Sind sie in Gefahr? Und wenn ja, ab wann? Am Thema Renten scheiden sich die politischen Geister. Wie akut der Handlungsbedarf ist, ist umstritten. Nur die CSV will gegen die drohende „Rentenmauer“ vorgehen. Mehr Details will sie aber erst nach den Wahlen verraten.

Es muss etwas geschehen – und zwar möglichst schnell. Das ist die Devise der CSV beim Thema Renten. Nur so könnte man sie langfristig abgesichern. „Es ist besser wir handeln so lange es uns noch gut geht, als in zehn bis fünfzehn Jahren“, sagt Claude Wiseler. Seit Monaten wiederholt er den Satz.

Um das Problem der Renten zu veranschaulichen, greift der CSV-Spitzenkandidat gerne auf ein Zitat von John F. Kennedy zurück: „Die beste Zeit, um das Dach zu reparieren, ist, wenn die Sonne scheint.“ Wie und mit welchen Werkzeugen er dieses Dach reparieren will, steht aber noch nicht fest. Doch im Interview mit REPORTER gab Wiseler dann doch erste Hinweise darauf, wo die Reise in Sachen Rentenreform hingehen soll.

Man könne an mehreren Schrauben drehen, um das System langfristig anzupassen, so Wiseler. Rentenkürzungen schließt er zwar kategorisch aus. Auch Änderungen für die aktive Bevölkerung, die bereits in die Rentenkasse einzahlt, seien nicht geplant.

Höhere Beiträge und Steuern möglich

Ansonsten ist für die CSV alles möglich: Eine Erhöhung der Beiträge? „Das ist nicht ausgeschlossen“, so Wiseler. Ebenso wenig wie eine Debatte über höhere Steuern und eine Anpassung des realen an das gesetzliche Rentenalter von 65 Jahren. Alles Punkte, die die Partei mit den Sozialpartnern diskutieren will. Erst dann will sie konkrete Vorschläge öffentlich machen. „Ich will mir das Thema nicht schon jetzt zerreden lassen“, argumentiert Wiseler, warum er noch keine konkreten Lösungsvorschläge liefert.

Für die CSV steht aber fest: Auch mit einem Wirtschaftswachstum von 2,9 Prozent werden die nationalen Rentenreserven bis 2030, beziehungsweise mit 2,5 Prozent bis 2043 aufgebraucht sein. Oder um bei Wiselers Lieblingsmetapher zu bleiben: Die Sonne wird noch eine Weile scheinen.

LSAP will kein „Gefummels“ an den Renten

Andere Parteien wollen demnach das aktuelle Rentensystem erst gar nicht infrage stellen. Die CSV wolle bei den Menschen Angst schüren und damit Stimmen sammeln, so das Gegenargument im Wahlkampf. Schärfster Kritiker einer CSV-Rentenreform ist wohl LSAP-Spitzenkandidat Etienne Schneider.

„Ich verstehe nicht, warum die CSV jetzt ohne Grund fordert, dass die Renten runtergesetzt, das Rentenalter hochgeschraubt und die Beiträge angehoben werden sollen“, sagte Schneider beim diesjährigen Neujahrsempfang der LSAP. Es werde nicht an den Renten „gefummelt“, sagte der LSAP-Spitzenkandidat. Das sei vor allem deshalb nicht nötig, weil die Reserven der Rentenkasse aktuell viermal so hoch seien wie die Ausgaben.

CSV-Parteipräsident Marc Spautz wehrte sich bei „Radio 100,7“ gegen die Vorwürfe von Schneider, die CSV wolle das Rentenalter erhöhen und die Renten kürzen. Die CSV werde weder das eine noch das andere tun. Die Partei wolle die aktuellen Renten nicht antasten. Aber: „Wir müssen uns die Frage stellen, was morgen oder übermorgen passiert“, so die abstrakte Ansage von Spautz.

