Deutsche Staatsanwälte ermitteln seit Jahren gegen Finanzmanager, die mit fragwürdigen Aktiendeals Steuern in Milliardenhöhe hinterzogen haben. Dabei richtet sich ihr Augenmerk auch gegen die niederländische Bank ABN Amro und einen Luxemburger Fondsverwalter: die „Kirchberg-Gruppe“.

Es ist ein Puzzleteil in dem weiterhin lückenhaften Bild: In einem weiteren Fall waren Luxemburger Gesellschaften in den europaweiten Cum-Ex-Skandal verwickelt. Anfang April führten deutsche Ermittler eine Großrazzia in Frankfurt durch. Visiert war unter anderen die deutsche Niederlassung der niederländischen Bank ABN Amro. Es war nicht das erste Mal: Bereits 2014 und 2016 forderte die Kölner Staatsanwaltschaft Informationen von der Bank zu fragwürdigen Geschäften, wie die Journalisten der niederländischen Investigativ-Plattform „Follow the Money“ berichteten.

Als die Kölner Staatsanwältin Anne Brorhilker im Januar 2016 ABN Amro mit Fragen zu ihren Geschäften konfrontierte, brach offensichtlich Panik aus. Noch im selben Monat kappte die Bank ihre Verbindungen zur Luxemburger „Kirchberg-Gruppe“. Letztere klagte in einem Eilverfahren gegen die Vertragskündigung der Bank. Der Grund: Die ABN Amro Clearing Bank wickelte die Aktiengeschäfte der Kirchberg-Gruppe ab und finanzierte sie. Dabei ging es laut dem Urteil der niederländischen Richter darum, „Ineffizienzen“ im Aktienmarkt rund um die Dividendenausschüttung auszunutzen. Das ist ein Euphemismus für Cum-Ex-Geschäfte.

Ein Alibi-Verkauf

Der Bank war klar, um was es geht: „Das ist Aktienhandel, der auf Steuervermeidung abzielt“, verteidigte sich das Institut vor den Richtern 2016. ABN Amro musste es wissen, denn bis 2010 war die „Kirchberg-Gruppe“ eine Tochter der Bank. Anschließend übernahmen die Manager des Fonds die dazugehörigen Gesellschaften.

Vergangenen November berichtete „Follow the Money“ über die Rolle von ABN Amro im Kontext der Recherche „CumEx-Files“. Die Bank gab damals zu: „ABN Amros rechtlicher Vorgänger, Fortis Bank (Nederland), ABN Amro und mehrere frühere Tochtergesellschaften waren direkt oder indirekt an einer gewissen Zahl solcher [Cum-Ex]-Transaktionen beteiligt.“ Aber: 2010 habe die Bank die Tochtergesellschaften an die Manager verkauft und habe seitdem nicht mehr an solchen Geschäften teilgenommen. Doch das Spiel lief bis 2016 weiter – weil die Kirchberg-Gruppe jetzt als Kunde von ABN Amro außerhalb der direkten Zuständigkeit weitermachte.

Die Kirchberg-Gruppe scheiterte mit ihrer Klage gegen ABN Amro. Der Vertrag lief Mitte 2016 aus. Die Aktivitäten rund um den Fonds „Kirchberg Securities Finance Fund“ nahmen deutlich ab, wie die im Luxemburger Handelsregister verfügbaren Jahresberichte zeigen. Zwar führte die Bank den Aktienhandel nicht mehr für die Kirchberg-Gruppe aus, aber die Luxemburger ABN-Amro-Filiale blieb die Depotbank des Fonds.

Offenbar keine Ermittlungen in Luxemburg

Bis heute ist „Kirchberg Securities Finance Fund“ als Investmentfonds durch die Luxemburger Finanzaufsicht CSSF zugelassen – trotz der Vorwürfe. Das Gleiche gilt für den Fondsverwalter „Kirchberg Asset and Investment Management“. Alle Gesellschaften sind laut Handelsregister weiterhin aktiv.

Die Kölner Staatsanwaltschaft fragte laut „Follow the Money“ bei ABN Amro nach Informationen zur Kirchberg-Gruppe. Doch es scheint kein Rechtshilfeersuchen in Luxemburg gegeben zu haben. Die zuständige Stelle könne keine solche Anfrage aus Köln finden, so die Sprecherin der Luxemburger Justiz. Die Kölner Staatsanwaltschaft verwies auf Anfrage von REPORTER lediglich auf das Steuergeheimnis.

Eine Rückforderung von knapp 100 Millionen Euro

Wie die fragwürdigen Aktiendeals innerhalb der Kirchberg-Gruppe durchgeführt wurden, lässt sich aus den Jahresberichten nicht erschließen. Ein Hinweis ergibt sich aber: Die KirchbergInvest Holding war noch 2017 die Muttergesellschaft der deutschen „Mainhattan Finance & Trading“. Von letzterer forderte der deutsche Fiskus 2012 eine Steuerrückzahlung von 98 Millionen Euro wegen illegalen Aktiendeals zwischen 2007 und 2009, wie „Het Het Financieele Dagblad“ berichtete.

„Mainhattan“ hieß ursprünglich „Fortis GSLA Finance Holding“, damals eine Tochter der niederländischen Fortis (die später zu ABN Amro wurde). Dort verdienten unter anderem die Kirchberg-Manager Frank Hodyjas und Paul White ihre ersten Sporen, wie „Follow the Money“ berichtete.

Für ABN Amro war die Verwicklung in Cum-Ex-Geschäfte höchst brisant. Denn nach dem Zusammenbruch der Fortis in der Finanzkrise übernahm der niederländische Staat den holländischen Teil, sprich die ABN Amro. Bereits 2013 wollte der damalige Finanzminister Jeroen Dijsselbloem die Bank schnellstmöglich an die Börse bringen und so die staatliche Beteiligung wieder loswerden. Großrazzien wären in diesem Kontext „sehr unpraktisch“, wie „Follow the Money“ schreibt. Entsprechend geräuschlos führten die niederländischen Behörden die Rechtshilfeersuchen aus Köln aus.