Die Diskriminierung von Menschen schwarzer Hautfarbe bleibt in Luxemburg ein vorherrschendes Problem. Dennoch wird der Kampf gegen den strukturellen Rassismus weiterhin halbherzig geführt. Den Betroffenen wird oft wenig Gehör geschenkt. Eine Analyse.

„Den Leuten ist egal, woher man kommt, wie viel Geld oder welche Hautfarbe man hat“, sagte die EU-Abgeordnete Monica Semedo (DP) jüngst der FAZ. Jene Menschen, die letzte Woche im Cercle Cité darüber diskutierten, was es bedeutet, in Luxemburg „schwarz“ zu sein, würden diese Aussage nur zu gerne unterschreiben können.

Doch so pauschal lässt sich dieser Eindruck natürlich nicht bestätigen. Studien belegen, dass es eben nicht egal ist, mit welcher Hautfarbe man hierzulande aufwächst und durchs Leben geht. Etwa jene der EU-Menschenrechtsagentur (FRA). Daraus geht hervor, dass in Luxemburg jeder zweite Mitbürger afrikanischer Herkunft aufgrund seiner Hautfarbe diskriminiert wird.

Hinter abstrakten Statistiken verbirgt sich die gelebte Wirklichkeit zahlreicher Betroffener: „Was macht eine Schwarze im Gymnasium?“ „Jemanden wie dich stellen wir nicht ein.“ „Bist du sicher, dass du einen Luxemburger Pass hast?“, sind nur einige Aussagen, mit denen sie tagein, tagaus konfrontiert sind.

Immer wieder wird ihnen das Gefühl vermittelt, dass sie nicht zu Luxemburg gehören. Zu jenem Land, das sich nach außen gerne als Musterbeispiel für Integration, Multikulturalität und ein harmonisches Zusammenleben darstellt.

Ein unterdrücktes Problem

„Es ist ein Tabu darüber zu sprechen“, sagt Antonia Ganeto vom „Réseau Afrodescendant Luxembourg“(Finkapé). Das Netzwerk setzt sich dafür ein, dass Menschen afrikanischer Herkunft in Luxemburg mehr Gehör geschenkt wird. „Zu oft werden wir nicht ernst genommen“, bedauert Ganeto.

Auch Ghislaine Tchiusseu von der Vereinigung afrikanischer Frauen „Kweni“ betont: „Wir Schwarzen existieren nicht als Teil der Gesellschaft. Wir sind unsichtbar.“

Unsichtbar ist weiterhin auch die Tatsache, dass es eine strukturelle Diskriminierung von Menschen mit schwarzer Hautfarbe überhaupt gibt. Corinne Cahen gab sich anlässlich der Konferenz schockiert: Es sei schwer nachvollziehbar, wieso Menschen überhaupt Vorurteile gegen ‚Schwarze‘ haben, sagte die DP-Ministerin.

Dabei überrascht weniger das Wissen darum, dass es Diskriminierung und Rassismus in Luxemburg gibt. Dass die Selbstdarstellung Luxemburgs als Ort, an dem alle Menschen harmonisch nebeneinander wohnen, utopisch ist, dürfte auch dem Optimistischsten aller Mitbürger einleuchten. Schockierend ist vielmehr die Tatsache, dass im Cercle Cité auf einmal die Menschen und Geschichten hinter den Statistiken sichtbar wurden.

Diskriminierung und Alltagsrassismus

Die Spuren des Alltagsrassismus aber sind überall: Es sind die Stereotypen über „Afrika“, die man noch heute in den Luxemburger Schulbüchern liest. Die ungläubigen Blicke, wenn Menschen mit schwarzer Hautfarbe sich als „Luxemburger“ vorstellen. Es sind die Medienberichte, die den Eindruck verstärken, dass alle „Schwarzen“ entlang des Hauptbahnhofes Kriminelle seien. Es sind die Berichte verzweifelter Mitbürger, die keine Wohnung finden.

Die Diskriminierung äußert sich allerdings auch im Fehlen jeglicher öffentlicher Anerkennung dieser Probleme. „Sobald wir etwas sagen, wird relativiert oder die Menschen gehen in die Defensive“, bedauert Antonia Ganeto. Als Mitarbeiterin des Zentrums interkultureller Bildung (IKL) sensibilisiert sie Kinder und Erwachsene für ein besseres Zusammenleben.

Nicht erst seit heute

Das Wissen um die Probleme müsste eigentlich seit Langem in der Politik angekommen sein. Ein Austausch zwischen zuständigen NGOs und Vertretern der Zivilgesellschaft – etwa der Ausländerorganisation „Asti“ oder des „Comité de Liaison des Associations d’Etrangers“ (CLAE) – findet schließlich statt, bestätigt Corinne Cahen im Gespräch mit REPORTER.

Und die Studie der FRA, in der Luxemburg so schlecht abschneidet, ist keineswegs neu: Sie ist seit November 2018 öffentlich. Bereits im März dieses Jahres kam deren Autor Michael O’Flaherty nach Luxemburg, um an Politik und Zivilgesellschaft zu appellieren. Schon damals betonte er: Rassismus ist in Luxemburg ein reales Problem. Nun sei es an der Politik, sich mit diesem zu befassen und Ursachenforschung zu betreiben.

