In Bonn stehen zwei Aktienhändler vor Gericht, die den deutschen Staat um hunderte Millionen Euro betrogen haben sollen. Einer der beiden Angeklagten nutzte Luxemburger Firmen für verdächtige Aktiendeals. Die niederländischen Behörden ermitteln – auch in Luxemburg.
9. Januar 2018: Ermittler durchsuchen zeitgleich Büros in Utrecht und in der Avenue Monterey in Luxemburg. Es geht um 45 Millionen Euro, die der niederländische Staat zurückfordert, wie die Zeitung „De Telegraaf“ berichtete. Hintergrund ist der Verdacht auf Steuerbetrug.
Die Hausdurchsuchung bei „Teston Finance Sàrl“ in Luxemburg wurde aufgrund eines Rechtshilfeersuchens der niederländischen Staatsanwaltschaft in Zwolle durchgeführt, bestätigt ein Sprecher der luxemburgischen Justiz auf Nachfrage.
Was allerdings bisher unter dem Radar blieb sind die Hintermänner der Luxemburger Briefkastenfirma. Der Brite Martin S., der in Bonn vor Gericht steht, hält laut „Registre des bénéficaires effectifs“ 52 Prozent der Muttergesellschaft von Teston Finance. Zweiter Teilhaber ist der Neuseeländer Paul Mora, einer der Hauptdrahtzieher hinter dem Cum-Ex-Skandal.
Europaweit entstand ein Schaden von mindestens 55,2 Milliarden Euro für die Steuerkassen.
Der Name ändert, die Geschäfte gehen weiter
Paul Mora steht zwar nicht in Bonn vor Gericht, wird aber von der Staatsanwaltschaft Köln als Beschuldigter geführt. In Frankfurt liegt eine Anklage vor, berichtete das „Handelsblatt“. Martin S. muss sich unter anderem für die Geschäfte verantworten, die er innerhalb der Unternehmensgruppe „Ballance Capital“ zusammen mit Mora durchführte. Auch der zweite Hauptangeklagte im Bonner Prozess, Nicholas D., arbeitete für Ballance. Laut Anklage sollen sie zwischen 2006 und 2011 etwa 447 Millionen Euro aus der deutschen Staatskasse erbeutet haben.
Eigentlich sollte 2012 die Party vorbei sein. Deutschland änderte seine Gesetze und schloss endgültig jegliche Gesetzeslücke für Cum-Ex-Geschäfte. Doch Martin S. sagte 2018 vor den deutschen Ermittlern aus, dass das Spiel trotzdem weiterging – auch nach 2012 und unter anderem via Luxemburg. Auch ein weiterer Cum-Ex-Drahtzieher begann 2012 mit verdächtigen Deals in Luxemburg: Sanjay Shah. REPORTER berichtete im Januar exklusiv über den Verdacht auf Steuerbetrug in Höhe von knapp 10 Millionen Euro.
Martin S. und Paul Mora änderten den Namen ihrer Finanzunternehmen 2010 von Ballance zu Arunvill und blieben ebenfalls im Geschäft.
Luxemburg im Zentrum der Firmenstruktur
Anfang 2013 gründete dann „Arunvill Capital Limited“ mit Sitz auf den Kaimaninseln in Luxemburg die Gesellschaft „Teston Holdings Sàrl“. Letztere gründet am gleichen Tag wiederum „Teston Finance“.

Bereits 2012 gründeten die Geschäftspartner Martin S. und Paul Mora mehrere Gesellschaften in Luxemburg mit denen sie unter anderem ihre britischen Firmen kontrollierten. Mora hielt seine Anteile an „Arunvill Holdings Gibraltar“ – einem Kernstück der Gruppe – über seine Luxemburger Gesellschaft „M Family Holdings Sàrl“.
Ein „Spiegelkabinett“ an Geschäften
Im Gründungsjahr 2013 starteten Teston Holdings und Teston Finance Geschäfte in Milliardenhöhe. Teston Finance vergab einen Kredit in Höhe von zwei Milliarden Euro an Teston Holdings. Das geht aus den im Handelsregister verfügbaren Jahresberichten hervor. Im Gegenzug erhielt Teston Finance eine Vergütung von 800 Millionen Euro. Ein Teil dieses Geldes floss laut „De Telegraaf“ weiter an den holländischen Fonds „Finles Global Opportunity Fund“. Die niederländische Zeitung schreibt von einem „Spiegelkabinett“ an Geschäften, das die Steuerbehörden täuschen sollte.
Im Jahresbericht 2013 von Teston Holdings stehen 45 Millionen Euro an erstatteten Quellensteuern auf Dividenden. Ob es die gleiche Summe ist, die die holländischen Behörden vermissen, ist nicht belegt. Vieles deutet jedoch darauf hin, dass Cum-Ex-ähnliche Geschäfte im Spiel waren. Dazu zählen die hohen Handelsvolumen, die erstatteten Quellensteuern als Einnahmequelle sowie Aktienkaufoptionen. Und nicht zuletzt die Hintermänner Martin S. und Paul Mora. Laut der „Süddeutschen Zeitung“ erklärte S. den deutschen Ermittlern mehrere komplizierte Schemata an Aktiendeals, mit denen der Cum-Ex-Betrug nach 2012 weitergeführt wurde.
Unklar ist auch, ob es bei den 45 Millionen Euro blieb. Der „Finles Global Opportunity Fund“ hatte 2016 eine Steuerschuld von 77 Millionen Euro angehäuft.
Ein schleppendes Verfahren
Laut einer mit dem Dossier vertrauten Person kam der Luxemburger Staat bei den Geschäften von Teston Finance nicht zu Schaden. Die luxemburgische Staatsanwaltschaft bestätigt, dass hierzulande kein Verfahren gegen die Briefkastenfirma läuft.
Doch die niederländischen Behörden scheinen nicht mit den Ermittlungen weiterzukommen. Eine mit der Firma vertraute Person sagte REPORTER, dass es seit der Hausdurchsuchung 2018 keine weiteren Schritte gegeben habe und es keine Hinweise auf illegale Aktivitäten von Teston Finance gebe.
Die Verteidiger der beiden Hauptangeklagten im Bonner Prozess versuchen die Richter zu überzeugen, dass ihre Mandanten nie vorsätzlich Steuerhinterziehung begangen hätten. Mindestens bis 2009 habe es in Deutschland juristisch Unklarheit über die Legalität von Cum-Ex-Deals gegeben, sagte der Anwalt von Nicholas D. dem Radio 100,7. Ab 2009 sei diese Argumentation jedoch schwieriger.
REPORTER recherchiert weiter zu den Verbindungen zwischen der Cum-Ex-Affäre und dem Luxemburger Finanzplatz. Wenn Sie Informationen zu diesen Geschäften haben, erreichen Sie unseren Reporter Laurent Schmit per E-Mail oder über den sicheren Messenger Threema (ID: XJ8W8WWK). Alle Hinweise unterliegen dem Quellenschutz.
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