Mohamed würde in Luxemburg gerne wieder als Englischlehrer arbeiten. Doch ist dies für den Syrer sehr schwer. Eine gute Ausbildung macht es paradoxerweise nicht einfacher eine Arbeit zu finden. Die ADEM unterstützt Flüchtlinge wie Mohamed mit einem zielgerichteten Programm.

Die zweifache irakische Mutter Ban findet trotz ihrer guten Englischkenntnissen in Luxemburg keine Arbeit. Genau wie Mohamed unterrichtete sie in ihrem Heimatland Englisch und möchte wieder als Lehrer arbeiten. Ban und Mohamed sind zwei der 677 Flüchtlinge, die gegenwärtig beim Arbeitsamt ADEM eingeschrieben sind.

Dort kümmert sich neben ihrem persönlichem Berater auch die speziell für Flüchtlinge eingerichtete Abteilung  „Cellule BPI“ (für „bénéficiaires de protection internationale“) um sie. Dass Ban und Mohamed keine Arbeit finden, hängt von unterschiedlichen Faktoren ab. Die Arbeitssuche für Berufe im Erziehungswesen gestaltet sich generell für Flüchtlinge schwer. Diese benötigen nämlich einen Auszug aus dem Strafregister. Letzterer kann den Flüchtlingen allerdings seitens ihres Heimatlandes nicht ohne Weiteres zugestellt werden. Hinzu kommt ein allgemeines Problem für Lehrer: Ihr Sprachniveau ist mit dem in Luxemburg geforderten Kenntnissen nicht immer vergleichbar.

Unterschiede im Kompetenzniveau gibt es dann auch in vielen anderen Bereichen. „Auch wenn man eine Ausbildung als Maschinenbauingenieur hat, bedeutet das nicht unbedingt, dass man genau dieselben Kenntnisse hat wie jemand, der das gleiche Fach in Europa studiert hat“, erklärt Thierry Hirsch, der bei der ADEM die „Cellule BPI“ leitet. Es handele sich um eine Frage der im Beruf benötigten Kompetenzen, die je nach Land dem luxemburgischen Standard nicht immer entsprechen. „Es kann sein, dass die Person zunächst eine Fortbildung benötigt, um in ihrer ehemaligen Funktion hier arbeiten zu können“, so Hirsch.

Auch die Anerkennung der Diplome ist längst nicht immer einfach. Doch sei sie, mit Ausnahme der Berufe im Gesundheitsbereich, nicht das größte Problem, meint Hirsch. Die Anerkennung der Diplome läuft gemäß einer von der UNESCO erstellten Äquivalenztabelle, die die Einstufung der Kompetenzen ermöglicht. „Je nach Land wird ein Masterdiplom beispielsweise bei uns mit einem Bachelor gleichgestellt“, so der ADEM-Mitarbeiter.

Thierry Hirsch leitet bei der ADEM die „Cellule BPI“, die Flüchtlingen bei der Arbeitssuche hilft. (Foto: Matic Zorman)

Eigenen Angaben der Arbeitsuchenden zufolge, besitzen 35 Prozent von ihnen einen Hochschulabschluss, 27 Prozent haben ein Sekundarabschluss. 8 Prozent brachen die Schule in der unteren Sekundarstufe ab, 26 Prozent besuchten lediglich die Grundschule. Für die restlichen vier Prozent fehlen derzeit weitere Angaben.

Flüchtlinge ohne Diplome finden schneller eine Arbeit

Hochschuldiplome sind aber längst kein Garant für einen gelungenen Berufseinstieg. „Statistiken zeigen, dass weniger qualifizierten Flüchtlingen die Eingliederung in den hiesigen Arbeitsmarkt einfacher fällt“, sagt Thierry Hirsch. „Berufe, die einen Hochschulabschluss erfordern, setzen meist viel bessere Sprachkenntnisse voraus. Dann scheitert die Jobsuche oft an den Sprachhürden.“

Da bei manuellen Berufen die Kunst des Handwerks im Vordergrund steht, ist die Berufsausübung auch mit begrenzten Sprachkenntnissen möglich. Problematisch sind ungefähre Sprachkenntnisse hingegen bei Berufen, die viel Kommunikation oder Kundenberatung erfordern. Wer die Sprache nicht beherrscht, kann sein Wissen nicht kommunizieren.