Wir sind da. Wir müssen nur gesehen werden.“Ghislaine Tchiusseu

Wieso das Gefühl vorherrscht, die Politik nehme die Sorgen der Betroffenen nicht ernst, zeigt sich an mehreren Fronten. Da wäre etwa die unglücklich formulierte Antwort Corinne Cahens auf eine parlamentarische Anfrage von Dan Biancalana (LSAP), in der sie auf die weit geringere Melderate des „Centre de l’égalité de traitement“ (CET) verweist. Dieses würde jährlich nur rund 20 Fälle von Diskriminierung verzeichnen, bei der die „Rasse“ als Ursache aufgelistet sei.

Fakt ist jedoch, dass der CET chronisch unterbesetzt und unterfinanziert ist, und dass längst nicht jeder von dessen Existenz weiß. Und, dass es in Luxemburg überhaupt keine kohärenten Statistiken zur Diskriminierung gibt – ein Problem, das nicht nur die Antirassismus-Kommission des Europarates (ECRI) seit Jahren kritisiert, sondern auf das der CET selbst seit nunmehr zehn Jahren hinweist.

Menschen in prekären Situationen betroffen

Gleichzeitig treffen Rassismus und Diskriminierung jene Menschen am meisten, die ohnehin schon zu den schwächsten sozioökonomischen Schichten gehören. „Ihnen fehlen oft Unterstützung und Ressourcen, um sich zu wehren“, betont Antonia Ganeto.

„Es hilft den Betroffenen nicht unbedingt, Missstände laut anzuprangern“, sagt auch der Direktor von „Inter-Actions“, Roger Faber. Die Vereinigung hilft Menschen in prekären Situationen, eine Unterkunft zu finden. Die Hautfarbe sei dabei viel zu oft ein Ausschlusskriterium, berichtet er. „Melden sich zehn Menschen für eine Wohnung ist von vornherein klar, dass ‚Schwarze‘ an letzter Stelle stehen.“

Der Teufelskreis ist bereits vorgezeichnet: Menschen, die bereits am Rande der Gesellschaft stehen, werden aufgrund ihrer Hautfarbe weiter ins Abseits gedrängt.

Keine Patentlösung gegen Diskriminierung

Doch was tun, um diese Probleme zu bekämpfen? Wie vorgehen, damit sich auch die „schwarze“ Gemeinschaft als Teil der Gesellschaft verstehen, und vor allem fühlen kann?

Lösungsansätze gibt es durchaus: Sie reichen von der Sensibilisierung von Schülern, Lehrern und Beamten, über die Stärkung und Förderung der zuständigen Anlaufstellen und die Erhebung zuverlässiger Statistiken bis hin zur konsequenten Umsetzung des nationalen Aktionsplans für Integration.

Welche Bedeutung wird der Hautfarbe der Kinder in Vorschulen und Schulen beigemessen? Wie werden „Schwarze“ in den Medien dargestellt? Gibt es überhaupt positive Berichte? Oder ist die Hautfarbe immer nur dann ein Thema, wenn es um Kriminalität oder Migration geht? Welche Rolle spielen „Schwarze“ im öffentlichen Leben? Und ganz besonders: Haben sie dort überhaupt einen Platz? Fragen wie diese müssen konsequent und durch alle Instanzen hindurch gestellt werden.

Die Spuren der kolonialen Vergangenheit

Für Antonia Ganeto und Ghislaine Tchuisseu reicht der Kern heutiger Diskriminierungen allerdings weit in die Vergangenheit zurück. Die Luxemburger waren nicht neutral. Auch sie waren im Kongo, sagen sie wie aus einem Munde. „Die Vorstellung, dass Weiße auf Schwarze herabschauen; dass wir weniger intelligent sind, dass wir kriminell oder primitiv sind, ist nicht einfach so verschwunden“, betont Ghislaine Tchuisseu.

Es ist nicht allzu lange her, da wurden auch in Luxemburg schwarze Menschen auf der „Schueberfouer“ als exotische Attraktionen vorgeführt, und „Nickneger“ gehörten zum Kircheninventar.

Die Diskriminierung von „Schwarzen“ zehrt aus diesen Konstrukten. Der Kreis lässt sich nur dann durchbrechen, wenn man sich mit den Wurzeln solcher Stereotypen auseinandersetzt. Etwa durch die Hinterfragung der eigenen, und kollektiven Vorstellungen von Identität, Nation und Gesellschaft, von der Unterscheidung zwischen „uns“ und den „anderen“.

Die Debatte steht aus

So ist es auch problematisch, von der Diskriminierung gegen „Schwarze“ gleich auf andere Formen der Diskriminierung zu schließen – als nehme „Rassismus“ eine Sonderstellung ein, wenn man nur darüber redet.

Auch Corinne Cahen formuliert dieses Argument im Gespräch mit REPORTER. Es impliziert, dass jede Form von Diskriminierung die gleichen Ursachen hat, und es Patentlösungen gibt, die sich auf alle Formen von Diskriminierung gleichermaßen anwenden lassen.

Diese Haltung ist insofern Teil des Problems, als sie jegliche kollektive Mitschuld an der heutigen Situation kategorisch ausschließt – eine fundierte Debatte über die Wurzeln des Rassismus ist somit von vornherein ausgeschlossen. In Luxemburg aber steht genau diese Debatte noch aus.

Will man diese Diskussion anstoßen, reicht es nicht, bloß über die „schwarze“ Gemeinschaft zu diskutieren, statt mit ihr. Ghislaine Tchiusseu bringt es auf den Punkt: „Wir sind da. Wir müssen nur gesehen werden.“