Webseiten sollen Läden und Restaurants helfen, in der Coronakrise für ihre Kunden sichtbar zu bleiben und ein bisschen Umsatz zu machen. Andere Plattformen helfen bei der Beschaffung von Schutzmaterial. Diese Nöte nutzen manche Unternehmen allerdings auch für ihr eigenes Business.

Die Laufkundschaft ist für viele Geschäfte und Restaurants überlebenswichtig. In Zeiten des Lockdowns fehlten diese Kunden aber komplett. Selbst jene Unternehmen, die auf Onlinebestellungen setzten, standen vor dem Problem, wie sie dieses Angebot bekannt machen. Schließlich bringt das beste Take-away-Menü nichts, wenn der Hungrige es nicht kennt. Geschäfte sahen die Möglichkeit, mit Gutscheinen zumindest einen minimalen Umsatz zu machen.

Doch viele kleine Läden waren bisher im Internet kaum präsent. Es war ein Kommunikationsmittel, auf das sie nicht angewiesen waren. Die Webseiten „Kaaft Lokal“, „I love my shops“ oder „HorecaComeback“ sprangen in die Bresche. Diese Plattformen sollen die Verbindung zwischen Unternehmen und Kunden herstellen – mit unterschiedlichem Erfolg.

Auf ähnliche Art und Weise will die staatliche Agentur „Luxinnovation“ mit der Seite Epi-covid19.lu Anbieter und Käufer von Schutzmaterial in Kontakt bringen. Doch die Umsetzung dieser Plattformen litt unter der Eile, mit der sie hochgezogen wurden. Was teils mehr schadet als hilft, denn die Zuverlässigkeit mancher Anbieter lässt sich schwer kontrollieren.

Unkoordinierte Schnellschüsse

Am 10. April ging die Seite „Kaaftlokal.lu“ online, die es Kunden erlaubt Gutscheine bei ihren Lieblingsläden und -restaurants zu kaufen. In vier Tagen zog die Firma „Power Lab“ die Seite hoch, erklärt der Geschäftsführer Gabriele Sibio im Gespräch mit REPORTER.

Das war der Plattform anfangs auch deutlich anzumerken: Logos waren verpixelt, Geschäftsbedingungen fehlten, die Datenschutzerklärung ebenfalls. Trotzdem sollten zehn Prozent von jedem verkauften Gutschein als Provision an „Power Lab“ fließen. Diese Bedingung ließ Gabriele Sibio allerdings nach einer Woche wieder fallen. Nun fließt jeder Euro an die jeweiligen Geschäfte. Und die gesetzlichen Pflichten werden inzwischen eingehalten.

„Kaaft Lokal“ entstand in Zusammenarbeit mit dem Handelsverband CLC, allerdings ohne formellen Auftrag. Gabriele Sibio ist engagiert im Verband „eCom“, einer Unterorganisation der CLC. Die Kosten für die Seite trägt er aktuell allein, hofft aber auf einen nicht näher genannten Sponsor. Inzwischen wurden über 40.000 Euro an Gutscheinen über die Seite verkauft.

Lokale Unternehmen und „Big Player“

Inzwischen kooperiert „Kaaft Lokal“ mit dem Branchenverzeichnis „Editus“. Der Herausgeber der „Gelben Seiten“ hat seit dem  21. April seine eigene Plattform „I love my shops“. Geld soll laut beiden Seiten nicht fließen, es gebe lediglich einen Abgleich von Informationen. Die Daten, die Firmen auf „Kaaft Lokal“ hinterlegt haben, würden nicht weitergegeben, betont der Betreiber Gabriele Sibio. Auf Editus.lu findet sich bei den Einträgen allerdings ein Link auf „Kaaft Lokal“, falls das Geschäft oder das Restaurant dort mitmacht.

Dem Wildwuchs tut dies keinen Abbruch: Via Belgien setzten die Big Player bestehend aus Coca-Cola und Brauereikonzernen die Plattform „HorecaComeback“ auf, die auch Luxemburger Restaurants umfasst. Und schließlich plante die Stadt Luxemburg noch eine eigene Gutschein-Plattform. Die Stadt Düdelingen hat ebenfalls eine Webseite für ihre lokalen Geschäfte: „Maindiddeleng.lu“.

Hohe Nachfrage nach digitaler Präsenz

Die Vervielfältigung der Plattformen ist nicht zielführend, sie verwirrt die Verbraucher. Das sagen sowohl die Verantwortliche von Editus, Sophie Krauss, als auch Gabriele Sibio. Auch wenn beide beteuern, dass sie mit ihren Seiten helfen wollen und keine kommerziellen Ziele verfolgen, so ist das nur eine Seite der Medaille.

