liegt die Crux. Denn obwohl Tampons, Binden und Co. an fünfter Stelle stehen, wurden sie stellenweise aus dem Entwurf der Kommission gestrichen, wie die Nachrichtenplattform „Politico“ vor wenigen Wochen meldete. Demnach hätten die Hersteller gedroht, die zusätzlichen Kosten an die Kundinnen weiterzugeben. Da die Hygieneartikel ohnehin schon für viele Frauen eine hohe Belastung darstellen und dies auch in der Öffentlichkeit kritisiert wird, sah die EU-Kommission laut „Politico“ davon ab, die Hersteller in die Pflicht zu nehmen.
Auf Nachfrage verweist die Kommission auf eine Impaktstudie, die gezeigt habe, dass eine Herstellerbeteilung bei den Hygieneprodukten kaum Auswirkungen auf die Verschmutzung der Meere habe. Demnach habe man sich auf andere Einwegartikel wie Zigarettenfilter, Luftballons und Getränkebecher konzentriert. Die Abgeordnete und Berichterstatterin des Textes im EU-Parlament Frédérique Ries (ALDE) jedoch betonte ihrerseits in einer Pressekonferenz am 24. Oktober, das Parlament für seinen Teil habe sich aufgrund der sozialen Konsequenzen für Frauen gegen eine Wiedereinführung der Herstellerbeteiligung entschieden.
Der Text, der nun im Parlament gestimmt wurde, sieht lediglich Sensibilisierungsmaßnahmen und Kennzeichnungsvorgaben für die Hygieneprodukte vor. So wissen die Frauen aber wenigstens bald, welche Schadstoffe sich möglicherweise in den Artikeln befinden.
Alternativen fördern
Für Tilly Metz, die als Mitglied des Umweltausschusses mit dem Text betraut war, sind Verbote und Preiserhöhungen ohnehin nicht der richtige Weg das Tampon-Problem zu beheben. Sie pocht auf eine vermehrte Sensibilisierung: „Es gibt Alternativen und die Frauen müssen darauf aufmerksam gemacht werden – auch von den Produzenten.“
Zu den Alternativen gehören zum Beispiel wiederverwendbare Pads, spezielle Unterhosen, und Menstruationstassen. Sie alle sind zwar teurer in der Anschaffung, sind aber dank ihrer größeren Lebensspanne auf lange Sicht deutlich preiswerter als konventionelle Tampons und Binden. Menstruationstassen zum Beispiel kosten um die 15 bis 30 Euro und halten ungefähr zehn Jahre.
„Wenn Frauen darüber nachdenken, wie sehr die Produkte die Umwelt belasten und darüber hinaus noch der Gesundheit schaden, dann überlegen sie bei der nächsten Periode vielleicht zwei Mal zu welchem Mittel sie greifen.“Tilly Metz
Auch der Planning Familial setzt sich dafür ein, die Menstruationstassen bekannter zu machen. „Wir arbeiten viel mit Frauen, die kein großes Budget haben, und die Tassen sind eine preiswertere Alternative“, so Fatima Rougi. Zudem seien diese Tassen meist aus medizinischem Silikon und so deutlich ungefährlicher für die Frauen.
„Doch um die Tassen zu benutzen, muss man sich in seinem Körper wohlfühlen. Denn es ist natürlich deutlich einfacher, eine Binde zu benutzen als eine Menstruationstasse einzuführen“, gibt Rougi zu bedenken. Demnach scheint es: Nur wenn das Thema Menstruation enttabuisiert wird, werden Frauen vermehrt zu solchen Alternativen greifen. Fatima Rougi beobachtet aber einen kleinen Wandel: „Die Frauen fangen an, mehr darüber zu reden. Und das ist ein erster kleiner Schritt.“
Geschäfte mit ins Boot kriegen
Doch viele Frauen kennen die genannten Alternativen nicht einmal, oder wissen nicht wo sie erhältlich sind, bedauert Larissa Copello von Zero Waste Europe. „In den Supermärkten sucht man solche Produkte in vielen Ländern vergebens. Da muss man schon in spezialisierte Geschäfte gehen.“ Zero Waste Europe hat sich gemeinsam mit weiteren NGOs dafür eingesetzt, dass die Problematik der Frauen-Hygieneartikel in der Richtlinie der EU-Kommission erwähnt wird. „Denn wie sollen die Menschen auf Alternativen umsteigen, wenn sie keinen Zugang dazu haben“, fragt Copello.
In Luxemburg sind Menstruationstassen inzwischen in Apotheken oder Bioläden wie „Naturata“ erhältlich. Aber auch die Supermarktkette „Cactus“ führt seit einem Jahr Menstruationstassen, freut sich Fatima Rougi. Vor drei Jahren sei das noch nicht so gewesen. „Als ich damals nach einer Tasse suchte, schauten mich die Apotheker an als sei ich eine Außerirdische“, erinnert sich das Mitglied des Verwaltungsrats des „Planning Familial“.
Für Tilly Metz ist es wichtig, „die großen Geschäfte mit ins Boot zu kriegen.“ Tampons und Binden seien zwar praktisch. „Doch wenn Frauen darüber nachdenken, wie sehr die Produkte die Umwelt belasten und darüber hinaus noch der Gesundheit schaden, dann überlegen sie bei der nächsten Periode vielleicht zwei Mal zu welchem Mittel sie greifen.“
Es ist noch ein langer Weg, bis die Alternativen zum Mainstream werden. Damit bleibt die Periode vorerst ein Umweltproblem.