Eine Mietwohnung zu finden, ist für viele schwierig. Besonders brutal ist der angespannte Markt jedoch für alleinerziehende Mütter. Sie brauchen oft die Hilfe von sozialen Diensten. Zwei betroffene Frauen erzählen.

„Sie können sich keine Wohnung in Luxemburg leisten.“ Die Aussage hört Frau Duarte* immer wieder von Vermietern und Immobilienmaklern. Dabei hat die 52-Jährige ein Einkommen von rund 2.400 Euro netto im Monat. Ihre Witwenrente macht etwa die Hälfte ihres Einkommens aus und ermöglicht ihr so, von mehr als dem Mindestlohn zu leben. Hinzu kommen das Kindergeld, das sie für ihren elfjährigen Sohn bezieht, sowie das Einkommen ihres 23-jährigen Sohnes, der ausgebildeter Elektriker ist und ebenfalls bei ihr lebt.

Dennoch scheint es für die alleinerziehende Mutter eine Sache der Unmöglichkeit, auf dem freien Wohnungsmarkt Fuß zu fassen. „Vor allem die fehlenden Gehaltsnachweise sind ein Problem“, erklärt die Frau, die bei mehreren Privatpersonen als Putzfrau eingestellt ist und ihr Einkommen daher aus unterschiedlichen Quellen bezieht. Eine monatliche Lohnabrechnung gibt es nicht.

Die Immobilienmakler bestehen auf einen unbefristeten Arbeitsvertrag.“

In Luxemburg sind 44,6 Prozent der Alleinerzieher von Armut bedroht. Dies belegt eine Studie der der Arbeitnehmerkammer von 2016. Zum Vergleich: In der Gesamtbevölkerung liegt das Armutsrisiko bei 15,7 Prozent. Alleinerzieher schneiden im europäischen Vergleich lediglich in Malta und Litauen schlechter ab. Die Gründe für die soziale Unsicherheit sind vielschichtig. Eine Trennung oder der Verlust einer festen Arbeitsstelle sind die ausschlaggebenden Faktoren für das Abrutschen in die Armut, heißt es vonseiten des „Luxembourg institute of socio-economic research“ (Liser). Brisantes Detail: Die Alleinerziehenden sind in Luxemburg in 82,7 Prozent der Fälle Frauen.

Der freie Wohnungsmarkt ist härter geworden

Frau Duarte sucht bereits seit dreieinhalb Jahren eine Wohnung für sich und ihre beiden Söhne. „Ich habe immer gearbeitet und war nie im Leben arbeitslos“, unterstreicht sie. Seit elf Jahren lebt sie in Luxemburg.

Gebetsmühlenartig wiederholen die Immobilienmakler, dass ihr Einkommen dreimal so hoch wie die Miete sein müsse. Eine an sich sinnvolle Regel, die viele Alleinstehende angesichts der hiesigen Preise aber kaum ohne Hilfe einhalten können. „Die Immobilienmakler bestehen außerdem auf einen unbefristeten Arbeitsvertrag“, so die Alleinerziehende.

Ich habe keine Hoffnung mehr, noch eine Wohnung zu finden. Ich habe aufgegeben.“

Einige Immobilienmakler verlangen das Dossier mitsamt Zahlungsfähigkeitsbeleg bereits vor der Wohnungsbesichtigung. Innerhalb der letzten drei Jahre hatte Frau Duarte deshalb lediglich ein einziges Mal die Gelegenheit, dem Eigentümer einer Mietwohnung persönlich zu begegnen. Das Gespräch war schnell beendet. Er habe sich ein Paar mit einem unbefristeten Arbeitsvertrag vorgestellt, so die niederschmetternde Reaktion des Eigentümers. In Anbetracht der Nachfrage habe sie kaum eine Chance, meint Frau Duarte. Freie Wohnungen würden zehn und mehr Personen pro Tag besichtigen, erzählt sie aus ihrer Erfahrung.

Die Wohnungsanzeigen schaut sich Frau Duarte zwar noch jeden Tag an; für eine Besichtigung anzurufen traut sie sich aber nicht mehr. Allzu viele Absagen hat sie in den letzten Jahren bekommen. „Ich habe Angst anzurufen. Wie werden sie reagieren? Ich habe keine Hoffnung mehr, noch eine Wohnung zu finden. Ich habe aufgegeben“, resümiert die alleinerziehende Mutter ihre Gedanken.

Dauerhafte Übergangslösungen

Seitdem sie vor sechs Jahren aus einer gewalttätigen Beziehung ausbrach, lebt Frau Duarte mit ihren Kindern in einer Wohnung von „Femmes en détresse“. Das Provisorium ist mittlerweile zur Dauerlösung geworden. Die Wohnung gehört dem Fonds du logement und wird Frau Duarte über das „Centre pour femmes, familles et monoparentaux“ (CFFM) für einen günstigen Preis vermietet. Die abgemachte Dauer war allerdings nur drei Jahre. Da Frau Duarte aber noch keine Alternative gefunden hat, bleibt sie. Der Vertrag wird ihr nun mehr lediglich für sechs Monate erneuert.

