Die Hochzeit im Garten, die Beerdigung im Wald: Rituale müssen längst nicht mehr in der Kirche abgehalten werden. Die Alternative? Zivile Zeremonien. Wenn es nach Innenministerin Taina Bofferding geht, sollen diese künftig flexibler gestaltbar werden.

Früher war die Kirche der Ort für alle großen Ereignisse. Ob Taufe, Hochzeit oder Beerdigung: Sie war der Ort, an den man für jeden Wendepunkt im Leben zurückkehrte. Sie war der Ort, an dem gemeinsam gefeiert und getrauert wurde.

Heute ist das anders. Die Kirche ist nicht mehr für jeden ein Ankerplatz. Ihre Relevanz nimmt ab. Große Teile der Gesellschaft können mit ihr als Institution nichts mehr anfangen. Laut der Allianz der Humanisten und Agnostiker (AHA) sind seit 2010 etwa 8.000 Menschen in Luxemburg aus der Kirche ausgetreten. Die katholische Kirche sagt, dass von 2010 bis 2019 5.428 solche Anfragen eingegangen sind.

Und obwohl weniger Menschen etwas mit dem katholischen Glauben anfangen können, gibt es auch weiterhin Rituale, die das Leben strukturieren und in Etappen einteilen. Die Grundidee ist demnach immer noch die gleiche wie früher, die Umsetzung hat sich aber geändert. Trauung, Taufe, Beerdigung werden im Kreis von Freunden und Familie abgehalten. Oft wird die kirchliche Zeremonie durch eine zivile ersetzt.

Zivil und frei statt kirchliches Ritual

In Luxemburg zählt die standesamtliche Trauung als offizielle Eheschließung. Wer heiraten will, muss das demnach erst einmal im Rathaus machen. Laut Statistikamt Statec wurden im Jahr 2017 1.908 Ehen geschlossen, im Jahr 2018 waren es 1.896. Doch während der Trend weg von kirchlichen Zeremonien geht, wünschen sich viele Paare eine persönliche Trauung. Am Standesamt ist das schwierig. Es kann die Sehnsucht nach einer individuellen Feier eigentlich nicht erfüllen.

Im Schnitt haben der Bürgermeister oder die Schöffen  – je nach Gemeinde – 15 bis 20 Minuten, um eine Trauung abzuwickeln. Damit der Tag tatsächlich zum „schönsten des Lebens“ werden kann, wählen viele Paare als Zusatz zum eher unpersönlichen Standesamt eine persönliche Zeremonie. Sie wird entweder von einem freien Redner oder einem Mitglied aus dem Freundeskreis oder der Familie vollzogen.

Eine Hochzeit sollte etwas besonderes sein, viele Paare wollen ihr auch heute noch einen höheren Sinn geben.“Paul Galles, ehemaliger Priester

In Deutschland gibt es etwa 320 freie Redner für Trauungen, Taufen, Beerdigungen. Sie können über Onlineseiten gebucht werden. Dort bieten die Redner mittlerweile auch Scheidungsrituale an. In Luxemburg ist die Zahl der freien Redner noch recht überschaubar. Einer, der öfter gefragt wird, ist der ehemalige Priester Paul Galles. „Etwa 12 bis 15 Anfragen bekomme ich pro Jahr, wobei ich nicht alle annehmen kann“, sagt er. Als Gemeinderat der Stadt Luxemburg hält er auch zivile Zeremonien. An einem Nachmittag können es zwischen drei und fünf sein. „Eine Hochzeit sollte etwas besonderes sein, viele Paare wollen ihr auch heute noch einen höheren Sinn geben“, so Galles.

Die freie Zeremonie habe allerdings positive und negative Aspekte. „In der Kirche gibt es einen rituellen Ablauf. Die Freiheit, die man bei einer nicht-kirchlichen Trauung hat, muss man natürlich auch erst einmal gestalten können“, sagt Galles. Manchmal falle es den Menschen schwer, mit so viel Freiraum umzugehen. Die Struktur, die früher die Kirche festlegte, soll heute der Zeremonienmeister geben.

40 Anfragen pro Jahr

Auch Gilles Soeder arbeitet in Luxemburg als freier Redner. Soeder bietet den Service seit acht Jahren an, hat zwei Mit-Rednerinnen. Vor allem an Wochenenden ist das Team voll ausgelastet, 40 Anfragen gehen im Schnitt pro Jahr ein. Für eine Zeremonie berechnet Soeder rund 1.000 Euro.

