Was war los in der EU? Und was hat das alles mit Luxemburg zu tun? Charlotte Wirth blickt aus Brüssel auf die politischen und medialen Top-Themen der vergangenen Wochen zurück. Dieses Mal: Brexit, Klimapolitik, eine neue Ratspräsidentschaft und ein nüchterner Geburtstag des Euro.
Das „Lëtzebuerger Journal“ hat sich an Silvester nach den Neujahrswünschen der Luxemburger EU-Abgeordneten umgehört. Eigentlich sind es sechs. Allerdings haben nur drei von ihnen sich den Fragen von Chefredakteur Claude Karger gestellt. Man könnte fast denken, die CSV-Politiker Georges Bach, Christophe Hansen, und die Sozialistin Mady Delvaux-Stehres hätten sich abgesprochen. Auf die Frage, welche Themen die EU im neuen Jahr prägen, antworteten alle drei wie aus einem Munde: Migration und Brexit.
Dritter Punkt sind für die CSVler der Klimawandel, für Delvaux-Stehres aber die Digitalisierung. Dabei sitzt sie eigentlich im Steuerausschuss. Steuervermeidung und dessen Behebung scheint aber für alle drei Abgeordneten kein Thema zu sein. In Brüssel ist es das schon. Am ersten Januar traten etwa die neuen EU-Regelungen zur Vermeidung der Körperschaftssteuer in Kraft. Auch die Digitalsteuer wird 2019 ein Thema sein. Mal wieder, denn die Mitgliedsstaaten konnten sich immer noch auf keinen Kompromiss zur Besteuerung von Internetriesen wie Google, Apple und Co. einigen – obwohl sich Luxemburg inzwischen nicht mehr gegen das Vorhaben wehrt.
Alle blicken nach London
Das Thema, das so ziemlich jedem Abgeordneten, Staatschef und Brüsseler Beamten Kopfschmerzen bereitet, heißt aber Brexit. Zur Erinnerung: Premierministerin Theresa May wollte das britische Parlament eigentlich im Dezember über den mit der EU ausgehandelten Deal abstimmen lassen. Eigentlich, denn so richtig scheint niemand mit dem Deal einverstanden zu sein. Nicht nur musste May erst einmal ein parteiinternes Vertrauensvotum ihrer Partei überstehen. Als sie sich auf eine Europa-Tour aufmachte, wollten ihr weder die Staatschefs noch Jean-Claude Juncker weitere Zusicherungen zugestehen.
Die EU rüstet sich derweil für das gefürchtete No-Deal-Szenario und hat Pläne veröffentlicht, wie sie die Katastrophe abzuwehren gedenkt. Kurzfristig mögen sie helfen, langfristig planen lässt sich damit aber nicht, schrieb „Luxemburger Wort“-Korrespondent Diego Velazquez. Und eine nationale Strategie fehle weiterhin, kritisiert im selben Artikel, ABBL-Generaldirektor Serge de Cillia. Dabei steht gerade Luxemburgs Finanzindustrie vor einer Zitterpartie.
Für Jean Asselborn hingegen ist und bleibt die nordirische Frage das größte Problem, sagte der Außenminister der ZDF kurz vor dem letzten Brexit-Gipfel. Und teilte das Interview auch gleich per Whats App mit Journalisten. Laut Asselborn ist der Brexit wie eine Oper: „Das Ganze ist eine Inszenierung. Drama gehört dazu.“ Um zu retten, was zu retten ist, verschob Theresa May ihrerseits die Brexit-Abstimmung ihres Parlamentes auf die dritte Januarwoche. Will sie den Deal dieses Mal durchbringen, muss sie, um es auf asselbornisch zu formulieren, „kämpfen wie eine Löwin“. Es verspricht also noch dramatisch zu werden, denn das Stichdatum für den EU-Austritt Großbritanniens, der 29. März 2019, rückt immer näher.
