Carole Dieschbourg will ihren Frust angesichts des Ausgangs der jüngsten UN-Klimakonferenz nicht verbergen. Dennoch bestätigte Luxemburgs Umweltministerin ihren Ruf als internationale Vermittlerin. Ein Gespräch über Verhandlungsstrategien und die schwierige Suche nach Verbündeten.

Interview: Charlotte Wirth

Glaubt man den Medienberichten, so waren die Verhandlungen auf der UN-Klimakonferenz in Katowice (COP 24) schwieriger als noch vor einigen Jahren. Auf ehrgeizige Ziele wurde sich nicht geeinigt. Stimmen Sie diesem Eindruck zu?

Das politische Umfeld war bei vergangenen Konferenzen wie der COP21 in Paris noch ganz anders. Damals war die Dynamik sehr positiv. Dank der Bürger, des Drucks der Zivilgesellschaft und dem gemeinsamen Einsatz progressiver Regierungen konnten wir uns auf ambitionierte Ziele einigen. Die Dynamik war dieses Jahr ganz anders. Das politische Klima ist schwieriger geworden. Früher kamen politische Führungsfiguren zu den Verhandlungen. Dieses Mal waren es ihre Unterhändler. Manche Staaten haben bis zum Schluss keinen Minister geschickt. Umso technischer waren die Verhandlungen. Die Verbindung mit der politischen Ebene war demnach durchaus eine Herausforderung. Wir haben es heute auch nicht mehr mit einer US-amerikanischen Regierung zu tun, die mit großen Ambitionen in die Verhandlungen kommt. Auch Brasilien war ein schwieriger Verhandlungspartner – noch schwieriger als sonst.

Sie tragen einen 1,5-Grad-Anstecker am Kleid. Doch manche Staaten teilen das Ziel einer Begrenzung des durch Treibhausgase verursachten Temperaturanstiegs nicht. Entsprechend heftig ist die Kritik der Nichtregierungsorganisationen am neuen Regelwerk ausgefallen. Können Sie diese Kritik nachvollziehen?

Ich verstehe den Frust der NGOs. Wir brauchen die Ambitionen sehr dringend, wenn wir das 1,5-Grad-Ziel einhalten wollen. Diese Botschaft hätte dieses Jahr stärker durchdringen müssen. Das ist aber nicht passiert. Das frustriert nicht nur die NGOs, ich finde das auch nicht gut. Als Ministerin weiß ich aber auch, wie wichtig es ist ein gutes Regelwerk zu haben. Das Pariser Abkommen ist wie eine gute Gesetzeslage. Und das Regelwerk ist wie eine großherzogliche Verordnung. Unsexy, total technisch, aber wenn wir die Vorgaben einhalten, dann schaffen wir eine neue Dynamik. Und dem kann sich niemand entziehen. Niemand hat den Tisch verlassen, alle sind noch dabei.

Das alles ist Fleißarbeit und man testet aus: Wie weit kann man mit wem in welchem Punkt gehen?“

Es gibt eine weltweite Mobilisierung. Jetzt kann man das Pariser Abkommen nicht mehr zurücknehmen, der Zug ist auf den Gleisen. Wir haben uns auf ein Regelwerk einigen können, was in diesem politischen Klima besonders schwierig ist. Wir kommen ja oft in Europa nicht mal auf einen gemeinsamen Nenner, man denke an den Migrationspakt. Wenn die Europäer in Klimafragen wirklich die Nase vorn haben wollen, dann gilt es, die Ziele jetzt selbst umzusetzen.


Bei der Pariser Cop21 unter Luxemburgischer EU-Ratspräsidentschaft konnten Sie die Position der EU verhandeln. Dieses Mal haben Sie die Rolle der Vermittlerin übernommen. Wie laufen diese Vermittlungen konkret ab?

Wir haben mit bilateralen Verhandlungen angefangen, um uns ein besseres Bild von den einzelnen Positionen der verschiedenen Staaten zu machen. Es war schnell klar, dass diese teils sehr weit auseinander lagen. Dann ging es darum, Kompromisse zu finden. Man tastet sich da so langsam heran, um gemeinsame Landezonen zu finden. Dabei ist es immer hilfreich, wenn man „seine Pappenheimer“ schon ein wenig kennt. Zum Schluss hatten wir noch eine gemeinsame Verhandlungsrunde im Plenum, bei dem wir uns an den finalen Textvorschlag herantasteten. Das alles ist Fleißarbeit und man testet aus: Wie weit kann man mit wem in welchem Punkt gehen?

Es kann nicht schaden, wenn man selbst gewisse Ambitionen hat.“

Die Texte der Verhandlungsteams gingen dann an die Cop-Präsidentschaft, damit sie diese dann wiederum in bilateralen Treffen mit den einzelnen Staaten testen sollte. Bei diesen Treffen war ich als Vermittlerin dieses Mal nicht dabei. Deswegen habe ich meinen europäischen Partnern gesagt, dass sie auf verschiedene Elemente bestehen müssen. Da darf man nicht klein beigeben, sonst verliert man Ambitionen. Europa hat das entgegen der Kritiken gut gemacht und maßgebend zum Regelwerk beigetragen.

Sie werden in der internationalen Presse oft als Vermittlerin bezeichnet. Inwiefern konnten Sie Ihre eigenen Ziele und Überzeugungen in die Verhandlungen einbringen?

Es kann nicht schaden, wenn man selbst gewisse Ambitionen hat. Das heißt aber nicht, dass man auch genau dort nach Verhandlungen ankommt. Man kann als Vorsitzender oder Vermittler die besten Vorsätze haben, man muss aber zwischen den Parteien eine gemeinsame Position finden. Es geht mir darum, zu versuchen, die klimapolitischen Ziele so hoch zu schrauben wie es nur politisch möglich ist.

Wie schwierig ist die Suche nach strategischen Verbündeten?

Wenn ich etwas in Paris und auch bei anderen Verhandlungen gelernt habe, dann, dass man seine Position klar und deutlich zum Ausdruck bringen muss. Man muss offen sagen, was man will und was die absoluten roten Linien sind. Dieses Jahr musste ich als Vermittlerin ja streckenweise neutral sein. Aber das verhindert ja nicht, als Land in der Koalition der ambitiösen Länder mitzuspielen. Ich habe mir über die letzten Jahre auf Klimakonferenzen immer meine thematischen Nischen gesucht, bin in entsprechende Versammlungen – etwa zu Gender oder Menschenrechten – gegangen, und habe so auch Verbündete gefunden. Wir hatten auch das Glück, dass wir vor drei Jahren in Paris an vorderster Front kämpften. Wenn man einmal mit jedem verhandelt hat, kennt man die entscheidenden Personen – und sie einen auch.