Die Situation ist heute angespannter als vor neun Jahren. Und die Preise steigen weiter.“Gilles Hempel, AIS

Frau Duarte gehört zu den „Stammkunden“ des CFFM von „Femmes en détresse“. Auch wenn die Sozialarbeiter des CFFM Frau Duarte nicht auf die Straße setzen würden, besteht laut Martine Bretz ein gewisser Druck seitens der Leitung von „Femmes en détresse“. Die Wohnung soll für andere Frauen oder Familien in Notsituationen freigegeben werden.

In den Gründungsjahren in den 1980er lag die größte Herausforderung für den CFFM in der Arbeitssuche der Frauen. Heute steht die Wohnungssuche zunehmend im Fokus. „Vor 20 Jahren konnten wir den Menschen auf dem Wohnungsmarkt noch helfen, wir konnten ihnen Lösungen anbieten“, sagt Martine Bretz, Verantwortliche des CFFM. „Heute sind die Möglichkeiten beschränkter.“ Eine Bürgschaft des CFFM hat bei Frau Duarte zum Beispiel nichts geholfen und auch außenstehende Bürgen wurden als solche nicht anerkannt.

Viele schaffen es auf eigene Faust

Dass sich der Wohnungsmarkt verändert hat, stellt auch Gilles Hempel der Agence Immobilière Sociale (AIS) fest. „Der Markt wird härter. Die Situation ist heute angespannter als damals, als wir vor neun Jahren angefangen haben. Und die Preise steigen weiter“, sagt er.

Auch ein Mietvertrag mit der AIS ist nur eine Übergangslösung. Die maximale Dauer beträgt in der Regel drei Jahre. Nach dieser Zeit fällt die Bilanz Hempel zufolge äußerst positiv aus. „Fast 80 Prozent unserer Mieter schaffen es anschließend auf eigene Faust eine anständige Wohnung zu finden. Ungefähr 10 Prozent werden sogar Eigentümer“, sagt er. „Alleinerziehende sind meist besonders motiviert eine Lösung zu finden.“ Den Erfolg erklärt er unter anderem dadurch, die intensive Sozialarbeit und der begleitenden Unterstützung, die der interne Sozialdienst aber auch externe Beratungsstellen anbieten.

Bezahlbare Wohnungen fehlen

Aus den Berichten des CFFM geht hervor, dass viele Eigentümer zögern an Menschen ohne Arbeit, mit Teilzeitarbeit, mit befristetem Vertrag oder an Sozialhilfe-Bezieher zu vermieten. Das Problem bestehe darin, dass viele Alleinerziehende nur ein unregelmäßiges Einkommen oder eine prekäre Arbeitssituation hätten.

Als Alternative bleibt den vom CFFM beratenen alleinerziehenden Frauen der bezahlbare beziehungsweise der soziale Wohnungsmarkt. Das CFFM ist sowohl mit der „Agence Immobilière Sociale“ wie der „Wunnéngshëllef“ vernetzt. Aber auch hier sind die Voraussetzungen nicht die besten. 3.000 Anwärter befinden sich etwa auf der Warteliste des Fonds du logement, wie REPORTER kürzlich berichtete.

Zudem kann der Fonds du logement mit seinem beschränkten Angebot nur den wenigsten helfen: „Seit 2011 hat bei uns nur eine Frau eine Wohnung über den Fonds du logement bekommen“, bestätigt Martine Bretz. Dabei stellt die Sozialarbeiterin für 75 Prozent der Frauen, die im CFFM vorstellig werden, einen Antrag auf ebendiese bezahlbare Wohnungen. Allein 2017 waren es 273 neue Kunden.

Dass Alleinerziehende statistisch gesehen dem größten Armutsrisiko ausgesetzt sind, bestätigt sich auch bei der AIS. „Die Alleinerziehenden stellen fast die Hauptkundschaft dar. Sie sind auf uns angewiesen“, so Gilles Hempel. „Sie haben es auf dem Wohnungsmarkt nicht einfach.“ Der Direktor der AIS bestätigt zudem eine steigende Nachfrage.