Ehrgeiz nach dem Klimagipfel
Angesichts des politischen Klimas sei es schwierig in politischen Fragen auf einen Nenner zu kommen, bedauerte Carole Dieschbourg am Rande des letzten Umwelt-Rates kurz vor Weihnachten. Bei der Weltklimakonferenz habe aber zumindest Europa gut zusammengearbeitet, lobte die Klimaqueen im REPORTER-Interview.
Dass die EU es mit der Umwelt ernst meint, wollte Brüssel kurz vor dem Feiertagen noch alle wissen lassen. Es gab schlechte Nachrichten für die Autoindustrie. Kommission, Mitgliedsstaaten und Parlament einigten sich im Trilog auf strengere CO2-Grenzwerte für neue Autos. Mit einer Reduktion der Grenzwerte um 37,5 Prozent bis 2030 fiel das Urteil deutlich strenger aus als die Industrie es sich erhofft hatte. Carole Dieschbourg hingegen hatte sich ihrerseits mehr Ehrgeiz gewünscht und sprach auf 100,7 von einer „verpassten Chance“.
In Berlin denkt man das wohl auch, allerdings aus anderen Gründen. Als der EU-Rat im Vorfeld des Trilogs seine Position verhandelte, hatte Claude Turmes fast schon Mitleid mit der deutschen Umweltministerin Svenja Schulze.“Ich habe hier eine Umweltministerin gesehen, die sitzt am Tisch, hat aber praktisch nichts zu sagen. Das Kanzleramt telefoniert dagegen mit den Hauptstädten. Das ist eine einmalige Situation“, sagte der damals-noch-Staatssekretär dem Deutschlandfunk.
Weniger Plastik und bessere Luft
Doch eigentlich kann die Kommission das Lob für die hohen Ambitionen auch nicht einheimsen. Sie forderte in ihrem Vorschlag nur 30 Prozent, das Parlament hingegen ganze 40 Prozent. Dafür lobt sich Brüssel umso mehr für das Verbot für Einweg-Plastik, das die Kommission letztes Jahr angestoßen hat. Auch Christophe Hansen (CSV) stimmt mit ein. Der Abgeordnete hat nämlich im EU-Parlament am Text mitgearbeitet, genau wie die grüne Abgeordnete Tilly Metz. In gut zwei Jahren soll Schluss sein mit Einwegflaschen, Plastikgeschirr und Strohhalmen. Die Kosten für die Entsorgung jener Einwegkunststoffe die noch auf dem Markt sind, müssen die Hersteller tragen. Luxemburg könnte das Recycling der PET-Flaschen allerdings noch Kopfschmerzen bereiten. Dafür hat das Großherzogtum aber in anderen Plastikfragen gute Neuigkeiten zu vermelden: seit letzter Woche sind Gratis-Platiktüten in Luxemburger Geschäften passé.
Happy that my proposal for a binding reduction target for Member States is on board – congratulations https://t.co/5NxrSXeB1U
— Christophe Hansen (@CHansenEU) December 19, 2018
Der Umweltrat legte vor der Weihnachtspause noch ein – mehr oder weniger ambitiöses – Ziel für LKWs fest. Bis 2030 sollen die CO2-Emissionen um 30 Prozent verringert werden. Angesichts des hohen Transitverkehrs dürfte so mancher Bewohner des Großherzogtums in gut zehn Jahren wieder besser durchatmen können. Wobei, bei dem hiesigen Verkehrsproblem und angesichts des Problemdossiers Tanktourismus ist das wohl leider Wunschdenken.
Carole Dieschbourg ist mit dem Ziel wieder nur bedingt zufrieden und hatte sich auch in diesem Dossier mehr Ehrgeiz erwartet. REPORTER erzählte sie, sie hoffe jetzt darauf, dass das EU-Parlament die Latte höher legt, so dass am Ende doch noch höhere Ambitionen Gesetz werden. Unsere deutsche Nachbarn hoffen wohl wieder auf das Gegenteil. Die deutsche Bundesumweltministerin Svenja Schulze jedenfalls durfte den letzten Kompromissvorschlag nicht mittragen. Sie konnte sich „mit dem Bundeskanzleramt nicht darüber verständigen“, sagte sie der Nachrichtenagentur „dpa“. Von Mr. Energy gab es dieses Mal kein Mitleid.
