Mit „Stock options“ sparen Manager jedes Jahr den Gegenwert eines Mittelklasseautos. Doch es ist nur eine der Begünstigungen für die oberen zehn Prozent. Der wirtschaftliche Nutzen dieser Privilegien steht in einem fraglichen Verhältnis zu ihren Kosten. Ein Kommentar.
„Weder gerecht, noch kohärent“ sei die Besteuerung der Aktienpakete, sagte niemand anderes als Finanzminister Pierre Gramegna (DP) im November 2017. Trotz der parteiübergreifenden Kritik und einer kosmetischen Reform können Manager immer noch über den Weg von sogenannten „Stock options“ massiv Steuern sparen. Ohne Grenze nach oben oder in der Zeit. Weniger diskutiert, aber ähnlich gelagert sind Steuervorteile für Expats, also hoch qualifizierte Mitarbeiter, die Firmen im Ausland rekrutieren.
Die wechselnden Regierungen, unter Beteiligung aller vier großen Parteien, haben seit 2002 Steuergeschenke an gut verdienende Manager verteilt – entgegen aller politischer und wirtschaftlicher Logik. „Humbug“, „Steuerschlupfloch“, „Sauerei“ – hinter vorgehaltener Hand sind die Meinungen deutlich zu jenem Privileg, mit denen Besserverdienende im Schnitt 36.500 Euro pro Jahr an Steuern einsparen. Und dennoch nimmt die Politik seit Jahren in Kauf, dass diese Privilegien das Prinzip der Steuergerechtigkeit und nicht zuletzt die Verfassung missachten.
Ohne demokratische Kontrolle
„Es kann hinsichtlich der Abgaben keine Bevorzugung eingeführt werden. Keine Befreiung oder Ermäßigung kann anders stattfinden, als Kraft des Gesetzes.“ So stand es in der Luxemburger Verfassung von 1848 und so steht es bis heute in der französischen Fassung im aktuellen Text. Die Regeln sind also klar: Niemand darf einzeln bevorzugt werden und eine Gruppe darf nur dann einen steuerlichen Vorteil erhalten, wenn es dazu ein Gesetz gibt.
Zu einer umsichtigen Finanz- und Wirtschaftspolitik gehört auch, dass man die Gegenfrage stellt: Bleiben die Banken, Fonds und Holdings fern, wenn die Steuervorteile fehlen?“
Diese Bedingung soll sicherstellen, dass es für jede Ermäßigung auch einen berechtigten Grund gibt. „Stock options“ und das Expat-Regime sind aber lediglich über Rundschreiben des Direktors der Steuerverwaltung geregelt, ein Gesetz gibt es nicht. Das verstößt gegen die Verfassung, daran zweifelt kaum jemand. Und damit fehlt jede demokratische Kontrolle.
Bis vor Kurzem gab es keine verlässlichen Zahlen, das Finanzministerium schätzte den Einnahmeverlust der „Stock options“ auf 100 bis 300 Millionen Euro – eine enorme Summe. Beim Vorteil für Expats gibt das Finanzministerium überhaupt keine Zahlen preis. Wenn die Schätzungen vom einfachen zum dreifachen reichen, dann ist es letztlich unmöglich, zu wissen, ob der Nutzen den Kosten entspricht.
Weder für Start-ups noch für Forscher
Üblicherweise müssen Start-ups, ausländische Talente oder der Brexit und neue internationale Steuerregeln als Argumente für „Stock options“ herhalten. Keine Studien oder Zahlen belegen jedoch diese Rechtfertigungen.
Spricht man mit Experten, winken diese ab. Start-ups brauchen Kapitalgeber und günstige Büros, „Stock options“ in Form der üblichen „warrants“-Pakete helfen ihnen dagegen wenig. Ausländischen Forschern, die innovative Ideen und Projekte in der Industrie vorantreiben, werden selten Aktienpakete angeboten und sie fragen auch nicht danach.
Es ist ein klassischer Mitnahmeeffekt: Der Staat fördert etwas, was es ohne seine Hilfe auch geben würde.“
Bleiben die Banken, Fonds und Versicherungen, die im Zuge des Brexit nach Luxemburg kommen wollen, sowie Holdings internationaler Konzerne, die ihr Personal aufstocken müssen. In beiden Fällen werden sich die Unternehmen darauf beschränken, in Luxemburg meist kleine Management-Teams zu beschäftigen. Es ist diese Gruppe, die die Politik und Wirtschaftsverbände vor allem im Blick haben.
Klassischer Mitnahmeeffekt
Das Standardargument lautet: Die Manager entscheiden, ob etwa eine Versicherung ihr Europageschäft künftig von Luxemburg statt von London aus betreibt. Steuervorteile kämen ihnen oft selbst zugute. Und ihnen ist ihr eigenes Portemonnaie am nächsten.
Doch zu einer umsichtigen Finanz- und Wirtschaftspolitik gehört auch, dass man die Gegenfrage stellt: Bleiben die Banken, Fonds und Holdings fern, wenn die Steuervorteile fehlen? Deutschland kennt keine vergleichbaren Privilegien für Manager und trotzdem steht Frankfurt hoch im Kurs im Rennen um die Abwerbung im Brexit-Kontext. Wenn ein Konzern durch seine Präsenz in Luxemburg Steuern in Millionenhöhe spart, kommt es dann auf Begünstigungen seiner Manager an? Wenn eine Bank eine Niederlassung in Luxemburg braucht, um ihre EU-Kunden zu bedienen, braucht es dafür eine zusätzliche staatliche Subvention?
Dazu kommen die sehr hohen Gehälter, die für solche Posten gezahlt werden. 2016 verdienten 21 Manager am Luxemburger Finanzplatz über eine Million Euro pro Jahr, zeigen Zahlen der Europäischen Bankenaufsicht. In dieser Gruppe erhielt eine Person gar ein Gehalt von 2,8 Millionen Euro – Boni inbegriffen. Der Joghurt-Konzern Fage zahlt seinen 16 Beschäftigten insgesamt 4,66 Millionen Euro. Das sind im Schnitt (!) knapp 290.000 Euro jährlich pro Kopf.
Steuergeschenke nehmen die Unternehmen gerne an, doch ist das wirklich nötig? Steht der Effekt in einem annehmbaren Verhältnis zu den Hunderten Millionen Euro, die sich der Staat diese Maßnahmen kosten lässt? Damit fehlen diese Summen an anderer Stelle – etwa bei der Förderung von Forschung.
Es ist ein klassischer Mitnahmeeffekt: Der Staat fördert etwas, was es ohne seine Hilfe auch geben würde. Es ist, wie wenn man einem Kind etwas schenkt, das schon alles hat. Das Geschenk wird angenommen, gebraucht wird es nicht.