Wer sein Geschlecht anpassen will, hat auch in Luxemburg die Möglichkeit dazu. Die Gesundheitskasse übernimmt die Kosten. Eigentlich eine gute Sache. Doch fühlen sich manche Betroffene häufig schlecht betreut. Zwei Eltern berichten über ihre Erfahrungen – und die ihrer Kinder.
Als Mädchen geboren, aber im Herzen ein Junge: Wenn Kinder merken, dass sie im „falschen“ Körper geboren werden, können sie das ändern – durch Operationen und Hormonbehandlungen. Die Prozeduren sind allerdings lang und können die betroffenen Familien auf eine harte Probe stellen.
„Mein Sohn wollte sich mit acht Jahren die Pulsadern aufschneiden“, sagt eine Mutter, die nicht namentlich genannt werden will. „Er hat sich immer wieder selbst verletzt“, erzählt die Frau im Gespräch mit REPORTER. Ihr Sohn, der früher ein Mädchen war, hat sich bis heute nicht als Trans-Person geoutet.
Mit etwa zehn Jahren dann traute sich ihr Sohn, ihr schließlich zu sagen, dass er als Junge und nicht als Mädchen leben will. „Es machte plötzlich alles Sinn“, sagt sie. Das Mädchen wollte sich immer eher wie ein Junge kleiden, hätte die Haare am liebsten raspelkurz getragen. Die Mutter erlaubte zumindest eine Haarlänge bis zu den Ohren. „Er war nie wirklich ein Mädchen“ erinnert sie sich heute.
Ausweichen ins Ausland
Für die Eltern war es schließlich fast schon eine Erleichterung, zu verstehen, was in ihrem Kind vorgeht und was es sich wünscht. Die Mutter wollte ihm dabei helfen, ein Junge zu werden. „Doch für Trans-Kinder ist es schwer in Luxemburg“, sagt sie. Eine Ärztin habe ihrem Kind keine Hormonblocker während der Pubertät verschreiben wollen. Sie kenne sich damit nicht aus – dabei wurde die Ärztin der Familie als Expertin empfohlen.
Die Familie ging also für eine Behandlung nach Münster in Deutschland. „Doch dann meldete sich die Ärztin aus Luxemburg nach ein paar Wochen mit einem Brief. Wir könnten uns jederzeit für eine Weiterbehandlung und für Beobachtungen wieder bei ihr melden. Wir fühlten uns wie ihre Versuchskaninchen.“
Präparate zu stark und zu teuer
Ist ein Kind transgender, kann die Pubertät bei ihm durch Hormonpräparate gestoppt werden. So entwickelt ein Mädchen beispielsweise keine Brüste und bekommt keine Regelblutung. Danach bekommt der Teenager dann beispielsweise Testosteron, damit unter anderem die Stimme tiefer wird und die Körperbehaarung aktiviert wird. In Münster wurde dem Mädchen allerdings ein Präparat verschrieben, das die CNS in Luxemburg für die Behandlung nicht gestattet. Das Mädchen wurde nach anderthalb Jahren zum Contrôle Médical zitiert.
Natürlich wissen wir, dass es sich um starke Medikamente handelt – wir geben unserem Kind die ja nicht aus Spaß.“
„Zunächst wollten sie meinen Mann nicht mit uns ins Sprechstunden-Zimmer lassen“, erzählt die Mutter. „Und dann wurden wir gefragt, ob wir uns bewusst sind, dass das Präparat viel zu teuer und zu stark ist.“ Ob sie wisse, was sie ihrem Kind da eigentlich antue, habe der Arzt gefragt.
Unangenehme bis unnötige Fragen
Dabei fühlte sich die Familie in Münster gut betreut – sowohl von den Endokrinologen als auch von den Psychiatern und Therapeuten. „Natürlich wissen wir, dass es sich um starke Medikamente handelt – wir geben unserem Kind die ja nicht aus Spaß“, so die Mutter.
Sie sagt, das sei allerdings erst der Anfang eines schwierigen Gesprächs beim Contrôle Médical gewesen. Nach dem Arzt habe eine Psychologin sich ins Gespräch mit eingeschaltet. „Sie wollte wissen, ob die anderen Schüler von der Anpassung wussten und wollte, dass mein Sohn sich outet“, sagt die Mutter. Ansonsten würde er ein Leben lang mit einer Lüge leben müssen.
