Seit Beginn der Tram-Bauarbeiten wurden 26 Entschädigungsanträge bei Luxtram eingereicht – bisher erhielten allerdings nur drei Geschäftsleute eine Kompensation. Zudem hat der Trambetreiber die Regeln für die Auszahlung finanzieller Hilfen überarbeitet.
Eineinhalb Jahre nach Beginn der Vorbereitungsarbeiten für die Tram im Bahnhofsviertel wartet ein Großteil der Geschäftsleute weiter auf den finanziellen Ausgleich, der ihnen für ihre Einbußen versprochen worden war. So beklagten die Geschäftsleute der Avenue de la Liberté bereits vor dem Corona-Lockdown finanzielle Verluste, die der Präsident der „Union commerciale de la Ville de Luxembourg“ (UCVL), Guill Kaempff, einst auf zwischen 20 und 50 Prozent schätzte. Der Gemeinderat der Stadt Luxemburg und Restaurantbetreiber Gabriel Boisante (LSAP) sprach auf RTL gar von Einbußen von existenzbedrohenden „40 bis 80 Prozent“.
Trotz 26 Entschädigungsanträgen wurden bisher nur drei Abfindungen gezahlt. Dabei wurde der Hauptteil der Entschädigungsanträge bereits 2019 eingereicht. Die bisher sehr begrenzte finanzielle Unterstützung begründet der Präsident von Luxtram mit einem rigorosen Prüfverfahren, das mögliche Missbräuche verhindern soll. „Wir sind relativ strikt, weil die Kompensationen mit Steuergeldern bezahlt werden“, so Frank Vansteenkiste. Zur Erinnerung: Luxtram wird zu 100% von der Gemeinde Luxemburg und dem Staat finanziert. Es wurden tatsächlich bereits sechs Dossiers als „non-éligible“ verworfen – die betreffenden Läden hätten keine Verluste erlitten, sondern nur weniger große Gewinne erzielt. Einen Rückgang der Geschäftszahlen wertet Luxtram demnach nicht als Schaden.
Vier weitere wurden abgelehnt, da die Geschäfte die von Luxtram festgesetzten Kriterien nicht erfüllten. Sie lagen unter anderem außerhalb des Perimeters. Denn: Nur Läden, die sich direkt an der Tram-Trasse befinden, kommen überhaupt für eine Kompensation infrage. Die restlichen dreizehn Dossiers seien „en suspens“, sie seien zum Zeitpunkt des Einreichens nicht komplett gewesen. Man warte nun auf die fehlenden Informationen. Vansteenkiste geht davon aus, dass die nächsten Beträge bei Vervollständigung der Dossiers bereits im September ausgezahlt werden könnten.

Dabei ist dem Präsident von Luxtram klar, dass die krisengeschüttelten Unternehmer dringend auf die Entschädigungen angewiesen sind. „Ich verstehe, dass die Händler Existenzängste haben,“ so Frank Vansteenkiste. Doch er beschreibt das Prozedere als „so unbürokratisch wie möglich“ und verweist auf die Möglichkeit, das Verfahren zu beschleunigen – wenn denn ein komplettes Dossier eingereicht wurde.
Dass die Hälfte der Geschäftsleute nicht alle nötigen Dokumente einreichten, deutet möglicherweise aber auch auf ein unklares Entschädigungsformular hin. Die Ladeninhaber werden darin nach aktualisierten Geschäftszahlen gefragt und müssen sehr spezifische Details zur Bilanz der vergangenen drei Jahre offenlegen.
Weniger Geld als versprochen
Für alle jene, die schon länger auf das ihnen versprochene Geld warten, gibt es zudem einen weiteren Dämpfer: So hat sich Luxtram entschieden, nicht mehr, wie 2019 angekündigt, für den gesamten entstandenen Schaden, sondern lediglich für 50 Prozent der Einbußen aufzukommen.
REPORTER hatte bereits über viele Unklarheiten im Rahmen der Festlegung der Entschädigungssummen berichtet. Der Finanzdirektor von Luxtram, Frédéric Guinchan, hatte noch vor einem Jahr im Interview erklärt, dass kein Maximalbetrag festgelegt werden könne, Luxtram aber letztlich keine andere Wahl hätte, als den ganzen Schaden zu erstatten, wenn man Gerichtsverfahren vermeiden wolle. Die Rede war dabei stets von dem Schaden, der direkt auf die Tramarbeiten zurückzuführen ist.
Ich verstehe, dass die Händler Existenzängste haben.“Frank Vansteenkiste, Luxtram
Dass sich das Verständnis der eigenen Verantwortung bei Luxtram inzwischen geändert hat, liegt dabei möglicherweise an der Tatsache, dass 2019 kein Gesamtbudget für die Entschädigungen festgesetzt wurde. So stand lediglich fest, dass die Gelder aus dem Topf für „Imprévus“ gespeist werden sollten. In der Gesetzesvorlage für den Bau der Tram von Kirchberg bis zum Bahnhof waren etwa 20 Millionen Euro für unerwartete Ereignisse vorgesehen. Doch konnte selbst der Finanzdirektor die Höhe des für ein Geschäft verursachten Schadens nicht weiter einschätzen. Luxtram erhielt zum ersten Mal ein klareres Bild des Ausmaßes, als die ersten Dossiers eingereicht wurden.
Ausfallberechnung im Lockdown
Heute will das Trambetreiberunternehmen offiziell nicht mehr von „Entschädigungen“ reden. Man bevorzuge die Bezeichnung „Kompensationen“ oder „finanzielle Hilfen“. Vonseiten Luxtram bestehe gegenüber den Geschäftsinhabern keinerlei Zahlungspflicht, argumentiert der Verwaltungsratspräsident. Er beschwert sich, dass man Luxtram den schwarzen Peter für jedes Übel der Geschäftsleute zuschiebe. Ob Tram oder nicht, Bauarbeiten hätten im Bahnhofsviertel demnächst ohnehin angestanden: Die Wasser- und Stromleitungen hätten erneuert werden müssen. Diese Baustellen seien jetzt mit der Schienenverlegung für die Tram verbunden worden.
Dennoch gibt es nach dem Lockdown zumindest eine gute Nachricht für die Ladenbetreiber. „Wir haben lange überlegt, wie wir mit der Covid-Krise umgehen sollten“, sagt Vansteenkiste. Diese wirkt sich nämlich negativ auf die Geschäftszahlen aus und verschleiert somit auch, wie hoch die durch die Baustellen bedingten Verluste dieses Jahr im Normalfall ausgefallen wären. „Wir haben uns für eine pragmatische Lösung entschieden“, versichert Vansteenkiste. Die Verluste, die im Baustellenjahr 2019 im Vergleich zu 2018 verzeichnet wurden, sollen integral auf 2020 übertragen werden. Sprich: Wer 2020 wegen der Covid-19-Krise ein noch desaströseres Geschäftsjahr hatte als 2019, erhält dieselbe Entschädigung wie die, die ihm für 2019 zugesprochen wird.
Indes haben die Geschäftsinhaber weiterhin mit den kumulativen Effekten der Pandemie, der Tram-Baustelle und der Schließung des Rousegäertchen-Parkhauses zu kämpfen. Ob sie alle die Krisenzeit überstehen werden, ist fraglich.
Lesen Sie mehr zum Thema


