Beim Treffen mit dem Häuptling Raoni sprachen sich Premier und Finanzminister für den Schutz des Amazonas aus. Gleichzeitig will Luxemburgs Regierung engere Wirtschaftsbeziehungen mit Brasilien. Doch unter dem neuen Präsidenten Jair Bolsonaro passt das eine nicht zum anderen.
Am 20. Mai empfingen Premier Xavier Bettel (DP) und Finanzminister Pierre Gramegna (DP) den Häuptling Raoni. Sie sicherten ihm die Unterstützung Luxemburgs beim Schutz des Amazonasgebiets zu, wo er und sein Volk leben. Und sie versprachen 100.000 Euro. Diese finanzielle Zusage war problematisch, doch auch das politische Versprechen wirft Fragen auf. Denn zwei Tage später traf Gramegna zwei Vize-Wirtschaftsminister der Regierung Bolsonaro am Rande einer OECD-Tagung. Laut Pressemitteilung ging es bei der Unterredung um eine engere Zusammenarbeit der Finanzbranche beider Länder.
Angesichts beider Termine stellt sich Dietmar Mirkes von der NGO „Action Solidarité Tiers Monde“ (ASTM) Fragen. „Aktuell brasilianische Minister zu treffen, ist völlig konträr zu den Interessen der indigenen Völker“, so der Klima- und Lateinamerika-Experte. Tatsächlich veröffentlichten Vertreter der Völker des Amazonas 100 Tage nach Amtsantritt des rechtsextremen Präsidenten Jair Bolsonaro einen dramatischen Appell. „Seit hundert Tagen erleben wir die Vorboten einer Apokalypse, die die indigenen Völker als erste Opfer hat“, heißt es im Aufruf. Sie befürchten, dass die Regierung die Grenzen der Schutzgebiete aufhebt und so die Tür zu einer gigantischen Abholzung des Regenwaldes öffnet.
Es ist eine Form von Doppelmoral. Ein Treffen mit einer Symbolfigur wie Raoni führt vor allem zu schönen Fotos.“Dietmar Mirkes, ASTM
Eine gefährliche Entwicklung
„Es ist eine Form von Doppelmoral. Ein Treffen mit einer Symbolfigur wie Raoni führt vor allem zu schönen Fotos“, meint Mirkes. Doch im Finanzministerium sieht man keinen Widerspruch zwischen beiden Treffen. Es sei üblich, am Rande internationaler Tagungen Minister bilateral zu treffen, mit denen Luxemburg seltener in Kontakt stehe. Den brasilianischen Vertretern habe der Finanzminister erklärt, was Luxemburg zu einem „grünen Finanzplatz“ mache und welche Vorteile in Luxemburg angesiedelte Pensionsfonds haben. Grüne Finanzinstrumente hätten das Potenzial, einerseits Wälder nachhaltig zu bewirtschaften und andererseits Investoren Gewinne zu verschaffen, so Gramegna beim Treffen mit Raoni.
Es bringt nichts, dass Raoni nach Frankreich fährt und nach Geld fragt. Das will die Regierung nicht.“Brasilianischer Staatssekretär
Seit Anfang des Jahres hätten sich die Rodungen im Amazonas verstärkt, warnte Häuptling Raoni. Bolsonaro habe sehr schlecht über die Indios gesprochen, klagte der 87-jährige Stammesführer. Er wolle deshalb in Europa vor diesen Entwicklungen warnen, sagte er in der Schweiz.
Doch inzwischen schießt die brasilianische Regierung scharf zurück: Raoni sei eine Farce, er vertrete keine Indios. „Es bringt nichts, dass Raoni nach Frankreich fährt und nach Geld fragt. Das will die Regierung nicht“, sagte der für die indigenen Gebiete zuständige Staatssekretär und Ex-Farmer Luiz Antônio Nabhan Garcia. Er droht, NGO vom Kontakt mit den Ureinwohnern auszuschließen.
Das Gebaren der Begleiter von Raoni auf seiner Europa-Reise machten den Stammesführer zu einem einfachen Ziel für die brasilianische Regierung, meint Gert-Peter Bruch. Der Gründer des Vereins „Planète Amazone“ kritisiert das Vorgehen der „Association Forêt Vierge“, der die Luxemburger Regierung 100.000 Euro versprochen hat.
Ein umstrittenes Handelsabkommen
Dass aggressive Vorgehen der brasilianischen Regierung im Amazonas-Gebiet sorgt auch für Diskussionen rund um das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Mercosur. Der Vertrag mit dem Bündnis von Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay stehe kurz vor dem Abschluss, meldete die „Financial Times“. Doch es gibt heftige Kritik an diesem Abkommen, unter anderem aus dem Europäischen Parlament. Der Grund: die Politik von Jair Bolsonaro. „Wenn Bolsonaro die Rodungen im Regenwald forciert, ist das Abkommen tot“, warnte der damalige Vorsitzende des Handelsausschusses Bernd Lange.
Mehr als 340 NGOs aus 45 Ländern rufen die EU in einem am Montag veröffentlichten Brief auf, die Verhandlungen über das Freihandelsabkommen mit Brasilien abzubrechen. Aus Luxemburg haben ASTM, Bio Lëtzebuerg, Mouvement écologique sowie Natur&Ëmwelt unterzeichnet. Der Grund für den Appell: Die EU müsse ihren Einfluss nutzen, um die zunehmenden Verstöße gegen Menschenrechte und die dramatische ökologischen Entwicklungen in Brasilien zu stoppen.
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