Das Alter anheben, statt zu „fummeln“

Was die Reserven betrifft, hat Etienne Schneider recht. Sie liegen aktuell bei 16,54 Milliarden Euro (Stand 2015). Damit könnten die jährlichen Renten viermal ausgezahlt werden. Das geht aus dem im Mai veröffentlichten „Rapport du Groupe de Travail Pensions“ der Regierung hervor. Und laut Statec liegt in diesem Jahr die Anzahl der Renten bei 175.893.

Demnach besteht zumindest kurzfristig kein Handlungsbedarf. Das wissen auch Schneider und die LSAP. Deshalb haben die Sozialisten die Renten als rote Linie bei möglichen Koalitionsverhandlungen festgelegt. Auch in ihrem Wahlprogramm ist verankert, dass sie an den „Grundlagen des gesetzlichen Rentensystems festhalten“ will und dass sie aufgrund der großen Rentenreserven „kurzfristig keinen Handlungsbedarf“ sieht.

Die Reserven könnten das System auch nicht retten, wenn es irgendwann nicht mehr reichen sollte.“Sylvain Hoffmann, Chambre des Salariés

Aber: Die Partei spricht sich in ihrem Programm ganz klar dafür aus, dass sie das „Renteneintrittsalter näher an das legale Alterslimit von 65 Jahren“ anpassen will. Das bestätigt auch Etienne Schneider bei REPORTER Live: „Das Renteneintrittsalter liegt momentan in Luxemburg bei etwa 59 Jahren“, das legale aber bei 65 Jahren – das würde man nur immer wieder vergessen. Den Punkt des Renteneintrittalters sucht der Wähler im Programm der CSV allerdings vergeblich.

Renten sind keine Priorität

Viel zurückhaltender gehen DP und Déi Gréng mit dem Thema Renten um. „Unserem Rentensystem geht es finanziell gut und die Rentenreserven befinden sich auf einem Rekordniveau, sodass wir keinen Bedarf für Rentenkürzungen sehen“, heißt es im Wahlprogramm der Liberalen. Außerdem: „Aktuell sehen wir keine Gefahr für die Zukunftsfähigkeit unseres Systems.“ Sie will die Lage aber „im Drei-Jahres-Rhythmus“ prüfen, um dann gegebenenfalls „schnell reagieren zu können“. Das legale Renteneintrittsalter von 65 Jahren soll nicht geändert werden.

Déi Gréng liefern in ihrem Programm wenig Konkretes, springen aber auf den Wachstums-Zug der CSV mit auf. Mit weiterem Wachstum die Renten zu garantieren ist „nicht mit unserem Kernziel, einer nachhaltigen Entwicklung von Luxemburg, vereinbar“. Deshalb wollen Déi Gréng „das Land längerfristig aus der Abhängigkeit dieser Wachstumsspirale befreien ohne jedoch die Leistungsfähigkeit des Rentensystems zu beschneiden“.

Wie sie das aber umsetzen wollen, geht nicht aus dem Programm hervor. Sie wollen am „Prinzip von 40 Beitragsjahren grundsätzlich“ festhalten. Sie finden außerdem, dass die Digitalisierung „Chancen auf Umbau und Absicherung des Rentensystems“ bietet – inwiefern präzisiert die Partei aber nicht.

Auf lange Sicht besteht Handlungsbedarf

Niemand will sich dem Thema also wirklich annehmen. Dabei geht aus dem Bericht „Rapport du Groupe de Travail Pensions“ hervor, dass Luxemburg sich zwar momentan in einer bequemen Lage befindet, das System trotzdem überwacht werden muss. Für 2017 wurden Reserven von rund 18 Milliarden angesammelt. Trotzdem sei das Land „confronté à des risques potentiels à long terme“. Der Bericht mahnt auch, dass die vielen Beitragszahler von heute irgendwann die Rentner von morgen werden. Und für die heutigen Beitragszahler soll im Idealfall das aktuelle hohe Rentenniveau von fast 80 Prozent beibehalten werden.

