Premier Xavier Bettel hatte kurz nach seinem Amtsantritt angekündigt, dass der Staat 10.000 Wohnungen bauen werde. Am Beispiel des Fonds du logement erklärt REPORTER, warum diese Zahlen von vornherein illusorisch waren. Und warum die Zukunft nicht besser aussieht.

„Der Fonds du logement ist am Boden“, „Gerüchte noch und nöcher“, „ein miserables Jahr“, lauteten 2017 die Schlagzeilen. Der für die staatlich bezuschussten Wohnungen zuständige Bauträger bot den Medien zwischen Amtsniederlegungen und Mobbingvorwürfen viel Angriffsfläche.

Unabhängig der Schlagzeilen gilt die Feststellung: Die Schaffung von genügend erschwinglichem Wohnraum wird auch in dieser Legislaturperiode scheitern. Diese Aufgabe lastet nämlich in großem Maß auf den Schultern der Regierung, der Gemeinden und der öffentlichen Bauträger. Doch sie bremsen sich zum Teil gegenseitig aus. Dabei geht das Grundproblem eindeutig über die Frage der Kompetenzen des Fonds du logement hinaus.

Zahlen sprechen (nicht immer) für sich

Zunächst scheint die in den Medien immer wieder zirkulierende Zahl der lediglich 19 fertiggestellten Wohnungen im Jahr 2016 für sich zu sprechen. Das ist ein klarer Rückgang im Vergleich zu den 125 ausgelieferten Wohnungen vom Vorjahr. Die Bilanz von 2016 verdeckt allerdings gewisse Nuancen. So wurde im selben Jahr mit dem Bau von 292 Wohneinheiten begonnen (im Vergleich zu 93 im Vorjahr). 2017 wurden 133 vom Staat subventionierte Wohnungen zu erschwinglichen Preisen fertiggestellt. 2018 sollen insgesamt 180 Wohnungsschlüssel an neue Besitzer und Vermieter übergeben werden. Es wurde also durchaus gebaut.

Im Prinzip könnte die Zukunft des bezahlbaren Wohnungsbaus sehr rosig sein.Diane Dupont, Präsidentin des „Fonds du logement“

Und es wird weiter gebaut. Kurzfristig stellt der Fonds du logement im Quartier „Nonnewisen“ in Esch/Alzette in Zusammenarbeit mit der Gemeinde 115 Häuser, 232 Wohnungen und 42 Studentenwohnungen fertig. Insgesamt entsteht dort ein Ortsteil mit rund 900 Wohneinheiten, in denen 140 Quadratmeter-Wohnungen zum Teil unter dem Preis von 400.000 Euro verfügbar waren. Weitere Bauprojekte (rund 200 Wohnungen) werden in Kürze in Mondorf, Hüncheringen (Bettemburg) und in der Gemeinde Differdingen vollendet.

Angesichts der vielen Bürger, die aktuell auf eine Wohnung des Fonds du logement warten, hinkt der öffentliche Bauträger der Nachfrage aber eindeutig hinterher. „Mittlerweile befinden sich 3.000 Menschen auf der Warteliste des Fonds du logement“, bestätigt der Wohnungsbauminister Marc Hansen (DP) im Gespräch mit REPORTER. Eigenen Angaben zufolge verfügte er vor zwei Wochen noch nicht über die aktuellsten Zahlen, als er in der Chamber von einer Warteliste von 2.500 Menschen sprach.

Bauland wird dringend gesucht

Die weitere Planung erschwert der Umstand, dass der Fonds du logement nicht an genügend Bauland kommt. Und dies trotz des 2008 festgehaltenen Vorkaufsrechts auf Grünflächen, die an den Bauperimeter angrenzen. „Wir bemühen uns natürlich, Bodenreserven für die kommenden Jahre anzulegen“, versichert Diane Dupont. Die neue Fonds-Präsidentin versucht seit Dezember neuen Schwung in die parastaatliche Instanz zu bringen.

Diane Dupont, Präsidentin des Fonds du logement. (Foto: Matic Zorman)

Der öffentliche Bauträger hat von den zuständigen Ministern den Auftrag erhalten, sein Vorkaufsrecht systematisch auszuüben. Vor dem Aufkauf von Grünflächen gilt es systematisch zu prüfen, ob diese in den kommenden Jahren in den Bauperimeter eingegliedert werden können. Besonders attraktiv sind bei einem solchen Ankauf die Preise, die weit unter den Baulandpreisen liegen. 2016 erwarb der Bauträger für einen Gesamtwert von 2,7 Millionen Euro etwa Grundstücke in Echternach, Cruchten und Fenningen.

