Manche mögen’s anonym. Superreiche organisieren ihr Vermögen via Luxemburg mit einem Geflecht an Briefkastenfirmen. Ein Verzeichnis der realen Eigentümer soll Licht ins Dickicht bringen. Doch es hagelt Kritik am Gesetzentwurf.
Selbst nach dem Ende des Bankgeheimnisses ist Anonymität ein Produkt des Finanzplatzes. Anwälte oder Vermögensverwalter gründen eine oder mehrere Gesellschaften unter ihrem eigenen Namen. Wer hinter diesen Strohmännern tatsächlich ein Unternehmen nutzt und das Geld einstreicht, bleibt so für Außenstehende verborgen. Quasi eine Burka für Vermögen.
„Der Rückgriff auf solche Strohmänner macht es sehr schwierig und teuer, den wahren Eigentümer in Verbindung mit einer Firma zu bringen. Das Resultat: Das Vermögen des Begünstigten ist geschützt vor Steuerverwaltungen und anderen Behörden sowie Gläubigern und Erben“, erklärt die Soziologin Brooke Harrington in ihrem Buch Capital without Borders.
Solche Dienste seien ein Hauptbestandteil des Businessmodells von Offshore-Finanzzentren, erklärt Harrington. Dazu kommt, dass es oft nicht bei einer Schicht an Intransparenz bleibt. Wer den Stapeln von Briefkastengesellschaften folgt, landet in vielen Fällen in Steuerparadiesen wie den Britischen Jungferninseln. Das Ziel: Die Privatsphäre und Anonymität der Superreichen zu schützen, schreibt Harrington.
Kein Gesetz in Luxemburg verhindert solche Konstruktionen. Die Justiz zwar kann die Dienstleister zwingen, den eigentlichen Besitzer preiszugeben. Das gilt aber nicht unbedingt für alle staatlichen Instanzen: In der Folge der Panama Papers forderte die Steuerverwaltung knapp Hundert Luxemburger Dienstleister auf, die sogenannten Begünstigten von Briefkastenfirmen offenzulegen, die im Leak auftauchten. Doch mehrere Anwälte weigerten sich und klagten vor dem Verwaltungsgericht.
Öffentlichkeit bleibt im Dunkeln
Nicht nur Verwaltungen, sondern auch Geschäftspartner wissen manchmal nicht, mit wem sie es eigentlich zu tun haben. Der ADR-Abgeordnete und Anwalt Roy Reding berichtete im Februar im Parlament von einem Fall einer gefälschten Bescheinigung über einen Begünstigten einer Firma. Diese Fälschung hatte allerdings keine strafrechtliche Folgen, so Reding.
Das Dickicht an Briefkastenfirmen verbirgt auch gegenüber einer breiten Öffentlichkeit das wahre Ausmaß mancher Phänomene. 43 der 100 reichsten belgischen Familien halten in Luxemburger Gesellschaften ein Kapital von 48 Milliarden Euro, schrieb die Zeitung „Le Soir“ im Rahmen der „LuxFiles“-Recherchen.
Allerdings umfasst diese Liste nur jene Belgier, die als Aktionär oder Verwaltungsratsmitglied im Firmenregister auftauchen, wie der beteiligte Journalist Joël Matriche auf Nachfrage hin bestätigt. Jene Familien, die auf Luxemburger Strohmänner zurückgreifen, blieben demnach unentdeckt. Somit ist davon auszugehen, dass der Umfang der belgischen Vermögen in Luxemburg noch größer ist.
Die Namen der wahren Eigentümer werden öffentlich
Dieses Versteckspiel könnte bald ein Ende haben. Ein aktueller Gesetzentwurf sieht vor, ein „Registre des bénéficiaires effectifs“ (Rebeco) einzuführen. Jene Personen, die über ein Viertel der Anteile oder Stimmrechte an einer Luxemburger Gesellschaft halten, müssen in diesem Register eingetragen werden.