Damit das System nicht kollabiert, schlägt die Gruppe deshalb drei Punkte vor, die man ändern könnte: Eine Verlängerung der Berufslaufbahn, eine Erhöhung der Einnahmen und eine mögliche Auszahlung der angehäuften Reserven. „Wobei die Reserven das System auch nicht retten könnten, wenn es irgendwann nicht mehr reichen sollte“, so Sylvain Hoffmann von der Arbeitnehmerkammer. Auch Digitalisierung und Robotisierung könnten seiner Meinung nach insofern helfen, als dass sie dem Land Produktivitätsgewinne einbringen und diese Gewinne wiederum für die Auszahlung der Renten genutzt werden könnten. Das sei aber alles rein hypothetisch, so Hoffmann weiter.

Die ewige Angst vor einer Rentenmauer

Dabei ist es nicht das erste Mal, dass die Angst entsteht, das Rentensystem könnte irgendwann zusammenbrechen. Im Jahr 2012 sagte Robert Kieffer, der damalige Chef der Pensionskasse dem deutschen Handelsblatt: „Wir haben zu lange im Überfluss gelebt.“ Und: „In der Boomzeit wurden die Rentenversprechen an unsere Bürger derart erhöht, dass mit deren Ende diese nicht mehr eingehalten werden können.“ Er forderte, dass die gesetzlichen Leistungen entweder gekürzt oder aber die Beiträge angehoben werden müssen.

In welche Richtung soll es gehen? Die CSV will an mehrern Schrauben drehen, um die Renten in Luxemburg langfristig zu sichern. (Foto: Matic Zorman)

Was kam, war eine Rentenreform unter Gesundheits- und Sozialminister Mars Di Bartolomeo (LSAP). Sie brachte kleine Änderungen mit sich. Unter anderem, dass diejenigen, die schon mit 57 Jahren in Rente gehen möchten, mit Einbußen rechnen müssen. Das legale Eintrittsalter von 65 Jahren blieb damals unangetastet, auch Studien- oder Ausbildungsjahre wurden weiterhin für spätere Rentenansprüche angerechnet. „Wenn wir heute nichts unternehmen, dann zahlen unsere Kinder das Doppelte für die Hälfte der Leistungen“, erklärte Gesetzesberichterstatterin Lydia Mutsch (LSAP) damals. Ähnliche Worte hört man heute bei der CSV.

Damals waren es die Oppositionsparteien DP und Déi Gréng, die Nachbesserungen und eine tiefgreifendere Reform forderten. „Die Reserven werden in enormer Geschwindigkeit ausgehen, mit dieser Reform knallen wir geradewegs in die Rentenmauer“, kritisierte beispielsweise der DP-Abgeordnete Carlo Wagner. Diese Kritiken sind heute längst verstummt. Wie so oft kam es mit dem Regierungswechsel zu einem Rollentausch der Parteien und ihrer offiziellen Diskurse.

„Wann eng Decisioun geholl ass: Da steet se“

Doch die Rentenmauer blieb bisher aus. Wie die Pensionskasse die Lage heute einschätzt, ist nicht bekannt. Vor den Wahlen wolle man keinen Kommentar zum Rentensystem abgeben, heißt es auf Nachfrage von der CNAP.

Sylvain Hoffmann erklärt, dass die Arbeitnehmerkammer ihrerseits langfristige Prognosen als „problematisch“ ansieht. „Hypothesen sind einfach extrem unsicher“, so Hoffmann. Schon Jean-Claude Juncker habe 1997 in seiner Regierungserklärung davon gesprochen, dass das Land die Rentenmauer im Jahr 2015 erreiche. Das habe die Menschen verunsichert. Bis heute sei das aber nicht eingetreten und trotzdem werde immer wieder davor gewarnt.

Ob die Menschen eher aus Angst oder Gelassenheit wählen, wird sich dann am kommenden Sonntag zeigen. Glaubt man aber einem Tweet der CSV, wird die Partei bei einem positiven Wahlausgang das Projekt Rentenreform angehen. „Wann eng Decisioun bis geholl ass: Da steet se. An da bleiwt se stoen. An da gëtt se duerchgesat.“ Und dabei ist es letztlich wohl egal, wie vage das Vorhaben zu sein scheint.