Ein Grundstück ist noch kein Bauland

Hat der Fonds du logement erst einmal Grundstücke in seinem Besitz, hat er dennoch immer wieder Schwierigkeiten diese kurzfristig als Bauland neu klassifizieren zu lassen. „Wenn wir Grundstücke in der Grünzone kaufen, dann haben wir keinen Einfluss darauf, wann und ob die Gemeinden diese in Bauland umklassieren“, sagt Diane Dupont. Das Risiko ist generell, dass der öffentliche Bauträger auf nicht bebaubaren Grundstücken in der Grünzone sitzen bleibt. Deshalb gehen die öffentlichen Bauträger seit jüngstem tatkräftig an den Sachverhalt heran und überwachen konsequent die Änderungen der allgemeinen Bebauungspläne (PAG) der Gemeinden.

Der präventive Erwerb von Grünflächen nützt deshalb nichts. „Wir müssen darauf achten, dass wir nicht zu langfristig planen. Beginnt die Bebauung nicht innerhalb von 15 Jahren nach dem Erwerb, müssen wir die dafür erhaltenen staatlichen Zuschüsse nämlich zurückzahlen“, erklärt Diane Dupont.

Ein weiterer Haken: Aufgrund des vergleichsweise niedrigen Werts werden grüne Wiesen erfahrungsgemäß selten verkauft. Grundstückbesitzer hoffen stattdessen oft auf einen exponentiellen Gewinn, falls ihre Äcker und Felder in Bauland umklassiert werden sollte. Kommt es dennoch zu einem Verkauf und einem geplanten Aufkauf des Fonds du logement, ist die Angelegenheit noch lange nicht in trockenen Tüchern: Bei der Nutzung des Vorkaufsrechts drohen langwierige Verzögerungen, da andere interessierte Käufer dieses Recht potenziell vor Gericht anfechten könnten.

Fehlt es den öffentlichen Baugesellschaften also an Bodenreserven oder an Bauland? Eine klare Antwort bleibt seitens der Fonds-Präsidentin aus.

Das Problem ist bekannt. Ein Wohnungsbauexperte, der nicht namentlich genannt werden will, sieht die angestrebte Schaffung von erschwinglichem Wohnraum angesichts des mangelnden Baulands im Besitz der öffentlichen Bauträger als illusorisch. Die Bodenreserven des Staates bezeichnet er als urbanistisches „Gegrimmels“. „Der Staat besitzt zwar eine Reihe Grundstücke, doch sind es keine, die sich für weitere großflächige Projekte eignen und wo die Kosten aufgrund der Größe maßgeblich gesenkt werden können.“

Die Crux mit den Gemeinden

Die Suche nach Bauland spitzt sich unterdessen zu, wenn man bedenkt, dass Bauprojekte des Fonds du logement und insbesondere der Bau sozialer Mietwohnungen nicht jeden Bürgermeister erfreuen. Oder wie es der Ex-Fonds-Präsident Daniel Miltgen im „Lëtzebuerger Land“ zusammenfasste: „Keiner will sie, außer in Sonntagsreden.“ Eine Einschätzung die auch der Präsident des parlamentarischen Wohnungsbauausschusses, Max Hahn (DP), jüngst auf einer von „Oppent Haus“ veranstalteten Podiumsdiskussion zum Wohnungsbau für sozial schwache Menschen bestätigte: „Ja, es stimmt und ich werde es ganz offen sagen: Einige Gemeinden wollen keine Sozialwohnungen.“

Xavier Bettel hat die Zahl der 10.000 Wohnungen vor meinem Amtsantritt genannt.Marc Hansen, Wohnungsbauminister (DP)

Der zuständige Minister weist seinerseits auf die häufige Verwechslung zwischen einer Sozialwohnung für Einkommensschwache und einer subventionierten Wohnung hin. Letztere ist für alle Menschen zugänglich, die in den Genuss einer Wohnungsprämie kommen und wird ihnen zu einem vergünstigten Preis verkauft. Diese übliche Vermischung führt dazu, dass der Fonds du logement mit seinem angestrebten Bau von erschwinglichem Wohnraum von einigen Gemeinden stigmatisiert und benachteiligt wird. Die Freigabe der Teilbebauungspläne (PAP), die Voraussetzung für Bauprojekte, ist bekanntlich Gemeindekompetenz.

