Mit verschuldeten Menschen lässt sich gutes Geld machen. Belgische Kredithaie sind auch in Luxemburg aktiv, entziehen sich aber einer angemessenen Regulierung. Sie haben freie Hand und treiben Betroffene immer tiefer in die Schuldenfalle.
Alle sind im Skiurlaub, nur Sie nicht? Weil Ihnen das passende Kleingeld fehlt? Die Firma CPE Crédit bietet da eine schnelle Lösung. Sie wirbt damit, dass man sich seinen Urlaub über einen Kredit finanzieren kann. „Profitez de vos sports d’hiver avec le CPE!“, heißt es auf dem Werbeblatt. Die Botschaft: Sie könnten mithilfe der Firma schnell zu Freunden und Familie auf die Skipiste und zahlen das Geld einfach später zurück.
Bares gibt es ohne große Umstände und kann sofort investiert werden. Mit dieser Masche schnappen Kredithaie aus Belgien regelmäßig zu – auch in Luxemburg. Ihre Opfer: Menschen, die meist bereits tief verschuldet sind und hierzulande bei einer klassischen Bank keinen Kredit mehr bekommen.
Das Geld fließt meist innerhalb von 24 Stunden. Ob der Kunde kreditwürdig ist, interessiert dort niemanden. Hauptsache er nimmt ein Darlehen mit hohem Zinssatz auf. Die können schon einmal bei 15 bis 25 Prozent liegen. Zum Vergleich: In Luxemburg lag der Jahreszinssatz für Verbraucherkredite laut Luxemburger Zentralbank im November bei 2,61 Prozent.
Rückzahlungen: ein Fass ohne Boden
Armut, Unwissenheit und Leichtgläubigkeit sind der Motor dieses dubiosen Geschäfts. Die Verzweifelten interessieren sich meist nur wenig für die sogenannten „Wucher-Zinssätze“. Sie wollen mit dem geliehenen Geld schnellstmöglich ihre monetären Engpässe überbrücken. „Sie handeln aus Panik und treffen dann die falschen Entscheidungen“, so Christiane Steffen von der Schuldnerberatungsstelle Inter-Actions.
Aus dieser schnellen Überbrückungsfinanzierung wird meist ein Fass ohne Boden. Wer bereits verschuldet ist und einen weiteren Kredit mit hohen Zinsen aufnimmt, kommt nur schwer aus seinen Miesen heraus.
Diesen Teufelskreis kennen die Verantwortlichen von Beratungsstellen wie Inter-Actions oder der Ligue Médico-Sociale. „Wenn bei den Banken gar nichts mehr geht, zieht es die Menschen zu den Kreditinstituten ins Ausland“, sagt Christian Schumacher, Leiter der Abteilung „Service d’information et de conseil en matière de surendettement“ der Ligue Médico-Sociale. „Dort kommen sie schnell an Geld. Wie sie es aber zurückzahlen, darüber machen sich nur die wenigsten Gedanken.“
Belgische Kredithaie sind berüchtigt
Der Experte sagt, dass 50 Prozent der Hilfesuchenden der Schuldnerberatungsstelle mindestens einen Kredit bei einem belgischen Institut abgeschlossen haben. Auch bei Inter-Actions sei dies der Fall bei etwa der Hälfte der Fälle, so Christiane Steffen.
Die Agenturen laufen alle über ihren Sitz in Belgien und unterliegen den dortigen Behörden.“ Danièle Berna-Ost, CSSF
Für die Institute sind die Kredite aber gut sprudelnde Geldquellen. „Sie setzen die Zinsen nicht ohne Grund so hoch an“, sagt Christian Schumacher. „Die Institute wissen, dass ihre Kunden Risikokunden sind.“ Mit den hohen Zinsen wolle man sich absichern. Würde ihnen nur ein Bruchteil der geforderten Summe zurückgezahlt, sei das schon ein Erfolg. „Außerdem schlagen sie auch noch Geld heraus, wenn der Kunde mit seinen Rückzahlungen in Verzug kommt“, so Christian Schumacher.
In einer Informationsbroschüre schreibt die Ligue Médico-Sociale, dass belgische Finanzinstitute „eine Entschädigung“ bei Vertragsbruch verlangen würden und dass diese sich „grundsätzlich auf 15 Prozent des bei Vertragsbruch noch geschuldeten Betrags beläuft“.
