Nicht nur in Luxemburg kauft sich ein chinesischer Konzern in ein Energieunternehmen ein. Dahinter steht eine klare Strategie Chinas. In Deutschland und Belgien scheiterten Versuche am Misstrauen der Behörden. Chinesischer Einfluss bei Betreibern von Stromnetzen gilt als Sicherheitsrisiko.
Ende Juli kündigte der bisherige Encevo-Aktionär Ardian an, seine Anteile an den chinesischen Staatskonzern CSG zu verkaufen. Wirtschaftsminister Etienne Schneider (LSAP) begrüßte die Entscheidung und sah absolut kein Risiko bei diesem Deal. Doch sein deutscher Kollege, Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), hatte genau vier Tage zuvor die Notbremse in einem sehr ähnlichen Fall gezogen.
Das deutsche Wirtschaftsministerium teilte mit, dass die staatliche Investitionsbank KfW 20 Prozent am ostdeutschen Netzbetreiber 50Hertz übernehme. Der Hintergrund: Der zweite chinesische Staatskonzern State Grid Corporation of China (SGCC) stand kurz vor dem Kauf, der auf über eine Milliarde Euro geschätzt wurde. Das Ministerium begründete die Entscheidung mit „sicherheitspolitischen Erwägungen“, denn das Stromnetz sei Teil der „kritischen Infrastruktur“. Tatsächlich spannt sich das Netz von 50Hertz über weite Teile Ostdeutschlands.
Welche Gründe die Bundesregierung tatsächlich zu diesem Schritt veranlassten, bleibt offen. Möglicherweise wollten die Behörden vermeiden, dass der chinesische Konzern über den Aufsichtsrat von 50Hertz Einsicht in Notfallpläne bekomme, die bei Hackerangriffen oder großflächigen Strompannen zum Einsatz kommen sollen, berichtete „Die Welt“.
Belgischer Geheimdienst warnte
Ähnlich verlief auch ein Fall in Belgien. Dort wollte derselbe chinesische Konzern 2016 Anteile in Höhe von 14 Prozent an Eandis übernehmen. Das Unternehmen betreibt das Strom- und Gasnetz in Flandern. Es ging um eine Investition von über 800 Millionen Euro.
Der belgische Geheimdienst „Sûreté de l’Etat“ warnte jedoch in einem geheimen Bericht die Eandis-Aktionäre vor SGCC, wie die Zeitung „De Tijd“ berichtete. Offenbar befürchtete der Geheimdienst chinesische Spionage im Stromnetz, das auch zunehmend für Datenströme des Internets genutzt werde.
Der Deal scheiterte letztlich nicht an dieser Warnung, sondern an einer misslungenen Fusion innerhalb der Eandis-Struktur, heißt es in einem Bericht. Trotzdem schuf die geleakte Warnung erstmals ein Bewusstsein für Sicherheitsrisiken, die mit chinesischen Investoren einhergehen, schreibt der belgische Forscher Thomas Renard vom „Institut Egmont“.
Eine klare Strategie Chinas
Abseits der Sicherheitsbedenken stellen sich ebenfalls Fragen hinsichtlich der Industriepolitik. Die chinesischen Investitionen in den europäischen Energiemarkt folgen den Leitlinien der staatlichen Strategie „Made in China 2025“, betont eine Studie der Bertelsmann-Stiftung. Knapp 20 Prozent aller chinesischen Investments in deutsche Firmen fielen auf den Bereich Energieeinsparung und Elektromobilität. Das sind Bereiche, in denen China bis 2025 weltweit führend sein will.
Die Liste der chinesischen Investitionen in den europäischen Energiemarkt ist eindrucksvoll:
- 2012 kaufte das staatliche Unternehmen China Three Gorges Corporation knapp 21 Prozent des nationalen Stromversorgers in Portugal, Energias de Portugal.
- 2012 sicherte sich SGCC ein Viertel der Anteile von REN, dem nationalen Netzbetreiber in Portugal.
- 2014 übernahm SGCC ein Drittel der Holding CDP Reti, die große Teile des italienischen Strom- und Gasnetzes kontrolliert.
- 2016 investierte SGCC 320 Millionen Euro in den griechischen Netzbetreiber ADMIE, was 24 Prozent der Anteile entspricht.
- Ebenfalls 2016 investierte der Staatskonzern China General Nuclear Power umgerechnet knapp 20 Milliarden in das geplante Atomkraftwerk Hinkley Point in Großbritannien.
Hinzu kommen Investitionen von chinesischen Konzernen in europäische Firmen, die eine führende Rolle in den erneuerbaren Energie haben. Oft stünden nicht kommerzielle Ziele der chinesischen Unternehmen hinter den Investitionen, sondern die nationalen Interessen Chinas, heißt es in einer Sonderausgabe der Fachzeitschrift „Energy Policy“.
Ein weltumspannendes Stromnetz
Doch die Staatskonzerne sind nicht nur in Europa aktiv. Weltweit investierte China zwischen 2013 und Anfang 2018 ganze 123 Milliarden US-Dollar in Stromnetze, berichtet die „Financial Times“. Diese Shoppingtour soll laut Berichten der Zeitung bis 2020 weitergehen.
Anschließend will Chinas Regierung erreichen, dass die Netze untereinander verbunden werden. Es soll ein globales Netz entstehen. China wolle seinen Einfluss bei den nationalen Netzbetreibern nutzen, um die Verbindungen zwischen Ländern zu erreichen, so die „FT“. Das Ziel: Der unter chinesischer Kontrolle erzeugte Strom etwa in Afrika oder Asien soll auch in Europa genutzt werden können.
EU will sich besser schützen
Vor allem aber herrscht ein klares Ungleichgewicht: Europa öffnet chinesischen Investoren meist Tür und Tor. China würde jedoch nie zulassen, dass europäische Unternehmen Kontrolle über strategische Infrastrukturen bekämen, sind sich Experten einig.
Die EU will sich deshalb besser schützen. Kommission, Rat und Parlament einigten sich Ende November auf einen neuen Rahmen, um ausländische Investitionen verschärft zu prüfen. Das gilt besonders für Beteiligungen an Energieunternehmen.