Dennoch gilt es auch dies zu nuancieren. Auch die Gemeinden kaufen regelmäßig Grundstücke und beauftragen öffentliche oder private Bauträger mit dem Bau von bezahlbaren Wohnungen und Sozialwohnungen. Im Parlament sprach Wohnungsbauminister Hansen jüngst von 11.500 Wohnungen, die so zu erschwinglichen Preisen entstehen sollen.

Ob und wie schnell es zum Bau dieser 11.500 Wohnungen kommt, die vom Wohnungsbauministerium bezuschusst werden, bleibt abzuwarten. Die bisherige Bilanz spricht Bände: Zwischen 2011 und 2016 wurden lediglich 422 solcher Wohnungen auf Gemeindeinitiative gebaut. Die Zahl ist umso bestürzender, wenn man bedenkt, dass den Gemeinden beim Bau eine staatliche Beteiligung von bis zu 75 Prozent des Wohnungsbaupreises zusteht. Was den Gemeinden allerdings oft fehlt, ist die logistische Ausstattung, um große Bauprojekte voranzutreiben.

Wohnungsbauminister Marc Hansen. (Foto: Matic Zorman)

Der Minister bleibt vage: „Ich kann Ihnen nicht sagen, wann diese 11.500 Wohnungen fertig sein werden. Ich kann Ihnen aber sagen, dass ihr Bau vorgesehen ist und dass die staatlichen Mittel zur Verfügung stehen, um diese Wohnungen zu bezuschussen.“

Die Frage, ob die Regierung noch weitere Anreize schaffen oder den Gemeinden gar klare Vorschriften machen müsste, beantwortet Diane Dupont folgendermaßen: „Ich denke, dass der Staat in seiner Unterstützung und seinen Anreizen bereits sehr weit geht. Die Gemeinden haben viele Möglichkeiten und sollen auch noch verbesserte Instrumente bekommen. Im Prinzip könnte die Zukunft des bezahlbaren Wohnungsbaus sehr rosig sein.“

Politische Interpretationssache

In seiner Rede zum „Etat de la nation“ versprach Premierminister Xavier Bettel 2014 dass „der Staat in den kommenden Jahren 10.000 Wohnungen bauen oder zumindest mitfinanzieren“ werde. Das Ziel hat die Regierung der größten Oppositionspartei zufolge eindeutig verfehlt. So rechnete der CSV-Sprecher für die Wohnungsbaupolitik Marc Lies im Rahmen der Konsultationsdebatte in der Chamber jüngst vor, dass der Fonds du logement zwischen 2013 und 2018 insgesamt nur 517 Wohnungen fertiggestellt habe, während die „Société Nationale des Habitations à Bon Marché“ (SNHBM) im Zeitraum zwischen 2014 und 2018 770 Wohnungen gebaut habe. Sein Urteil: „Eine nüchterne Analyse der Zahlen zeigt, dass wir weit hinter der Zahl der 10.000 Wohnungen bleiben, die der Staatsminister immer wieder vollmundig angekündigt hat.“

Marc Hansen will sich seinerseits nicht auf ein „Zahlenspiel“ einlassen. „Ich bin kein großer Freund von Zahlenvergleichen. Ich kann Ihnen die Zahlen in alle Richtungen drehen, damit sie der Regierung in die Karten spielen. Die Oppositionsparteien werden die Zahlen hingegen in alle Richtungen drehen, damit die Regierung schlecht dasteht.“

Die strittige Frage sei, ab wann man jede einzelne neue Wohnung in die Rechnung der 10.000 einberechnet. „Die Rechnung ist eine andere, ob man sich auf fertiggestellte Wohnungen beschränkt oder ob man jede Wohnung mitzählt, in die der Staat bisher investiert hat, die aber noch im Bau steht oder erst in Planung ist.“

Einen gewissen Hinweis über seine Interpretation der Bilanz der laufenden Legislaturperiode gibt der Minister dann aber doch: „Xavier Bettel hat die Zahl der 10.000 Wohnungen vor meinem Amtsantritt genannt.“