Mehr als 20 Jahre hat es gedauert – jetzt steht fest: Die Umweltklinik kommt in das „Südspidol“ nach Esch. Die Standortwahl von Gesundheitsminister Etienne Schneider wirft allerdings Fragen auf. Klar ist: Es war nicht die Qualität des Dossiers, die überwog – sondern ein altes Versprechen der Politik.
„D’Kaz ass aus dem Sak“, hieß es vor ein paar Wochen bei RTL. Damals wurde bekannt, dass die Umweltklinik in das zukünftige „Südspidol“ nach Esch kommen wird. Ganz so überraschend kam das allerdings nicht.
Zwei Krankenhäuser hatten ein Projekt für den Bau der Klinik eingereicht – die Hôpitaux Robert Schuman (HRS) und das Centre Hopsitalier Emile Mayrisch (CHEM). Letztlich war es Noch-Gesundheitsminister Etienne Schneider (LSAP), der sich für eines von beiden entscheiden musste. Dem CHEM gab er den Zuschlag, das HRS-Projekt lehnte er ab.
Diese Entscheidung ist aber alles andere als ein Zufall. Und dass Etienne Schneider nach dem Kriterium „Möge der Bessere gewinnen“ ausgewählt hat, mehr als fraglich. Denn hinter den Kulissen stand der „Gewinner“ seit Jahren fest.
Ein Projekt im Dornröschenschlaf
Schon Anfang der 2000er Jahre wurde über den Bau einer Umweltklinik im Süden des Landes diskutiert. In Esch war es vor allem der ehemalige grüne Politiker und Präsident der Aktionsgruppe für Umwelttoxikologie (Akut) Jean Huss, der sich dafür stark machte.
Und auch der Düdelinger LSAP-Mann und ehemalige Gesundheits- und Sozialminister Mars Di Bartolomeo war der Idee einer Umweltklinik nicht abgeneigt. Im Regierungsprogramm von CSV und LSAP aus dem Jahr 2004 ist die Rede von einer „intention de créer un service national de médecine de l’environnement“.
Damals war es lediglich das CHEM, das Interesse am Bau einer solchen Klinik zeigte. Offiziell festgehalten wurde das allerdings nie. Dennoch wurde munter weiter geplant: Lange war der Escher Gaalgebierg im Gespräch für die Umweltklinik, später das Krankenhaus in Niederkorn.
Tatsächlich hatte die Leitung des CHEM im Jahr 2012 sogar ein Projekt bei der zuständigen Commission Permanente pour les Hôpitaux (CPH) eingereicht. Wie das „Luxemburger Wort“ schreibt, sei dieses allerdings „sang- und klanglos in der Schublade der Gesundheitsdirektion“ verschwunden.
Warum das Projekt nie angenommen wurde, ist auch dem Leiter des Krankenhauses, Dr. Hansjörg Reimer eigenen Aussagen nach „unverständlich“. Als der ehemalige CHEM-Direktor Dr. Michel Nathan 2017 in Rente ging, wurde es definitiv ruhig um die Umweltklinik im Süden.
Konkurrenz macht Dampf
Zumindest so lange, bis Anfang 2019 ein zweiter Bewerber in Form der HRS-Gruppe sich auch für den Bau einer Umweltklinik interessierte. Die ehemalige Gesundheitsministerin Lydia Mutsch (LSAP) hielt den Bau einer Umweltklinik im Spitalplan vom 8. März 2018 fest. Somit konnte sich jedes Krankenhaus für die Umsetzung bewerben.
Die Verantwortlichen der HRS sahen das als Chance an. Sie reichten im Januar 2019 ein Dossier erst per E-Mail bei der CPH ein, im Februar folgte die formelle Anfrage. Zwischenzeitlich gab das CHEM im Februar zu verstehen, dass es immer noch Interesse an der Umweltklinik habe. Sie reichten ihr offizielles Dossier im März bei der CPH ein.
Danach ging alles vergleichsweise schnell. Die Kommission befand beide Projekte für gut, wollte sich aber nicht auf eines festlegen, woraufhin der Gesundheitsminister diese Wahl alleine traf.
