Ein anderer Wochenrückblick ist möglich: Immer samstags blickt die REPORTER-Redaktion mit einem Augenzwinkern auf jene Themen zurück, die uns und die Medien insgesamt beschäftigt haben. Diese Woche: Soziale Sahnehäubchen, menschenfeindliche Grüne und die Schuld der Anderen.
Kündigt ein Minister eine Maßnahme an, die er noch vor kurzem als „Populismus“ abtat, da wird das erwartungsgemäß abenteuerlich. Wenn sich dann aber die internationale Presse für das Thema interessiert, dann nimmt das Ganze absurde Züge an. So geschehen am Montag, als François Bausch eine Pressekonferenz über den „gratis“ öffentlichen Transport abhielt – mit Simultanübersetzung ins Deutsche und Französische.
Also musste eine tolle Kommunikationsidee bzw. ein Rezept her. Das las sich dann so: „Kostenloser öffentlicher Transport – das soziale Sahnehäubchen auf dem Kuchen der multimodalen Verkehrsstrategie“. Und sogar an unterschiedliche kulturelle Prägungen war der Slogan angepasst. Auf Französisch war es die „cerise sociale sur le gâteau“. Klingt zwar genauso blöd, ist aber kein Witz. Wir fühlen uns an dieser Stelle verpflichtet, zu betonen: Sowohl bei dem sozialen Sahnehäubchen als auch bei der Kirsche auf Bauschs Kuchen handelt es sich nicht um einen Satire-Streich. Es ist ernst gemeinte blau-rot-grüne PR-Perfektion.
Und Paulette Lenert, neue LSAP-Vizepräsidentin und Teilzeitministerin, weiß sogar, dass die Kirsche rot ist (aha!) und kennt die Herkunft – der sozialistische Garten (oho!). Klar, grüne oder blaue Kirschen wären ja auch ungenießbar. Dabei war es letztlich doch die DP, die Bausch die Suppe mit dem Sahnehäubchen eingebrockt hatte. So ein ganz bisschen rächte sich der grüne Minister am Montag: Es sei nicht klar, ob die Stadt Luxemburg ihre Buslinien auch kostenlos mache, sie müsse sich ihrer Verantwortung stellen, meinte Bausch süffisant. Bürgermeisterin Lydie Polfer (DP) musste die Medienmeute dann rasch beruhigen – und ab 2020 mindestens 16 Millionen Euro pro Jahr auf den Tisch legen.
Fette Prämie beruhigt gepeinigte Autohändler
Dabei ist François Bausch doch so ein Netter. Zumindest bestätigt das die Autolobby: „Nicht jeder grüne Minister ist fanatisch grün“, meint Benji Kontz im Interview mit dem Stichwortgeber vom „Luxemburger Wort“. Der zweite Autohaus-Vertreter Philippe Mersch pflichtet bei: Selbst „Claude Turmes [ist] heute etwas gemäßigter als noch vor einiger Zeit“.
Das Gemäßigte äußert sich in einer Prämie von 5.000 Euro beim Kauf eines Elektroautos, das der Regierungsrat am Freitag auf Initiative von Turmes beschloss. Da kann man ja als Autohändler mal Nachsicht walten lassen. „Es gibt weniger Populismus als im Ausland und es wird auch weniger Desinformation betrieben“, erklärt Kontz. Der böse „Dieselskandal“ wird in Luxemburg kaum erwähnt. Gott sei Dank, denn die Autokonzerne haben natürlich rein gar nichts damit zu tun (Ehrenwort!).
Die bösen, gefährlichen Grünen
Ein anderer Populismus-Experte, nämlich Fernand Kartheiser, ist da nicht ganz so nachsichtig gegenüber den Grünen. In einem Facebook-„Interview“ mit seinem Parteikollegen Dan Hardy, regt sich der ADR-Mann über sein neustes Opfer auf. Die Grünen hätten einen „totalitären Geist“, sie würden Misstrauen gegenüber den Menschen hegen – und überhaupt sei es eine Partei, „die die Menschen als Gegner ansieht“.
Klar, anders als die ADR, die nur eine ganz bestimmte Gruppe von Menschen als Gegner ansieht (und Kängurus), sind es bei den Grünen gleich alle(!) Menschen. Wie Kartheiser darauf kommt? Die Grünen würden die Menschen als „eine Gefahr für die Umwelt“ ansehen.
Seltsam ist nur, dass die ach so gefährlichen Grünen bei den Parlamentswahlen trotz so vieler Feinde dann doch fast doppelt so viele Stimmen wie die Menschenfreunde der ADR einheimsen konnten…

Im Zweifel sind die anderen Schuld
Wer war Schuld am Wahldebakel der CSV? Die neue Fraktionschefin Martine Hansen hat da einige, mitunter ziemlich selbstkritische Ideen parat. Einer, der mit der Sache nichts zu tun gehabt haben will, ist jedoch Marc Glesener. Während der Kampagne tauchte er zwar überall auf, wo Spitzenkandidat Claude Wiseler zugegen war, moderierte CSV-Wahlevents, schulte CSV-Kandidaten, gab strategische Einschätzungen und sah sich schon als neuer Spin doctor eines kommenden Premiers. Jetzt, nach den Wahlen, will er davon aber nichts mehr wissen.
Im RTL-Interview verweist der ehemalige Wahlkampfmanager der CSV jedenfalls auf eine extrem, wirklich extrem komplexe Ursachenforschung für die Niederlage der CSV. Die Kandidaten, die Konjunktur, die Medien, die Regierung, die Wähler, das Wetter, der Wind, die rutschigen Straßen und einiges mehr war das Problem – nur nicht der Wahlkampfberater Marc Glesener selbst. Passend dazu nennt sich der Mann, der zeitweise Generalsekretär der CSJ, Fraktionssekretär der CSV und 2013 noch Kandidat der CSV bei den Parlamentswahlen war, nun allen Ernstes „unabhängiger“ Berater.
Wir verneigen uns vor dieser Chuzpe. In der Niederlage zeigt sich bekanntlich die wahre Größe, und ganz besonders jene eines politischen Schaumschlägers. Eigenverantwortung ist ja nun wirklich auch nur im Erfolgsfall so richtig dufte. Oder wie es schon Martine Hansen sagte: „Jeder muss sich in Frage stellen.“ Außer jene natürlich, die sich rechtzeitig vom Acker machen, um sich dann mutmaßlich in einigen Jahren wieder als „unabhängiger“ Berater anzubiedern.