Moralisch fragwürdig, aber nicht illegal
Die Institute sind in Belgien ansässig, einige haben aber auch in Luxemburg eine Zweigstelle. CPE Crédit hat eine Firmenadresse in Esch/Alzette, ein weiteres Institut, SFB, ist in Petingen angesiedelt. Die Bankenaufsichtsbehörde CSSF berichtet von 248 Vermittlern für Verbraucherkredite in Luxemburg. Die bieten ihre Dienste auch telefonisch und online an – und sind so praktisch 24 Stunden am Tag zu erreichen.
Was die Institute machen, ist zwar moralisch fragwürdig, allerdings nicht illegal. Das Schulden-Karussell funktioniert für sie auch hierzulande, weil die Institute nicht in Luxemburg, sondern in Belgien registriert sind. Und dort sind hohe Zinssätze eher Normalität als Absurdität. Laut belgischem Gesetz liegt der Höchstzinssatz bei einem Kredit von bis zu 1.250 Euro bei 18,5 Prozent, bei mehr als 1.250 Euro bei 12,5 Prozent und bei mehr als 5.000 Euro bei 10 Prozent.
Die einzige Regel, an die sie sich dabei halten müssen, ist, dass sie ‚Emprunter de l’argent coute aussi de l’argent‘ drucken.“Christian Schumacher, Schuldenberater
Die Kredithäuser, die in Luxemburg vertreten sind, haben ihre hiesigen Zweigstellen lediglich als Vermittlungsagenturen angegeben. In der Gesetzgebung zum Verbraucherschutz ist zwar festgehalten, welche Punkte die Vermittler in den Verträgen für die Kunden festhalten müssen. Aber: „Die Agenturen laufen alle über ihren Sitz in Belgien und unterliegen den dortigen Behörden“, erklärt Danièle Berna-Ost, Generalsekretärin der CSSF. Deshalb gelten auch die dortigen Zinssätze.
Ausländische Vermittler für Verbraucherkredite müssten sich in Luxemburg lediglich in eine Liste beim Verbraucherschutzministerium eintragen, Vermittler von Immobiliendarlehen würden hingegen der Aufsicht der CSSF unterliegen.
Die „Sorgenkinder“ der Branche
Kreditinstitute wie CPE Crédit sind die „Sorgenkinder“ der Branche. Nicht nur, weil sie nicht den Luxemburger Behörden unterliegen, sondern auch, weil sie verschuldete Menschen noch tiefer in die Schulden treiben. Vermittler würden nämlich „vom Kreditgeber mit einer Abschlussgebühr entlohnt“, heißt es von der CSSF. Nicht die Kundenberatung, sondern möglichst viele Verträge abzuschließen, ist demnach das Ziel.

Während Luxemburger Banken den Risikokunden skeptisch begegnen, machen diese Kredithäuser richtig viel Geld mit ihnen. Um das Geschäft weiter am Laufen zu halten, machen sie regelmäßig Werbung – sei es anhand von Flyern, Werbebroschüren oder Anzeigen in Zeitungen. „Die einzige Regel, an die sie sich dabei halten müssen, ist, dass sie ‚Emprunter de l’argent coute aussi de l’argent‘ drucken“, so Christian Schumacher. Es sei aber wie bei den Zigarettenschachteln. Da würde der Aufdruck „Rauchen kann tödlich sein“ auch nur die wenigsten abschrecken.
Das Problem der Ratenzahlung
Der Kredit-Teufelskreis kann ganz klein anfangen. Zum Beispiel an der Supermarktkasse oder beim Kauf eines Fernsehers. Wer etwa beim Elektronik-Spezialisten Hifi International einkauft und den vollen Preis nicht sofort zahlen kann, kann ihn in Raten abstottern.
Dafür nimmt der Kunde einen Kredit auf, beispielsweise für 1.500 Euro – mit einem Jahreszinssatz von 17 Prozent. Dazu gibt es eine Mastercard. Diese wird aber nicht über eine Luxemburger Bank, sondern über das belgische Kreditinstitut Buy Way ausgestellt. Dass der Kunde einen Vertrag mit einem ausländischen Finanzinstitut eingeht, ist ihm demnach vielleicht gar nicht bewusst. Immerhin kauft er in einem Luxemburger Laden ein.
Auf Nachfrage von REPORTER würgt die Pressestelle von Hifi International Luxemburg die Frage nach der Mastercard ab. Man könne keine Informationen geben, dafür kenne man Buy Way nicht genug. Hifi International würde bei Vertragsabschluss nur eine Vermittlerrolle zwischen dem Kunden und dem Kreditinstitut einnehmen.