Die unmögliche Arbeitssuche der Ärzte

Ärzten wird der Zugang zum Beruf verweigert, wenn sie in Luxemburg keine spezielle Genehmigung und somit ein Recht auf die Ausübung des Berufs haben. „Wir beraten eine handvoll Ärzte und Apotheker, die in Luxemburg keine Arbeitserlaubnis bekommen“, erklärt Marc Piron der „Association de Soutien aux Travailleurs Immigrés“ (ASTI). Er leitet das Projekt „Connections“, das seit 2016 80 Flüchtlingen für unbezahlte Praktika vermitteln konnte.

Den Traumberuf aufgeben, einen neuen Beruf erlernen

Für einige Flüchtlinge ist die berufliche Neuorientierung die einzige Option. So kam es, dass Mohamed, der eigentlich Englischlehrer ist, ein Praktikum bei Digital Inclusion machte. Die Vereinigung repariert alte und weggeworfene Computer, um sie später gratis an Flüchtlinge zu überreichen und diesen damit wortwörtlich die digitale Inklusion ermöglicht. Doch gibt Mohamed zu: „Es war nicht wirklich mein Ding und ich fand mich in dieser Arbeit nicht wieder.“

Mohamed verweigert sich einer Umorientierung nicht. Er sucht bereits aktiv nach einem Job im Marketing. Dennoch ist für klar: „Ich liebte meine frühere Arbeit und würde auch sehr gerne wieder als Lehrer arbeiten.“ Genauso geht es auch der irakischen Mutter Ban, die auf eine fast fünfzehnjährige Erfahrung zurückblickt. „Ich wollte hier als Lehrerin weiterarbeiten, doch hat man mir gesagt, dass ich dafür auch gute Französischkenntnisse brauche“, erklärt sie.

677 Flüchtlinge sind gegenwärtig beim Arbeitsamt ADEM eingeschrieben. (Foto: Ali Sahib)

Bei einem Wechsel legen der Projektleiter der ADEM und sein Team den Flüchtlingen einen Beruf nahe, dessen Kompetenzen ihnen auch bei einer möglichen Rückkehr ins Heimatland von Nutzen sein könnte. Die Umorientiererung erfolgt dabei stets unter Berücksichtigung des bisherigen schulischen und beruflichen Werdegangs. Sinnvoll sind etwa Berufe in der ICT, dem Handwerk oder der Baubranche. „Nach dem Krieg wird dem Neuaufbau der Städte in Syrien eine wichtige Rolle zukommen“, unterstreicht Thierry Hirsch. Nicht zuletzt ist die diesbezügliche Fachausbildung auch im Sinne des hiesigen Arbeitsmarkts – im luxemburgischen Handwerk und der Bauindustrie herrscht bekanntlich ein akutes Rekrutierungsproblem.

Die Umschulung und das Erlernen eines neuen Berufs stören Flüchtlinge laut Hirsch generell nicht. „Viele von ihnen sind dafür ganz offen.“

Schwächen und Einstellungshürden

Im Rahmen des Projektes, das sich speziell an Flüchtlinge richtet und vor einem Jahr ins Leben gerufen wurde, analysiert Thierry Hirsch generelle Schwächen und Einstellungshürden. „Bei der ADEM ist es unser Ziel, Arbeitssuchenden mit fehlenden Qualifikationen fit für den Arbeitsmarkt zu machen und ihnen gegebenenfalls eine adäquate Schulung anzubieten. Einige Schulungen sind für Flüchtlinge allerdings aufgrund der Unterrichtssprache Französisch schwer zugänglich“, erklärt er.

Ban möchte in Luxemburg als Englischlehrerin arbeiten. (Foto: Ali Sahib)

Ein Beispiel ist eine von der ADEM angebotene intensive Schulung für Computer-Programmierung und -Codierung. Diese macht für IT-gewandte Flüchtlinge mit einem Rückstand zu den hiesigen Standards durchaus Sinn. Bei seiner Analyse stellte der Abteilungsleiter fest, dass diese Schulung auf Französisch angeboten wurde – obwohl im Beruf hauptsächlich Englisch erforderlich ist. Seit kurzem läuft die Schulung auf Englisch.

Flüchtlinge wissen die Arbeit von Thierry Hirsch und seinem Team zu schätzen. „Ich bin Thierry Hirsch sehr dankbar. Er hat mir dabei geholfen, einen speziellen Ausbildungskurs für Englischlehrer in Esch-Belval zu finden, damit ich hoffentlich irgendwann wieder als Lehrer arbeiten kann“, sagt Mohamed.

