Mit der Einführung von flexiblen Modellen beim „Congé parental“ hat die Regierung in dieser Legislaturperiode einen Schritt gemacht in Richtung einer besseren Work-Life-Balance. Doch beim Recht auf Teilzeit kam sie nicht voran. Ein Thema für die nächste Koalition?
Während in Deutschland das Kabinett vor wenigen Wochen beschlossen hat, Teilzeit-Beschäftigten die Rückkehr in die Vollzeit gesetzlich zu ermöglichen, finden Bürger beim Blick ins luxemburgische Arbeitsrecht nicht einmal einen Passus, der ihnen aufzeigt, wie sie von Voll- in Teilzeit kommen.
Im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Staaten gibt es in Luxemburg für Angestellte kein Anrecht auf Teilzeit. Nicht einmal die Möglichkeit, diese zu beantragen, ist im luxemburgischen Arbeitsgesetz vorgesehen. Wer heute beispielsweise nach einer Babypause halbtags ins Berufsleben zurückkommen will, kann zwar den Chef fragen, muss aber auf seine Gunst hoffen. Und ansonsten zähneknirschend die Vollzeit-Stelle erfüllen oder sich einen neuen Job mit geringerer Stundenanzahl suchen.
Anders sieht die Lage bei den Beamten aus. Der Staat hat im Jahr 2000 eine Teilzeit-Regelung eingeführt. Mit dem neuen Gehälterabkommen vom Mai dieses Jahres wurde sie flexibilisiert. Zwischen 40 und 90 Prozent ist hier vieles möglich, „wenn die alltägliche Arbeit der jeweiligen Abteilung hiervon nicht beeinträchtigt wird“, so das Ministerium für den öffentlichen Dienst. Bis ihre Kinder die Vorschule absolviert haben, erhalten verbeamtete Eltern sogar einen garantierten Anspruch auf eine Teilzeit-Stelle von 50 oder 75 Prozent.
Ungleiche Behandlung des Privatsektors
Ein Vorbild auch für den Privatsektor? Die Gewerkschaften würden dies begrüßen. „Das Recht auf Teilzeit wie auch eine Rückkehr in Vollzeit ist eine langjährige Forderung des LCGB“, sagt der beigeordnete Generalsekretär Christophe Knebeler. Der Wechsel in Teilzeit dürfe nicht von der Zustimmung des Arbeitgebers abhängen, sondern müsse garantiert werden. „Ich möchte nicht bestreiten, dass sich dies in kleineren Belegschaften schwieriger gestaltet. Aber warum führen wir den Teilzeit-Anspruch dann nicht für größere Betriebe ein? Im Ausland geht es doch auch“, sagt er.
Die Teilzeit war nicht Bestandteil der Diskussion, auch von Regierungsseite nicht.“Christophe Knebeler, LCGB
Jean-Paul Olinger, Direktor der „Union des Entreprises Luxembourgeoises“ (UEL), sieht dies anders: „Man kann immer einen gesetzlichen Rahmen schaffen, die Entscheidung über einen Teilzeit-Antrag sollte aber im Unternehmen zusammen mit der Personaldelegation getroffen werden. Dort weiß jeder am besten, was möglich ist und was nicht.“ Schließlich müsse man die Organisation im Betrieb mitbedenken.
Teilzeit-Recht (immer noch) kein Thema
Auf politischer Ebene kam in dieser Legislaturperiode in Sachen Teilzeit kaum etwas voran. Dabei waren die Ziele nicht einmal hochgesteckt. Die Regierung hatte sich in den Koalitionsvertrag geschrieben, Verhandlungen zu führen, um die Möglichkeiten eines temporären Rechts auf Teilzeit zu analysieren. Diese Gespräche seien auch geführt worden, heißt es im Arbeitsministerium: „Es konnte jedoch keine Einigung zwischen den Sozialpartnern erzielt werden.“
Dem widerspricht Christophe Knebeler. Die Debatte habe sich allein auf die Referenzperioden und den Elternurlaub beschränkt, meint er: „Die Teilzeit war nicht Bestandteil der Diskussion, auch von Regierungsseite nicht.“
In der Tat fanden 2016 Gewerkschaften und UEL über eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten keine Einigung. Die Unternehmerseite forderte eine Erweiterung jenes Bezugszeitraums, in dem zusätzliche Stunden geleistet und wieder abgebaut werden können. Die Gewerkschaften mahnten einen Ausgleich an. Mangels Kompromiss nahm Arbeitsminister Nicolas Schmit (LSAP) schließlich das Zepter in die Hand und legte ein Gesetz auf den Tisch. Seit 2017 haben Unternehmen die Möglichkeit, die sogenannte Referenzperiode von einem auf bis zu vier Monate zu erhöhen – verbunden mit zusätzlichen Urlaubstagen für die Arbeitnehmer.