Luxemburg setzt damit die sogenannte vierte Anti-Geldwäsche-Richtlinie der EU um. Allerdings nimmt das Europaparlament diesen Donnerstag voraussichtlich wegweisende Änderungen an. Es geht im Wesentlichen nur um einen Absatz, aber dieser macht aus dem Register eine Superwaffe der Transparenz. Die Register werden „öffentlich zugänglich gemacht“, heißt es künftig in Artikel 30 der dann fünften Anti-Geldwäsche-Richtlinie. Die endgültige Annahme der Richtlinie ist eine reine Formalität, so der EU-Abgeordnete Sven Giegold.
Die Privatsphäre steht noch mehr unter Beschuss.“Anti-Geldwäsche-Experte Thierry PouliquenJustizminister Felix Braz (déi gréng) kündigte bereits an, seinen Gesetzentwurf entsprechend anzupassen und den Zugang öffentlich zu machen. Luxemburg wolle „early adopter“ sein, sagen sowohl Finanzminister Pierre Gramegna wie Justizminister Braz. Es werde „intensiv“ an den nötigen Änderungen gearbeitet, heißt es aus dem Justizministerium. Es soll ganz schnell gehen.
Bisher sieht der Text lediglich vor, dass zuständige Behörden, Dienstleister und Kontrollorgane Zugriff auf die Informationen hätten. Über den Zugang von Dritten wie etwa Journalisten sollte ursprünglich eine Kommission im Einzelfall entscheiden.
Bedenken der Datenschützer
Mit dieser kleinen Änderung fällt jedoch die Zweckgebundenheit des Registers. Eigentlich sollten die Informationen über die wahren Eigentümer nur dazu dienen, Geldwäsche und die Finanzierung von Terrorismus zu verhindern, wie der Europäische Datenschutzbeauftragte in einer Stellungnahme betonte. Doch mit den Änderungen seien zahlreiche neue Ziele hinzugekommen – von mehr Transparenz bis zum Kampf gegen Steuerhinterziehung.
Persönliche Daten, die gesammelt wurden, um Geldwäsche und Terrorismus zu verhindern, würden somit auch für andere Zwecke genutzt. Das sei ein Verstoß gegen Prinzipen des Datenschutzes, so die zuständige EU-Stelle. Ein öffentliches Register ist aus Sicht des EU-Datenschützers unverhältnismäßig. Auch die EU-Arbeitsgruppe der nationalen Datenschützer warnte vor einem Zugang für jedermann.
Ein solches Monitoring durch die Zivilgesellschaft ist eine Illusion.“Unidozent Paolo Panico„Durch die öffentlichen Register steht die Anti-Geldwäsche-Richtlinie im Widerspruch zu anderen EU-Texten wie der Datenschutzgrundverordnung und der Richtlinie über den Schutz von Geschäftsgeheimnissen“, sagt der Anwalt und Anti-Geldwäsche-Experte Thierry Pouliquen. „Die Privatsphäre steht noch mehr unter Beschuss“, sagt er.
Ein Kadaster für Vermögen
„Welchen Mehrwert bringt ein solches Register?“, fragt sich Pouliquen. Die „Cellule de renseignement financier“ der Staatsanwaltschaft habe bereits Zugang zu den Informationen, erklärt der Experte. Etwa Notare oder Anwälte müssen die Angaben zu wahren Eigentümern prüfen und auf Anfrage an die Justiz herausgeben. Bisher sei die Information allerdings nicht zentralisiert gewesen, wie es nun mit dem Register der Fall sein wird, so Poliquen weiter.
Die EU argumentiert, dass ein öffentliches Register es NGO und Journalisten erlaube, die Informationen über die Begünstigten zu prüfen. „Ein solches Monitoring durch die Zivilgesellschaft ist eine Illusion“, meint dagegen der Vermögensverwalter und Dozent an der Universität Luxemburg, Paolo Panico.
Jedoch gibt es einen größeren Kontext. Das in Belgien ebenfalls geplante „Registre des bénéficaires effectifs“ sieht der Professor Jan Tuerlinckx als den ersten Schritt in Richtung eines Kadasters von Vermögen. So wie Besitzer von Häusern, Wohnungen oder Grundstücken im Kadaster erfasst sind, sollen auch Firmen und andere Vermögenswerte klar zuzuordnen sein. Der Vergleich mit dem Kadaster lässt auch die Datenschutz-Bedenken in einem anderen Licht erscheinen.