Arbeitgeber sucht Flüchtling

Mindestens 113 Flüchtlinge fanden im vergangenen Jahr einen Arbeitsplatz. Dennoch ist die Anzahl der Erfolgsgeschichten höher. Bei den 113 handelt es sich lediglich um jene Menschen die bei der ADEM tatsächlich als Arbeitssuchende registriert waren. Hinzu kommen einige der 20 Schutzsuchende, die dank des „Connections“-Programms der ASTI ein Praktikum machten und denen im Anschluss daran ein Arbeitsvertrag angeboten wurde.

Mein erster Arbeitstag war großartig. Ich fühlte mich endlich wieder produktiv.“

Erfolgsgeschichten gibt es auch bei Arbeitgebern, die sich besonders um die Einstellung von Flüchtlingen bemühen und mit diesem Ziel im Kopf bei der ADEM anklopfen. Unter ihnen die Vereinigung Proaktiv, die Langzeitarbeitslosen über Beschäftigungsmaßnahmen bei der beruflichen Wiedereingliederung hilft. Einer von ihnen ist der 37-jährige Majid. Der Iraker  arbeitet dort als Bauer. Der für zwei Jahre unterschriebene Arbeitsvertrag half ihm seine Autonomie zurückzugewinnen. Zwar wäre es mit dem Mindestlohn schwer, seine vierköpfige Familie über Wasser zu halten. Doch wird dies dadurch möglich, dass seine Frau das garantierte Mindesteinkommen bezieht.

„Generell sind die Menschen hier sehr nett zu mir und verstehen meine Situation gut“, sagt Majid. An seinen ersten Arbeitstag anfangs Februar erinnert es sich noch genau. „Mein erster Arbeitstag war großartig. Ich fühlte mich endlich wieder produktiv.“ Davor war Majid über ein Jahr lang arbeitslos.

Immer mehr Flüchtlinge auf Arbeitssuche

Mindestens 113 Flüchtlinge fanden im vergangenen Jahr eine Arbeit – ein Anstieg von fast 60 Prozent im Vergleich zu 2016. Doch gilt es, diese Zahl zu nuancieren: Die Zahl der eingeschriebenen Flüchtlinge kannte im selben Zeitraum nämlich ein Anstieg von 50 Prozent. Waren im Januar 2016 lediglich 300 Flüchtlinge eingeschrieben, so waren es ein Jahr später 450. Dem letzten Stand zufolge sind gegenwärtig 677 Flüchtlinge bei der ADEM registriert.

Auch die Universität Luxemburg stellte zwei Flüchtlinge bei sich ein – einen in der Bibliothek, einen in der Logistik. Sie arbeiten dort in Teilzeit. Als größten Arbeitgeber für Flüchtlinge im Land sieht sich unterdessen das Pop-Up Restaurant „Chiche“. Dort arbeiten neben dem syrischen Chef Chadi mittlerweile 13 Schutzsuchende und Flüchtlinge.

Will Luxemburg helfen?

Dennoch herrscht auch bei Luxemburgs Arbeitgebern noch Nachholbedarf. Deshalb bemüht sich Thierry Hirsch auch um Aufklärungsarbeit. Arbeitgebern erklärt er immer wieder, dass das Einstellen eines anerkannten Flüchtlings keiner speziellen Arbeitsgenehmigung bedarf. Und er hebt die Kompetenzen der Flüchtlinge und die positiven Rückmeldungen jener Arbeitgeber hervor, die Flüchtlinge in ihrem Betrieb eingestellt haben. Er bestätigt: „Arbeitgeber haben in ihnen sehr gute und loyale Mitarbeiter gefunden. Es handelt sich generell um sehr motivierte Menschen.“

Und doch bleibt ein weiteres Problem: Für Asylbewerber, deren Schutzbedürftigkeit noch nicht von Luxemburg anerkannt wurde, ist es in Luxemburg fast unmöglich, eine Arbeit zu finden. Diese können lediglich mit einer vom Immigrationsministerium gewährten Arbeitserlaubnis, der sogenannten „autorisation d’occupation temporaire“ (AOT), eingestellt werden. Die ASTI hat die Regierung bereits mehrfach dazu aufgefordert, das Konzept der AOT zu überarbeiten. Diese vorübergehende Arbeitserlaubnis sei sehr aufwendig und schrecke viele Arbeitgeber ab, heißt es. Schutzsuchende, die sich noch in der Asylprozedur befinden und auf ihr Flüchtlingsstatut warten, können sich nicht bei der ADEM anmelden – und damit auch nicht von dem auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenen Programm profitieren.