Von der Politik „getäuscht“
Eine Lösung, die die UEL ablehnt – aus Bürokratie- und Kostengründen. So pocht sie noch immer auf eine Gegenleistung für ihre Zustimmung zu den flexiblen Formen des Elternurlaubs. Erst kürzlich sprach Nicolas Henckes, Direktor des Handelsverbands CLC, im Interview mit „Paperjam“ in diesem Zusammenhang davon, von der Politik „getäuscht“ worden zu sein. Sie habe „ihren Teil des Deals“ nicht erfüllt.
Jeder Versuch einer Flexibilisierung auf Ebene der Unternehmen wurde in dieser Legislaturperiode abgelehnt.“Jean-Paul Olinger, UEL
Angesprochen auf die Frage nach einem Teilzeit-Anrecht, kommt auch UEL-Direktor Jean-Paul Olinger schnell auf den Konflikt zu sprechen, wenn auch nuancierter: „Wenn Arbeitnehmer mehr Rechte erhalten, muss man auch Arbeitgebern mehr Rechte geben, um das Gleichgewicht auszubalancieren. In Luxemburg sehen wir aber hauptsächlich ein Geben der Unternehmen. Jeder Versuch einer Flexibilisierung auf Ebene der Unternehmen wurde in dieser Legislaturperiode abgelehnt.“
Familienministerin Corinne Cahen (DP) hingegen wehrt sich gegen die Koppelung von Elternurlaub und Referenzperiode: „Das sind zwei Paar Schuhe.“ Der „Congé parental“ sei in einem großen Konsens von Gewerkschaften und Arbeitgebern flexibilisiert worden. Die Frage nach der Arbeitszeitorganisation falle hingegen in die Zuständigkeit des Arbeitsministeriums.
Teilzeit als Wahlkampfthema
Auch wenn in der Debatte um die Arbeitszeit die Teilzeit-Frage von Referenzperiode und Elternurlaub überlagert wurde, ist es möglich, dass sie in nächster Zeit auf die politische Agenda gelangt. Corinne Cahen würde sich zumindest genau dies wünschen: „Das Recht auf Teilzeit muss ein Thema im Wahlkampf und für die nächste Regierung sein.“ Die Ministerin spricht sich für eine solche Regelung aus, verbunden mit dem Rückkehrrecht in Vollzeit. „Was die genauen Modalitäten anbelangt, so ist das aber eine Diskussion, die mit den Sozialpartnern geführt werden muss.“ Ein Konsens sei notwendig: „Da sollte nichts übers Knie gebrochen werden.“
Das Recht auf Teilzeit muss ein Thema im Wahlkampf und für die nächste Regierung sein.“Familienministerin Corinne Cahen
Darüber, wie die Teilzeit für Eltern aussehen könnte, hat die DP-Präsidentin konkrete Vorstellungen. Beim als „Congé parental plus“ bezeichneten Modell könnten Mütter und Väter nach dem Elternurlaub jeweils 18 Monate halbtags arbeiten, während der Staat in diesem Zeitraum den Ausfall der Rentenbeiträge kompensieren würde. „Am Ende dieses Zeitraums wäre das Kind in der ‚Spillschoul‘“, sagt sie. Die LSAP, „déi gréng“ und „déi lenk“ haben das Teilzeit-Recht ebenfalls in ihr Wahlprogramm aufgenommen. Ob die CSV nachzieht, ist bisher offen.
Sollte es zu einer Änderung kommen, könnte dies zu einer Annäherung zwischen den Geschlechtern führen. Aktuell arbeiten 35 Prozent aller beschäftigten Frauen reduziert, aber nur 6 Prozent der Männer. Erste Evaluationen nach der Reform beim „Congé Parental“ haben gezeigt, dass Väter das Angebot nutzen, wenn es flexibel ist. Doch auch ein Gesetz kann ein gesellschaftliches Phänomen nicht von heute auf morgen ändern.
Anik Raskin, Direktionsbeauftragte des nationalen Frauenrats (CNFL), plädiert an Frauen, die Teilzeit im Hinblick auf ihre finanzielle Unabhängigkeit und die Rentenabsicherung als eine temporäre Lösung anzusehen: „Es ist wichtig, dass sie ab einem bestimmten Moment in die Vollzeit kommen.“ Gleichzeitig wünscht sie sich, dass sich Männer mehr Zeit nehmen für private Verpflichtungen, wie Kinderbetreuung, Pflege von Verwandten und Hausarbeit: „Die Frauen sind zwar in den Arbeitsmarkt gekommen über die letzten Jahrzehnte, sie regeln aber weiterhin das Private. Die Männer haben den umgekehrten Weg nicht gemacht. Dabei wäre das natürlich wichtig.“
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