Versteckte Klauseln, mangelnde Aufklärung
„Eigentlich müssen die Kunden vor Unterschreiben des Vertrags über alles informiert werden“, so Julie Jasson vom Europäischen Verbraucherzentrum Luxemburg. „Ob das der Fall ist, ist schwer nachzuweisen. Sie erhalten die meisten Informationen mündlich vom Verkäufer und unterschreiben einen Vertrag, ohne ihn richtig durchzulesen.“
Es steht alles im Vertrag, die Leute sollen ihn aufmerksam durchlesen.“Julie Jasson, Verbraucherschützerin
Ein fataler Fehler. Auch deswegen, weil sich in dem Vertrag oft Klauseln verstecken. „Dort steht beispielsweise auch, dass Kunden ihre Kreditkarte nur durch einen Einschreibebrief bei der Bank kündigen können, wenn sie die Raten alle zurückgezahlt haben“, so Julie Jasson. Machen sie das nicht, zahlen sie weiter. Meist ohne darüber überhaupt Bescheid zu wissen.
Hifi International ist nur ein Beispiel von vielen in Luxemburg. Kreditkarten gibt es auch bei Supermarktketten oder Möbel- und Elektronik-Shops. Warum die Geschäfte mit einer belgischen Firma zusammenarbeiten? Auf Nachfrage von REPORTER gab es auch darauf keine Antwort.
Auswüchse der Kreditkultur
Das Problem in den Geschäften ist das Gleiche wie bei den Kredithaien: Dem Kunden wird das Gefühl vermittelt, er könne sich etwas leisten, für das ihm das Geld fehlt. Nur ein paar Euro im Monat für einen schicken Fernseher, eine neue Couch oder einen besseren Computer? Für viele ist da nichts dabei. Es sind ja nur kleine Summen.
„Wir leben heute in einer Konsumgesellschaft“, sagt Christian Schumacher. „Früher hat man für sein Haus und sein Auto einen Kredit aufgenommen und den brav bei seiner Bank abbezahlt. Heute kann man auch für den Kauf eines Toasters oder Kühlschrank Geld leihen. Es gibt praktisch für alles einen Kredit“, so der Experte von der Ligue Médico-Sociale.
So wird der Kunde schnell zum „Wiederholungstäter“. Dass am Ende des Monats trotzdem einiges an Rückzahlungen zusammenkommt, blenden viele dabei aus.
Raus aus der Schuldenspirale
Die Betroffenen stecken also fest. Fest in ihren Schulden, fest in ihren Sorgen, fest in den Fängen der Kredithaie. Lösungen zu finden, ist alles andere als einfach. Schuldenberatung ist am Ende wohl der einzige Ausweg. Dort wird sich ein Bild der Lage gemacht und nach einer Lösung gesucht. Dann versucht die Schuldnerberatungsstelle mit der Bank zu verhandeln und zu schauen, wann wie viel Geld vom Kunden zurückgezahlt werden kann.
Schulden, Einkünfte, Kredite, Vermögen – alles wird analysiert. „Wer zu uns kommt, muss sich quasi eine Lebenskrise eingestehen. Es ist nicht einfach, sich in einer solchen Lage einem Fremden anzuvertrauen“, so Christiane Steffen. „Wir können aber nur denjenigen helfen, die ehrlich mit uns sind.“
Einerseits sind die Angebote der Kredithaie ein Problem – andererseits sind die Menschen aber auch nicht genügend über den Umgang mit Geld und Schulden informiert.“Christian Schumacher, Schuldenberater
„Im Nachhinein sagen viele Menschen, die zu uns kommen, dass die Institute alle Gauner sind. Einerseits sind die Angebote der Kredithaie ein Problem – andererseits sind die Menschen aber auch nicht genügend über den Umgang mit Geld und Schulden informiert“, sagt Christian Schumacher.
Genau wie die CSSF plädieren auch die Schuldenberater und Verbraucherschützer für eine bessere Aufklärung der Menschen. „Es steht alles im Vertrag, die Leute sollen ihn aufmerksam durchlesen“, rät Julie Jasson. Die Aufklärung müsse eigentlich schon in der Schule anfangen, sagt Christian Schumacher. „Man sollte schon lernen, was ein Gehaltszettel ist und was dort drauf steht.“