Ein anderer Wochenrückblick ist möglich: Immer freitags blickt die REPORTER-Redaktion auf jene Themen zurück, die uns und die Medien insgesamt beschäftigt haben. Diese Woche: Die Mühen des Wahlkampfes und die doofen Koalitonssausagen.
Wahlkampf ist lästig. Die Grünen stellten am Samstag ihr Programm vor, dabei wollen sie doch einfach nur weiter regieren. Damit auf jeden Fall nichts dazwischen kommt, sind ihre Forderungen maximal weichgespült. Die Liberalen entledigen sich der lästigen Pflichtübung „Wahlprogramm“ an diesem Sonntag kurz vor dem Apéro.
Überhaupt Inhalte. Die Wähler – dieses undankbare Pack – entscheiden sich sowieso erst eine Woche vor den Wahlen oder erst in der Kabine, wo sie ihr Kreuz setzen. Konkrete politische Forderungen sind überschätzt. Da setzen die Spitzenkandidaten lieber auf junge, dynamische „Social Media“-Berater, die mit ihnen „flotte“ Videos drehen. Nach „Better Call Bettel“ kommt nun „Ënnerwee mam Etienne“ (#EME). Der LSAP-Frontmann gibt sich volksnah und sympathisch bei seinem Besuch in Larochette anlässlich des Nationalfeiertags.
Die Nebenrollen der CSV
Doch die Konzepte der netten Videos scheinen noch nicht ganz ausgereift. Bei „Better Call Bettel“ übernahm man den Titel aus einer Serie mit einem schmierigen Rechtsanwalt – was wollte die DP uns damit sagen? Der Premierminister versteckte sich und kommunizierte über ein blaues Telefon mit potentiellen Wählern. Nun steht das blaue Telefon aber seit April still.
Und Etienne war vor allem mit CSV-Politikern „ënnerwee“. In den Nebenrollen in Reihe der Erscheinung: Natalie Silva (Bürgermeisterin von Larochette), Frank Engel (EU-Abgeordneter), Claude Wiseler (CSV-Spitzenkandidat) und Viviane Reding (CSV-Kandidatin).
Übrigens hatte „Viv“ diese Woche ihren letzten Auftritt in Straßburg als EU-Abgeordnete. Ein französischer Journalist hatte die Frechheit, zu schreiben, sie habe zwei Mandate als EU-Kommissarin absolviert und wolle nun Ministerin in Luxemburg werden. Dabei waren es doch drei Mandate und „Viv“ twitterte pikiert, „mein einziger Wunsch ist es in das Parlament meines Landes gewählt zu werden“. Klar.
Soziale Medien hat einzig Jean Asselborn nicht nötig. Sein Weltruhm steht kurz bevor. So freute sich der große Denker Jürgen Habermas in der „Zeit“, „in großen Fußstapfen von so profilierten Vorgängern wie Tomi Ungerer, Simone Veil und Jean Asselborn“ treten zu können. Der Grund: Habermas bekommt den Deutsch-Französischen Journalistenpreis. Den hat Asselborn bereits 2016 abgestaubt.
„Loscht op muer“ aber „keng Loscht op d’CSV“
Aber vielleicht wird das mit dem Ministeramt für Viviane sowieso schwierig. Denn Etienne ist zwar mit CSV-Menschen unterwegs, aber eine Koalitionsaussage soll das nicht sein. „Das Land braucht Macher, keine Schläfer“, sagte er diese Woche, als er Bilanz der letzten fünf Jahre zog.
Dabei wurde eins klar: Blau-Rot-Grün war ein Erfolg – und sei es nur, weil es dem Trio gelungen ist, die übermächtige CSV vom Regierungsthron zu stoßen. Diesen Siegeszug von 2013 feiert die LSAP bis heute.
„Et hat kee méi Loscht op d’CSV”, so Etienne Schneider am Mittwoch. Blickt man auf 2013 zurück, hatte die LSAP damals – getreu ihres Wahlmottos – vor allem „Loscht op muer“. Die Zukunft des Landes wollte die Partei aber lieber ohne CSV planen, denn spätestens nach der Srel-Affäre war ihr die Lust auf Jean-Claude Juncker vergangen.
Was bleibt von Blau-Rot-Grün?
Der Königsmord an JCJ ist wohl das, was in den Geschichtsbüchern übrig bleiben wird. „Es ist eine gute geführte Regierung, aber auch nicht mehr“, analysierte 100,7-Chefredakteur Jean-Claude Franck beim ersten REPORTER Live-Event am Montag.
Doch die LSAP ist sich sicher (fast) alles richtig gemacht zu haben. Die Erfolge der Koaltion zählten Schneider, Bodry und Hagen diese Woche auf: von Pflegereform bis Pappecongé, von Spacemining bis Steuerreform. Die gemeinsame Koalitionsbilanz? Laut Bodry „eine gute Basis, um weiterzuarbeiten“. Noch nie habe eine Regierung so viel umgesetzt, meinte der grüne Parteichef Christian Kmiotek am Samstag.
„Schmerzliche Momente”, wie Schneider sie nannte, gab es in dieser Legislaturperiode zwar auch – man denke nur zurück an Referendum und Zukunftspak. Da hält die LSAP aber an ihrer Devise fest: Kam nicht gut an, war aber notwendig.
Koalitionsaussagen sind doof
Zwar finden alle Mehrheitsparteien die Bilanz der letzten fünf Jahre super. Doch Kmiotek sagte am Montag bei Radio 100,7, er habe keine „Traumkoalition“. Und war wohl froh, dass eine Partei mit sechs Sitzen überhaupt nach einer Koalitionsaussage gefragt wird.
„Jede Partei wird nun ihre eigenen Ideen versuchen umzusetzen“, sagte Alex Bodry. Jeder für sich. Doch laut den Journalisten Jean-Claude Franck und Caroline Mart gilt dieses Motto erst seit dem Fiasko des Referendums, wie sie im REPORTER Live erklärten. Die „Klassenfahrt ouni Prof“ (dixit Mart) war da vorbei.
Dabei könnten die drei Parteien durchaus sagen: Unsere Bilanz kann sich sehen lassen, wir haben Lust, gemeinsam weiter zu machen, meinte Caroline Mart. Tun sie aber nicht. Und so drängt sich der Eindruck auf, dass alle sich für eine Koalition mit der CSV rüsten.
Die LSAP legt schon mal vorsichtshalber “rote Linien” für eventuelle Koalitionsgespräche fest: Am Rentensystem wird nicht gerüttelt, die Erhöhung des Mindestlohns soll zum 1. Januar 2019 in Kraft treten und niemand soll auf die Idee kommen, den Index „zu manipulieren“.
Und die CSV? Die wartet gelassen ab. Das Wahlprogramm kommt erst am 15 September – ein Work in Progress. Und wie Claude Wiseler schreibt: „E Plang fir Letzebuerg: Mir schaffen drun.“