Finanzierung steht – der Bau noch nicht
Wie kann Etienne Schneider seine Wahl aber begründen? Das wollten auch die grünen Abgeordneten Josée Lorsché und Marc Hansen in einer parlamentarischen Anfrage wissen. Die schriftliche Antwort des Ministers: Das Gesetz zum Südspidol (Juli 2018) habe bereits eine Umweltklinik vorgesehen – und deren Finanzierung. So habe er sich denn auch am 14. November 2019 für dieses Projekt ausgesprochen.
„Wir setzen uns seit rund 20 Jahren für eine Umweltklinik ein und sind froh, dass jetzt eine Entscheidung gefallen ist“, sagt Marc Hansen (Déi Gréng) zur Entscheidung. Auf den Wunsch, Einsicht in beide Dossiers zu bekommen, sei der Gesundheitsminister allerdings nicht eingegangen. „In seiner Antwort erklärt der Minister lediglich den Ablauf der Prozeduren“, so Marc Hansen im Gespräch mit REPORTER.
Auch für ihn steht fest, dass das Projekt inoffiziell schon länger dem CHEM zugesprochen wurde: „Das Krankenhaus ist allerdings nicht proaktiv an die Umsetzung herangegangen. Als dann die HRS-Gruppe vorpreschte, kam endlich Bewegung in das Dossier.“
„Das Projekt muss optimiert werden“
Im Dezember schrieb die Zeitung „Journal“ noch, dass die HRS ein „ebenbürtiger Kandidat“ im Wettstreit um die Klinik war. Eigentlich war es aber mehr als das. Hinter vorgehaltener Hand gilt ihr Projekt als das bessere. Für die Ausarbeitung ihrer Pläne haben sie Baubiologen, Umweltmediziner, die „Association Luxembourgeoise de Médecine de l’Environnement“ (ALMEN) sowie die Aktionsgruppe für Umwelttoxikologie „Akut“ zu Rate gezogen.
Beim CHEM sah das anders aus. Die Verantwortlichen suchen erst jetzt den Kontakt mit Experten im Bereich der Umweltmedizin. „Wir hätten uns natürlich gewünscht, mit einbezogen zu werden“, so Roby Thill, Präsident der ALMEN im Gespräch mit REPORTER. Ein Treffen mit den Verantwortlichen des CHEM sei jetzt aber geplant.
Weil das Südspidol seine Türen erst 2026 öffnen wird, die Umweltklinik aber möglichst schnell entstehen soll, sind vorerst Container im Krankenhaus in Niederkorn für die Umweltklinik vorgesehen. Dem „Luxemburger Wort“ sagt Dr. Hansjörg Reimer, er sei „extremem politischem Druck“ ausgesetzt. Er würde gerne mit der Umweltklinik Ende 2020 anfangen. Doch bisher scheinen sich die Verantwortlichen des CHEM selbst nur wenig um ihr Projekt gekümmert zu haben.
„Das Projekt muss noch optimiert werden“, sagt ein Insider im Gespräch mit REPORTER. Die Pläne der HRS-Gruppe seien da um einiges weiter gewesen: Eine ganze Etage mit eigenem Eingang, getrennt vom Rest der Klinik, baubiologisch hochwertige Materialien, keine Strahlenbelastung.
2021 hätte die Klinik eröffnet werden können. Alles, was noch fehlte, war das „Go“ des Gesundheitsministers. „Die Umsetzung in Kirchberg hätte schneller beginnen können. Außerdem hätte es keine Zwischenlösung wie beim CHEM gebraucht. Es wäre also sicherlich auch kostengünstiger geworden“, schätzt ein Experte die Lage ein.
Ohne Fleiß, keine Umweltklinik
Einmal mehr handelt es sich bei der Vergabe der Genehmigung um ein politisches Geschenk. Ob ein anderes Projekt vielleicht genauso gut oder gar besser war, ist scheinbar Nebensache. Das CHEM befand sich bei dieser Entscheidung in einer bequemen, privilegierten Position.
Damit ist es jetzt wohl erst einmal vorbei. Denn wenn die Klinik bis 2021 fertig sein soll, muss noch viel geschehen. Nicht nur die Umsetzung selbst – sondern auch die Gespräche mit den Experten. Für Marc Hansen hat mit der Entscheidung die Arbeit erst richtig begonnen: „Es ist noch Zeit, Sachen zu verbessern und anzupassen. Doch jetzt ist der Moment dafür. Das CHEM zeigt den Willen, sich jetzt konkret Gedanken zu machen und zu reagieren.“