135.000 Gesellschaften müssen ihre Besitzer eintragen
Doch die Analogie mit dem Immobilienkadaster lässt auch die gewaltige Arbeit erahnen, die Unternehmen und Behörden bevorsteht, um dieses Register auf die Beine zu stellen. Von den insgesamt 157.879 Gesellschaften in Luxemburg seien etwa 135.000 vom Transparenzregister betroffen, schätzt die Anwaltskammer. Das bedeutet einen gewaltigen Arbeitsaufwand: Es bräuchte etwa 130 Personen, um in 26 Wochen die Dossiers einer ersten Einschreibung zu bewältigen, rechnen die Vertreter der Anwälte in ihrem Gutachten vor.
Das Justizministerium sieht das jedoch anders: In der Kostenaufstellung im Gesetzentwurf ist nur die Rede von IT-Entwicklung, nicht von einer personellen Aufstockung beim Luxembourg Business Registers (LBR, früher: Registre de commerce), der das Rebeco betreiben wird. Die nötigen Mittel seien eingeplant und würden gegebenenfalls angepasst, sagt der zuständige Beamte Daniel Ruppert. Das LBR ist eine Interessengemeinschaft (GIE), die sich selbst über ihre Dienstleistungen finanziert und somit flexibler aufgestellt ist als eine Verwaltung. Bei den letzten Reformen wie etwa der Einführung der „S.à r.l. simplifiée“ habe das gut geklappt, so Ruppert.
Gemischte Erfahrungen bei den Nachbarn
In Deutschland besteht das Transparenzregister seit etwa 100 Tagen. Bisher gibt es laut „Handelsblatt“ 53.000 Eintragungen. Bei deutschlandweit über drei Millionen Unternehmen scheint das wenig, umsomehr es keine Übergangsfrist gibt. Da das Register noch nicht öffentlich ist, gab es 1.451 Anträge auf Einsicht. 1.264 Anfragen wurde stattgegeben.
„In Frankreich existiert das Register der Begünstigten bereits seit vergangenem Sommer“, erklärt Thierry Pouliquen. Die Gesellschaften hatten bis zum 1. April 2018, um sich einzutragen. Doch die Erfahrungen sind nicht so ermutigend, so der Experte: „Niemand weiß, wie das Ganze funktioniert.“
Sehr kurze Fristen
Der Aufwand ist vor allem hoch, weil der Entwurf eine Übergangszeit von lediglich sechs Monaten vorsieht. Binnen dieser Frist müssen alle Gesellschaften im neuen Register eingetragen sein.
Kommt es anschließend zu Änderungen bei den Begünstigten, muss der Eintrag im Register innerhalb von einem Monat vom Unternehmen aktualisiert werden. Das hält die Anwaltskammer für sehr knapp. Sie spricht sich in ihrem Gutachten für eine Frist von drei Monaten aus.
Extrem hohe Geldbußen
Zudem drohen ernsthafte strafrechtliche Folgen, wenn ein Unternehmer oder Dienstleister die Fristen nicht beachtet. Der Gesetzentwurf sieht Geldbußen von 1.250 bis 1,25 Millionen Euro vor. Das gilt auch, wenn sie wissentlich falsche Angaben ins Register einschreiben lassen. „Das sind enorme Geldbußen“, kritisierte Louis Thomas, Partner bei KPMG Anfang März anlässlich einer Konferenz.
Gerade für die Big Four ist das Risiko damit sehr hoch. Auch Thierry Pouliquen hält die Geldbußen für übertrieben. „Der maximale Betrag von 1,25 Millionen Euro entspricht der Strafe, die im Fall von tatsächlicher Geldwäsche vorgesehen ist“, betont der Experte.
In den bisherigen Gutachten zum Luxemburger Gesetzentwurf Nr. 7217 hagelt es demnach Kritik. Vor allem gibt es Zweifel an der Umsetzbarkeit der Regelungen. Dabei drängt die Zeit, das Gesetz zu verabschieden. Die EU-Kommission hat bereits ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Luxemburg eingeleitet, weil die Anti-Geldwäsche-Richtlinie noch nicht umgesetzt wurde. Die Deadline ist seit Ende Juni 2017 verstrichen.