Das Kind sei verängstigt gewesen und habe zu Weinen angefangen. „Ich habe ihm versucht zu erklären, dass sie ihn testen wollten. Er hatte aber Angst, wir müssten jetzt alles aus der eigenen Tasche für ihn zahlen.“
CNS darf keine Ärzte vermitteln
Momentan ist die Familie auf der Suche nach einem Psychiater. Ihr Sohn will auch die letzte große Operation machen und sich einen Penis formen lassen. Der Kostenpunkt hierfür liegt bei etwa 80.000 Euro. Dafür braucht er eine Bescheinigung und eine Betreuung durch einen Psychiater.
Es gibt genauso viele medizinische Anforderungen wie es Trans-Fälle gibt.“
Bei der CNS nach Kinder- und Jugendpsychiatern nachgefragt, habe man ihr allerdings gesagt, man dürfe keine Namen und Telefonnummer herausgeben. „Und die, die man dann selbst heraussucht, sagen, sie hätten keinen Platz mehr für neue Patienten, sie hätten keine Erfahrung in dem Bereich oder sie würden keine Minderjährigen betreuen.“ Also sucht die Familie weiter – damit ihr Sohn auch den letzten Schritt seiner Anpassung angehen kann.
Prozedurale Schwierigkeiten
Die Erfahrung von Georges Weyer war eine ganz andere – eigentlich. Doch auch er stieß auf Probleme bei der CNS. Sein Sohn studierte in Berlin als er sich für eine Mastektomie entschied. Damals war er bei der deutschen Krankenkasse AOK versichert. Sie stimmte einer Kostenübernahme für die OP zunächst zu – und sagte am Vortag des Termins dann wieder ab. Stattdessen hat sie Georges Weyers Sohn an die Luxemburger Gesundheitskasse für eine Kostenübernahme verwiesen.
Weil der Sohn den Termin dennoch wahrnehmen wollte, zahlte die Familie die Operation kurzerhand selbst. Die CNS wollte das Geld im Nachhinein nicht zurückerstatten. „Die AOK argumentiert so, dass die Kasse im Heimatland eines Studenten die Kosten übernehmen muss“, so Georges Weyer. Die Kosten der Hormonbehandlung hatte die AOK bereits übernommen.
Er ist zunächst noch gegen die Entscheidung der CNS vorgegangen, hat aber irgendwann aufgegeben. Für Georges Weyer steht aber fest, dass die Politik das Thema falsch angeht. „Es heißt, dass alles von der Kasse zurückerstattet wird, was ’nécessaire et utile‘ ist“, so der Vater im Gespräch mit REPORTER. „Als Vater eines betroffenen Trans-Mannes kann ich nur sagen, dass diese Behandlungen ’nécessaires et utiles‘ sind.“ Statt die Menschen und Familien auf ihrem Weg zu unterstützen, gebe es vor allem jede Menge Auflagen, die man einzuhalten hat. „Es gibt genauso viele medizinische Anforderungen wie es Trans-Fälle gibt.“
Immer wieder Beschwerden
Neben diesen Erfahrungen haben mehrere betroffene Personen davon berichtet, dass ihre Dossiers für Operationen von der CNS abgelehnt wurden, nachdem sie beim Contrôle Médical waren. Die Akten seien unvollständig, die Bescheinigungen von Endokrinologen oder Psychiatern seien nicht ausführlich genug, der Umgang der Ärzte mit den Menschen respektlos.
Die Ärzte des Contrôle Médical kennen diese Kritik nur allzu gut. „Wir mussten uns schon oft erklären“, so Dr. Gérard Holbach, Leiter des Controle Médical. „Dabei prüfen wir nur das, was die CNS uns vorschreibt.“ Und auch die Kritik des unsensiblen Umgangs will er nicht gelten lassen. Die Ärzte würden „diese Fälle immer mit Fingerspitzengefühl angehen“, so Gérard Holbach.
Lesen Sie mehr zum Thema
