RTL, „Wort“ und „Tageblatt“ verzichten darauf, vor den Parlamentswahlen am 14. Oktober weitere Umfragen über die Beliebtheit von Parteien und ihren Kandidaten zu veröffentlichen. Die Medien wollen damit verhindern, dass das Abstimmungsverhalten von Umfrageergebnissen beeinflusst wird.
26 Parlamentssitze für die CSV (+3 im Vergleich zu 2013), 10 für die DP (-3), 9 für die LSAP (-4), 7 für Déi Gréng (+1), 5 für die ADR (+2) und 3 Sitze für Déi Lénk (+1). So lautete das Ergebnis der Politmonitor-Umfrage, die RTL und das „Luxemburger Wort“ im Juni, also vier Monate vor den Wahlen, gemeinsam veröffentlichten. Es bleibt voraussichtlich die letzte Umfrage dieser Art vor den Parlamentswahlen am 14. Oktober.
Die drei größten Luxemburger Medienhäuser wollen nämlich bis zum Wahltermin keine weiteren Umfragen veröffentlichen, in denen Parteien oder einzelne Kandidaten bewertet werden. Das haben die Chefredaktionen von „RTL“, „Luxemburger Wort“ und „Tageblatt“, REPORTER auf Nachfrage hin bestätigt.
Die Medien sind damit vorsichtiger als vor den letzten Nationalwahlen, obwohl das Parlament die gesetzliche Sperrfrist für Umfragen lockerte. Bis 2015 schrieb das Gesetz vor, dass in den letzten 30 Tagen vor Wahlen keine Umfragen veröffentlicht werden dürfen. Mittlerweile wurde dieser Zeitraum auf fünf Tage gesenkt.
Umfragen als „Risiko“
„Wir werden bis zum Wahltag keine klassische Sonntagsfrage mehr veröffentlichen,“ so Marc Schlammes, beigeordneter Chefredakteur des „Luxemburger Wort“. Für die im Juni publizierte Umfrage waren über einen Zeitraum von sechs Monaten insgesamt 3.521 Wahlberechtigte befragt worden. Sie antworteten dabei unter anderem auf die Frage: „Welcher Partei würden Sie die meisten Stimmen geben, wenn am nächsten Sonntag Parlamentswahlen wären, und Sie zur Wahl gehen könnten?“
Unser komplexes Wahlsystem macht es sehr schwierig, verlässliche kurzfristige Prognosen zu erstellen.“Steve Schmit, RTL
„Wir wollen als Zeitung im Wahlkampf nicht selbst zum Akteur werden“, sagt Marc Schlammes. Deshalb habe das „Wort“ entschieden, sich kurz vor den Wahlen auf „thematische Umfragen“ zu beschränken. „Am Wochenende vor den Wahlen werden wir gemeinsam mit RTL eine letzte Umfrage veröffentlichen, bei der im Mittelpunkt steht, welche Themen den Wählern besonders wichtig sind. Sympathie- und Kompetenzwerte von Politikern werden dabei keine Rolle spielen.“
Auch RTL verzichtet darauf, im Alleingang zusätzliche Umfragen zu veröffentlichen. „Das hat zwei Gründe,“ so Steve Schmit, Vize-Direktor von RTL Luxemburg. „Erstens geben unsere üblichen Politmonitor-Umfragen eher einen langfristigen Trend wieder als ein präzises Bild der aktuellen Stimmung. Und zweitens macht es unser komplexes Wahlsystem sehr schwierig, verlässliche kurzfristige Prognosen zu erstellen.“ RTL wolle deshalb das „Risiko“ nicht eingehen, das Wahlverhalten mit kurzfristigen Stimmungsbildern zu beeinflussen, so Schmit.
Das „Tageblatt“ führt indessen Kostengründe dafür an, dass auf Wahlumfragen verzichtet wird. Eine Sonntagsfrage sei angesichts der „begrenzten Mittel“ seiner Zeitung „zu teuer“, um daraus einen Nutzen zu ziehen, so „Tageblatt“-Chefredakteur und Editpress-Generaldirektor Jean-Lou Siweck auf Nachfrage.
Zunehmende Kritik an Umfragen
Vor den letzten Parlamentswahlen 2013 hatten sowohl „Tageblatt“ als auch „RTL“ und „Wort“ noch einen Monat vor den Wahlen Umfragen veröffentlicht. Bewertet wurden die Spitzenpolitiker der Parteien. „RTL“ und „Wort“ publizierten damals zudem Umfrageergebnisse zu den „Wunschkoalitionen“ der Befragten.
Wenn kurz vor den Wahlen eine Umfrage veröffentlicht wird, die nicht mit dem Wahlergebnis übereinstimmt, dann ist der Schaden natürlich besonders groß.“Tommy Klein, TNS Ilres
Seither standen Wahlumfragen zunehmend in der Kritik. Das Brexit-Referendum in Großbritannien und die Wahl Donald Trumps sorgten dafür, dass international an der Bedeutung von Umfragen gezweifelt wurde. In beiden Fällen hatten die Prognosen in eine andere Richtung gedeutet als das Wahlresultat. In Luxemburg sorgte das deutliche Ergebnis im Referendum über das Wahlrecht für Ausländer bereits zuvor für ähnliche Diskussionen. Im Juni 2015 stimmten 78 Prozent der Wähler gegen den Vorschlag der Regierung. Doch ein Monat vor der Abstimmung lag das „Nein“ in einer Umfrage nur bei 53 Prozent.
Der Forschungsleiter des Meinungsforschungsinstituts TNS Ilres zeigt Verständnis für eventuelle Bedenken der Medienhäuser. „Wenn kurz vor den Wahlen eine Umfrage veröffentlicht wird, die nicht mit dem Wahlergebnis übereinstimmt, dann ist der Schaden für uns und den jeweiligen Kunden natürlich besonders groß“, so Tommy Klein. Er ersetzte Charles Margue im März als Forschungsleiter bei TNS Ilres.
Klein betont aber, dass sich sein Institut im Prinzip gut vorstellen könne, auch kurz vor den Wahlen Umfragen für Medienhäuser durchzuführen. „Wir haben durchaus Erfahrung mit solch kurzfristigen Umfragen. Diese wurden aber bisher immer von Kunden bestellt, die die Ergebnisse nicht veröffentlichen wollten“, so Klein. Um welche Kunden es sich dabei handelt, will der Forschungsleiter nicht sagen. Es ist jedoch seit Jahren ein offenes Geheimnis, dass einige Parteien Umfragen für den eigenen Gebrauch in Auftrag geben.