„Ich habe auch viele Katholiken“, sagt er. Unter den Paaren seien welche, die nicht mehr kirchlich heiraten können, weil sie bereits verheiratetet waren, homosexuelle Paare, Paare mit unterschiedlichen Glaubensrichtungen. Der Redner oder Zeremonienmeister wird so zum Ersatz-Pfarrer.

Der Vorteil der freien Trauung? Heiraten kann man wo, wie und wann man will – sei es in einer alten Scheune, im Garten oder sogar im Ausland. Nur sind diese Feiern nicht gesetzlich anerkannt. Es führt demnach kein Weg am Standesamt vorbei.

Mehr Flexibilität bei zivilen Zeremonien

In Luxemburg soll die Gesetzgebung aber schon bald für zivile Zeremonien gelockert werden. So steht es im Koalitionsvertrag und dafür wirbt Innenministerin Taina Bofferding (LSAP). Beim Ministerium nachgefragt, was damit gemeint sei, wird auf zwei Antworten der Ministerin auf parlamentarische Fragen verwiesen. Auch dort ist von einer Lockerung und einer Untersützung der Gemeinden bei der Umsetzung die Rede. Viel mehr geht nicht aus den Antworten hervor.

Wie Taina Bofferding aber in einem Interview mit dem „Luxemburger Wort“ sagt, kann sie sich in Zukunft auch zivile Zeremonien in entweihten Kirchen vorstellen. Das könnte auch für zivile Zeremonien mehr Gestaltungsfreiraum bedeuten. Das deutet aber auch auf eine Verbindung aus Vergangenheit und Gegenwart hin. Traditioneller Rahmen, moderne Zeremonie. Die Gesetzestexte sollen ab dem nächsten Jahr überarbeitet werden. Wie diese neuen Rituale aussehen sollen, steht demnach noch nicht fest.

Waldfriedhof als Alternative

Mehr Gestaltungsfreiraum als bei den zivilen Eheschließungen gibt es bereits heute bei den Beerdigungen. Neben der kirchlichen Beerdigung, bei der ein Priester die Zeremonie leitet, kann sie auch von einem Gemeindebeamten abgehalten werden.

Friedhöfe gelten in Luxemburg als religiös neutrale Orte, die Grabkonzessionen werden von der Kommune vergeben. Dennoch wünschen sich viele Menschen einen anderen Bestattungsort. Neben der Möglichkeit, seine Leiche einäschern oder die Asche auf einer Streuwiese verstreuen zu lassen, gibt es in Luxemburg auch mehrere Waldfriedhöfe.

Der erste entstand 2011 in der Gemeinde Betzdorf, mittlerweile gibt es noch weitere in Zessingen, Schifflingen und Bissen. Dort kann man sich in einer Urne beisetzen lassen oder verstreut werden. Auch hier haben die Angehörigen die Wahl, ob sie die Zeremonie von einem Priester oder vom Bürgermeister der Gemeinde abhalten lassen wollen.

Zahl der Feuerbestattungen steigt

Feuerbestattungen waren bis 1973 in Luxemburg verboten. In Europa wurden sie erst Ende des 19. Jahrhunderts aus Platzmangel auf den städtischen Friedhöfen wieder eingeführt. Laut Sterbeforscher Norbert Fischer widersprach das damals der christlichen Lehre, die die Auferstehung des Leibes predigt.

Heute machen sie in Luxemburg über die Hälfte der Bestattungen aus. Im Jahr 2017 gab es in Luxemburg 4.263 Todesfälle und 2.617 Feuerbestattungen. Im Jahr 2018 waren es 4.318 Todesfälle und 2.602 Feuerbestattungen. Auffallend ist auch, dass die meisten Feuerbestattungen nicht-religiös sind. Das „Syndicat Intercommunal pour la Construction et l’Exploitation d’un Crématoire“ zählte für 2018 385 nicht-religiöse Feuerbestattungen und 300 religiöse. Zuletzt lag die Zahl der religiösen Zeremonien im Jahr 2011 über den nicht-religiösen.

Von Omega90 heißt es, dass auch die Familie Beisetzungs- oder Verstreuungszeremonien leiten kann. Wichtig sei nur, dass auch ein Offizieller daran teilnimmt – er kann, muss aber nicht in den Ablauf involviert werden. Es habe schon Zeremonien gegeben, die so liebevoll gestaltet waren, dass es – zumindest theoretisch – keinen Beamten oder Priester gebraucht habe.