Von Österreich nach Rumänien
Die österreichische Ratspräsidentschaft hatte Höhen und Tiefen. Besonders die Migrationsfrage wurde zum Knackpunkt, als Sebastian Kurz Österreichs Rückzug vom UN-Migrationspakt ankündigte. Die Entscheidung schade dem Image der gesamten EU, monierte etwa Jean Asselborn. Auch Kommissionschef Jean-Claude Juncker kritisierte die Entscheidung scharf. Ein solcher Alleingang während der Ratspräsidentschaft tue der EU nicht gut.
Will Bukarest seine Sache besser machen, sieht es also besser von solchen Alleingängen ab. Rumänien hat am ersten Januar den Ratsvorsitz übernommen. Doch bereits vor der Übernahme meldete der Kommissionspräsident bereits Zweifel an: Rumänien sei zwar technisch gut vorbereitet – er sei sich jedoch nicht sicher, ob die Regierung wüsste, was es bedeute, den Ratsvorsitz innezuhaben, sagte Juncker der „Welt“. Dazu müsse man nämlich als geschlossene Front auftreten, die eigenen Ansprüche zurückstellen und anderen zuhören. Ratspräsident Donald Tusk war da etwas nachsichtiger oder zumindest optimistischer.
Happy New Year! I wish Romania all the best with your first EU presidency. I am confident you will deliver and look forward to working with you. #RO2019EU
— Donald Tusk (@eucopresident) January 1, 2019
Tatsächlich hat Rumänien mit innenpolitischen Problemen zu kämpfen. Brüssel zweifelt bereits seit längerem an der Rechtsstaatlichkeit des osteuropäischen Staates. Besonders problematisch: Korruption und deren halbherzige Bekämpfung. Im Parlament haben Rumäniens Liberale übrigens ein ähnliches Image-Problem innerhalb der Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa (ALDE) wie Orbàns Fidesz-Partei innerhalb der europäischen Volkspartei (EPP). Bekomme Bukarest die innenpolitischen Probleme nicht in den Griff, hätten Rumäniens Liberale in der ALDE keinen Platz mehr, warnte Fraktionschef Guy Verhofstadt.
Will Rumänien also die Ratspräsidentschaft erfolgreich führen, muss es nicht nur das „Image von Europa“ stärken, sondern erst einmal das eigene Ansehen aufpolieren. Es bleiben sechs Monate und viel Arbeit: Es handelt sich nämlich auch noch um den letzten Ratsvorsitz vor den Europawahlen.
20 Jahre Euro
Zu guter Letzt noch etwas zum Feiern: Der Euro wurde am 1. Januar 20 Jahre alt. Für Juncker war die Unterzeichnung des Maastrichter Vertrags und damit, die Schaffung der europäischen Wirtschafts-und Währungsunion, seine „wichtigste Unterschrift“. Mehr als eine Währung sei der Euro ein Symbol für Stabilität, Einheit und Souveränität.
Ein Euro, das waren übrigens genau 40.3399 Franken, erinnert Catherine Kurzawa im „Lëtzebuerger Journal“. Doch Grund zum Feiern ist das zwanzigjährige Jubiläum anlässlich der Eurokrise nicht unbedingt, auch nicht aus Luxemburger Sicht. „Politiquement parlant, les critères de Maastricht asphyxient la démocratie“ schreibt etwa Marc Fassone im „Jeudi“. Er findet, ein runder Geburtstag sollte als Anstoß zur Selbstreflexion dienen.
For 20 years, the #euro has delivered prosperity and protection to our citizens. It has become a symbol of unity, sovereignty and stability. #EUROat20https://t.co/tqQLb02uAq pic.twitter.com/dulNGLln6y
— Jean-Claude Juncker (@JunckerEU) December 31, 2018