Kinder unerwünscht

Die Lage von Frau Becker* ist ähnlich. Mit ihren zwei Töchtern wohnt sie derzeit in einer kleinen Einzimmerwohnung im Bahnhofsviertel. Sie selbst schläft im Wohnzimmer – den Schlafbereich hat sie mit einem Vorhang abgetrennt. Berater des Fonds du logement würden sich vermutlich angesichts dieser Wohnsituation beide Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Der Minimumstandard sei eigentlich eine Drei-Zimmer-Wohnung – jede ihrer Töchter bräuchte ihr eigenes Zimmer. Aufgrund des erheblichen Altersunterschieds sei ein Zusammenleben im selben Zimmer keine Lösung, so das Fazit der Sozialarbeiter.

Freie Wohnungen dieser Größe gibt es allerdings kaum. Auch Frau Becker lebt in einem dauerhaften Provisorium. Sie mietet seit elf Jahren eine alte und spärlich geheizte Wohnung. Feuchtigkeit und viele Treppen machen ihr gesundheitlich zu schaffen. Ihr Arzt hat ihr eigenen Aussagen zufolge bereits eine Bescheinigung ausgestellt, die ihr den Wohnungswechsel aus gesundheitlichen Gründen nahelegt. Geholfen hat das ärtzliche Attest bisher wenig.

Das Hauptproblem sei neben den Preisen der Nachwuchs. „Kinder, unmöglich!“ hieße es oft seitens der Immobilienmakler. „Und das, obwohl meine jüngste Tochter schon zwölf Jahre alt ist“ so Frau Becker. Eine günstigere Wohnung als die jetzige wird Frau Becker wohl nicht finden, sie zahlt 450 Euro im Monat. Für mehr Lebensqualität würde sie aber durchaus mehr zahlen wollen. „Der Vermieter sagt zwar immer, dass er etwas tun wird. Aber es sind nur Notlösungen. Es ist ihm zu teuer, die Heizung zu ersetzen.“

Wartezeit von fünf Jahren

1.000 Euro im Monat könne die Miete schon betragen, hat Frau Becker ausgerechnet. Die 300 Euro Miethilfe, das Maximum, hat sie in dieser Summe mit eingerechnet. Aber am Telefon würde man ihr immer wieder sagen, sie würde nicht genug Geld verdienen. Genau wie Frau Duarte hat auch sie drei Anträge laufen, bei der Gemeinde, dem Fonds du logement und der Société Nationale d’Habitations à bon marché (SNHBM).

Letztere ist auch die letzte Hoffnung für Frau Duarte, die wegen ihres Sohnes mit speziellen Bedürfnissen nicht aus ihrem Stadtviertel wegziehen will. Der Elfjährige fühle sich gut aufgehoben und werde von einem guten Team betreut, außerdem müsse die Mutter ihn des Öfteren in therapeutische Einrichtungen begleiten. Bei einem längeren Anfahrtsweg wäre dies für die Alleinerziehende, die kein Auto besitzt, eine Sache der Unmöglichkeit. Die Mieten sind hier aber inzwischen so angestiegen, dass für zwei Zimmer 1.500 Euro kaum noch reichen. Da der SNHBM-Antrag vor über vier Jahren gestellt wurde, hofft Frau Duarte auf eine baldige Antwort. „Am Anfang wurde uns gesagt, dass wir drei Jahre warten müssten. Inzwischen sagt man mir, die Wartezeit sei auf fünf Jahre angestiegen.“

Die Rolle der Politik

Der Staat ist sich dem Armutsrisiko, dem Alleinerziehende ausgesetzt sind, durchaus bewusst. Das Ziel des Regierungsprogramms für die Reform des garantierten Mindesteinkommens RMG wurde dementsprechend ehrgeizig formuliert: „La part enfant sera fixée de telle manière à sortir les ménages concernés (monoparentaux) du risque de pauvreté.“ In der Umsetzung sieht das Reformprojekt der Regierung einen Zusatz von 60 Euro pro Kind in einem Alleinerzieherhaushalt vor. Der Staatsrat rechnet vor, dass etwa Alleinerziehende mit zwei Kindern durch die Reform zwischen 43 und 609 Euro monatlich mehr erhalten könnten – je nach Einkommen.

Die Steuerreform hat ihrerseits nur begrenzte Erleichterungen für Alleinerziehende gebracht. Schon länger wird die Steuergutschrift für Alleinerziehende um 50 Prozent gekürzt, wenn die Unterhaltszahlungen einen gewissen Betrag überschreiten. Mit der Reform wurde der Betrag der maximalen Unterhaltszahlungen von 160 auf 184 Euro monatlich gehoben.

Die Realität vor Ort zeigt: Diese gezielten Maßnahmen der Politik reichen nicht aus, um die Lage auf dem Wohnungsmarkt zu verbessern. Das Steuersystem wird von Alleinerziehenden immer wieder als ungerecht empfunden: Durch die Einstufung in die Steuerklasse 1a verlangt der Staat von Alleinerzieher mehr Steuern als von Paaren mit Kindern.

*Die Namen wurden von der Redaktion geändert.