Er wurde schon oft für tot erklärt, es gibt ihn aber immer noch: Der kleine Plattenladen gegenüber vom großherzoglichen Palast ist einer der letzten seiner Art und irgendwie Kult. An Kundschaft mangelt es nicht, ein Überlebenskampf ist es trotzdem. Ein Besuch.
Billie Eilish, Costa Cordalis, Johann Sebastian Bach – Pierre Delhalt schart sie alle um sich. Egal, ob als Schallplatte, Kassette oder CD. Oder sowohl als auch. Pierre Delhalt gehört der Laden „CD Buttek beim Palais“ und er bietet eine Auswahl an, die so groß ist, dass sie auf den ersten Blick unüberschaubar erscheint. Auf den zweiten und dritten eigentlich auch. Das Kleingeschäft beherbergt mehr als 50.000 CDs und Platten, Kassetten und DVDs.
Pierre Delhalt kennt sie alle oder weiß zumindest wo was steht. Dabei sind die Gänge voll, die Regale sowieso, Kartons, Plastikboxen und Körbe verteilen sich durch den ganzen Raum. Kaum ein Platz im Laden, in dem sich keine Platte versteckt. „Es ist eigentlich einfach. Alles ist nach Gattungen und alphabetisch geordnet“, sagt der Inhaber. Chaotisch? Finden es hier nur andere.
Seit gut 13 Jahren sitzt er hinter der Theke seines Ladens in der Rue du Marché aux Herbes direkt gegenüber des großherzoglichen Palastes. Ein anderer Platz ist für ihn im Laden auch gar nicht mehr frei. Bart und Haare wurden mit der Zeit ein bisschen weißer, die Falten im Gesicht ein bisschen tiefer. Heute ist Pierre Delhalt 69 Jahre alt. Doch er will noch eine Weile hinter seiner Theke sitzen bleiben. Noch weitermachen.

Früher befand sich der Laden nur ein paar Schritte weiter in der Rue de la Reine. Doch der Hausbesitzer wollte einen anderen Mieter und bot Pierre Delhalt das Geschäft direkt um die Ecke an. Also zog er um.
Dass es den „CD Buttek beim Palais“ heute noch gibt, ist fast schon ein Wunder. Denn der Einzelhandel hat einen schweren Stand, viele Geschäfte geben auf. Tapis Herz, Gilbert, Eden Flower – alle geschlossen oder bald zu. Hinzu kommen traditionelle Großflächen wie Monopol oder Bourse. Links und rechts machen Luxemburger Läden dicht, Ketten kommen und gehen, die Leute regen sich auf, es passiert aber nichts.
Aufhören ist nicht so einfach
Pierre Delhalt wollte eigentlich 2018 Schluss machen. Dann verlängerte er den Pachtvertrag doch noch einmal. Vielleicht schafft er es dann in anderthalb Jahren aufzuhören: „Ich schaue erst mal, ob ich es dann noch einmal drei Jahre durchhalte.“
Womöglich hat er bis dahin auch eine neue Wohnung gefunden. Denn genau dort liegt das Problem: Der Laden ist durch eine Tür hinter der Theke mit einer Wohnung in der ersten Etage verbunden, beides wird zusammen vermietet. Garage inklusive. Wenn Pierre Delhalt mit seinem Laden aufhört, muss er also auch ausziehen. „Und ich wüsste jetzt so direkt nicht, wohin“, sagt er. „Das muss man sich ja erst einmal leisten können.“ Der Mietvertrag ist seit 13 Jahren der gleiche, der Preis immer nur an den Index angepasst worden.