„Die kleinen Läden haben sich bisher nicht in die digitale Welt vorgewagt. Corona kann hier durchaus als Beschleuniger wirken“, sagt Gabriele Sibio, der seit März Co-Präsident des „eCom“-Verbands ist. Eine Einschätzung, die man bei Editus teilt: „Es wird nicht mit dem Ende des Lockdowns aufhören, sondern wir wollen die kleinen Betriebe in ihrer Digitalisierung begleiten“, so Sophie Krauss, Verantwortliche der Kommunikation „corporate“.

Das Helfen in der Pandemie hilft demnach, sich einen Kundenstamm aufzubauen, der einem nach dem Lockdown einen enormen Vorsprung verschafft. Aus den Daten, die die kleinen Läden und Restaurants selbst auf diesen Plattformen eingeben, lässt sich ein Business machen.

Dass die Nachfrage bei kleinen Betrieben nach digitaler Präsenz groß ist, zeigt sich auch im Handwerk. Die Plattform „Wedo.lu“ der „Fédération des Artisans“ boomte seit ihrem Start regelrecht. Die angebotenen „Packages“ gehen von 100 bis 2.000 Euro pro Monat.

Seriosität schwer einzuschätzen

„Wedo.lu“ taucht auch bei einer Corona-Plattform auf: Das Team war laut Pressemitteilung der Regierung an der Ausarbeitung der Seite „epi-covid19.lu“ beteiligt. Das Angebot von Luxinnovation soll Luxemburger Unternehmen helfen, sich die nötige Schutzausrüstung gegen das Virus zu beschaffen: Masken, Desinfektionsmittel, Plastikwände.

Die Plattform mit „sicherem Zugriff“ bietet allerdings ein Sammelsurium an unübersichtlichen und kaum transparenten Angeboten. Vom „Think Tank“ über den Fliesenleger bis zum Immobilienagenten bieten sehr unterschiedliche Firmen etwa Masken an. Ob ihre Angebote seriös sind? Niemand weiß es.

Auf der Seite steht ein ellenlanger Disclaimer, dass Luxinnovation nur den Kontakt ermögliche, alles andere müssten die Unternehmen unter sich klären. Luxinnovation prüfe die Angebote nach ihrer Veröffentlichung und man kontaktiere die Anbieter, heißt es von der staatlichen Agentur auf Nachfrage von REPORTER. Auffällige Angebote würden gelöscht.

Vom Immobilienagenten bis zum Krankenhaus

Ein Blick auf die Angebote reicht jedoch, um zu sehen, dass die Kontrolle offenbar sehr durchlässig ist. Manche Anbieter setzen eine „1“ vor ihren Namen, damit sie weiter oben in der Liste auftauchen. Es hindert sie niemand daran. Andere geben Firmennamen wie „DN“ oder „Tesset Med“ an – Unternehmen, die im Handelsregister nicht auffindbar sind. Die großen Akteure, die etwa die Regierung beliefern, fehlen dagegen auf der Plattform.

Auffällig ist auch die Firma „Santé Services SA“. Man könne 250.000 chirurgische Masken und 35.000 FFP2-Masken liefern, lautet das Angebot. Ein Blick ins Handelsregister zeigt, dass es sich dabei um ein Tochterunternehmen der „Hôpitaux Robert Schuman“ handelt. „Die Anzeige via EPI-COVID19.lu hat dazu beigetragen, angepasst  und schnell auf Notfallsituationen und Engpässe in der Versorgung zu reagieren“, heißt es auf Nachfrage von der Krankenhaus-Gruppe. Die Zeiten der Engpässe scheinen jedoch vorbei zu sein: Eine Produktionsmaschine für chirurgische Masken könne die HRS-Gruppe bald in Betrieb nehmen, heißt es weiter.

Side-Business im Lockdown

Dass sich allerdings auch Firmen ohne Erfahrung im Handel mit Sicherheitsausrüstung schwunghaft beteiligen, stört selbst das Mittelstandsministerium nicht. Auch wenn Unternehmen in Branchen tätig sind, die wenig mit ihrer „autorisation d’établissement“ und dem Gesellschaftszweck in ihren Statuten zu tun haben. Im übrigen sei Luxinnovation für die Umsetzung verantwortlich, heißt es aus dem Büro von Minister Lex Delles.

Die meisten Unternehmer sehen das wohl so pragmatisch wie der Immobilienagent Raffaele Pelliccia. Durch einen Kontakt in China habe er Zugriff auf große Mengen an Masken mit garantierter Lieferung, sagt er im Gespräch mit REPORTER. Dieses Geschäft habe in den letzten Wochen zumindest etwas Umsatz erlaubt, auch wenn er vor allem Unternehmen in Italien und Frankreich belieferte.

Und Raffaele Pelliccia weiß, dass er nicht der einzige ist, der auf dieses Side-Business während des Lockdown setzte. „Schließlich hat die Regierung uns Selbstständigen wenig geholfen.“