„Wir standen schon mehrmals vor dem Aus. Und dann ging es doch immer irgendwie weiter“, sagt Pierre Delhalt. In die Details will er nicht gehen und ergänzt nur: „Ich habe wohl eine bessere Ausdauer als andere“. Mitarbeiter hat er mittlerweile keine mehr, nur seine Frau hilft ihm im Laden.
Das Lokal hat schon bessere Zeiten erlebt. Die Regale stammen alle noch vom Vorbesitzer, einem Buchhändler. Die Punkte auf dem Teppichboden waren sicherlich irgendwann gelb und rot. Heute kann man das nur noch erahnen. Wenn hier etwas neu ist, dann sind es die Platten.
Jeder will wieder Platten
Delhalts großes Glück: Vinyl erlebt seit einigen Jahren ein Comeback und sein teilweise eingestaubtes Nischensortiment wird heute nicht mehr bedauert, sondern von vielen wiederentdeckt. Dabei hat er selbst lange daran gezweifelt, ob Schallplatten auf Dauer überleben würden. „Als die CDs Platten ablösten, habe ich mir gleich ein paar Plattenspieler gekauft. Ich hatte Angst, dass sie irgendwann komplett verschwinden“, sagt er. Mittlerweile habe er fünf davon in seiner Wohnung stehen. Und privat noch mehr Platten als im Laden.
Als die CDs Platten ablösten, habe ich mir gleich ein paar Plattenspieler gekauft. Ich hatte Angst, dass sie irgendwann komplett verschwinden.“
Wer erst einmal vor dem „CD Buttek“ steht, der kommt meistens auch rein. Zu groß ist die Neugier, was sich im Innern verbirgt. Zwei niederländische Teenager machen sich vor der Tür erst über eine Dean Martin Platte lustig, bevor sie eintreten. Sie schauen sich um, finden Nirvana, Pink Floyd, Mark Ronson. Sie drehen sich nach links und nach rechts, um irgendwie durch den Laden zu kommen und werden schließlich fündig.
Von einem Großhändler bekommt Pierre Delhalt jede Woche eine Liste mit den Neuerscheinungen, dann wählt er aus. In seinem Laden gibt es so gut wie jede Musikrichtung. „Aber ich verabscheue Rap und Techno“, sagt er.
Er weiß viel über Musik. Und er weiß viel, weil er viel hört. Und das bereits seit der Kindheit. Musik hatte er auch mal gespielt, Klarinette war aber nicht seins. Lieber hätte er Klavier oder Gitarre gelernt, das durfte er aber nicht. Also hörte er wieder auf.
„Ein guter Kunde und der Tag ist gerettet“
Wie viel Pierre Delhalt pro Tag einnimmt, weiß er nicht so genau. Um die Zahlen und um das Inventar kümmere sich die Buchhaltung. Er schätzt, dass etwa 20 bis 40 Kunden pro Tag etwas bei ihm kaufen. Viele kämen auch einfach nur zum stöbern. „Ein guter Kunde reicht, damit der Tag gerettet ist“, sagt er.
Die Preise pro Platte variieren stark. Eine Neuheit kann zwischen 20 und 30 Euro kosten, eine gebrauchte Version zwei oder drei Euro. Außerdem verkauft er Postkarten und lockt damit Touristen an. Das große Geld macht Pierre Delhalt aber nicht. Nicht, dass es so viele anderen Plattenläden gäbe. Aber: „Viele Kunden bestellen heute online oder bei Ketten wie Saturn“, sagt er. „Und viele hören ihre Musik nur noch über Spotify oder iTunes.“
Er aber bietet einen Rückzugsort für alle, die auf der Flucht vor dem Digitalen sind. Nicht jeder kauft, aber viele interessieren sich, wollen vielleicht ein bisschen Nostalgie-Luft schnuppern. „You can spend the whole day here“, sagt eine Frau zu ihrem Mann während sie einen Karton mit Platten durchgeht. Auch sie wird am Ende nichts kaufen, hat aber gut 20 Minuten hier verbracht.

Vielleicht funktioniert der „CD Buttek beim Palais“ auch, weil es nicht um das große Geld geht. Es ist mehr Leidenschaft als Business. „Es gibt bald keine Läden wie diesen hier in der Stadt“, sagt Pierre Delhalt. Wer nicht mehr genug einbringt, verschwindet einfach wieder.
Er selbst hat beruflich ganz unmusikalisch angefangen – bei der Post. Bis ein Bekannter sein Talent entdeckte und ihn in seinem Plattenladen engagieren wollte. Der Chef schmiss irgendwann hin, weil ihm die Gewinnmarge zu klein war. Pierre Delhalt machte weiter. „Ich hatte Glück, dass ich von zu Hause Geld bekommen habe und das Geschäft übernehmen konnte“, sagt er.
Leid getan hat ihm die Entscheidung nie. Er würde nichts anderes machen wollen, sagt er. Im Hintergrund läuft die Musik, abgespielt auf einem iPod. „Das ist halt praktischer“, sagt Delhalt. „Sonst müsste ich die Platten andauernd umdrehen.“